Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat die Anforderungen an den medizinischen Sachverständigenbeweis im sozialgerichtlichen Verfahren konkretisiert.

Dabei hat das Landessozialgericht in Essen ein Urteil des Sozialgerichts Köln in einem Rentenstreitverfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz aufgehoben und die Sache zur erneuten Beweiserhebung und Entscheidung zurückverwiesen. Diese Möglichkeit besteht nach § 159 SGG u.a. dann, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist:
Für die Beweisaufnahme sei genau zwischen Anknüpfungstatsachen, also Umständen, die nicht in das Fachgebiet eines medizinischen Sachverständigenbeweises fallen, und den Tatsachen zu unterscheiden, die der Sachverständige ermitteln solle. Diese nicht-medizinischen Anknüpfungstatsachen müsse das Gericht vorgeben. Es habe vor der Erteilung eines Gutachtenauftrages auch für die Vollständigkeit der medizinischen Dokumentation zu sorgen und könne den Beteiligten aufgeben, die entsprechenden Unterlagen selbst vorzulegen.
Bei der Überprüfung subjektiver Beschwerde-Angaben müsse der medizinische Sachverständige – anders als in der Rolle eines behandelnden Arztes – immer von der sog. „Nullhypothese“ ausgehen. Alle subjektiven Angaben der von ihm zu beurteilenden Person seien solange als unwahr anzusehen, bis ein objektiver Nachweis für ihre Richtigkeit vorliege.
Der Sachverständige habe dazu Stellung zu nehmen, ob und aufgrund welcher objektivierbaren Fakten die geklagten Funktionsbeeinträchtigungen nach Art und Umfang tatsächlich bestehen, was eine eingehende Konsistenzprüfung durch kritische Zusammenschau von Exploration, Untersuchungsbefunden, Verhaltensbeobachtung und Aktenlage voraussetze.
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Januar 2024 – L 13 VG 9/23
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