Elternassistenz für behinderte Eltern

Körperbehinderte Eltern haben im Bedarfsfall Anspruch auf eine sogenannte Elternassistenz nach sozialhilferechtlichen Vorschriften. Dieser Anspruch steht nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden dem behinderten Elternteil zu, nicht dem Kind.

Elternassistenz für behinderte Eltern

In dem jetzt vom Verwaltungsgericht Minden entschiedenen Verfahren leidet die 1972 geborene, verheiratete Antragstellerin an einer spastischen Lähmung aller vier Gliedmaßen und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Im April 2009 brachte sie einen gesunden Sohn zur Welt. Bereits vor der Geburt ihres Sohnes hatte sie bei dem im vorliegenden Rechtsstreit beigeladenen Landschaftsverband Westfalen-Lippe beantragt, ihr Eingliederungshilfe zur Beschäftigung einer Hilfsperson zu gewähren, die sie ab Mitte August 2009 zur Versorgung und Betreuung ihres Kindes benötige. Zu diesem Zeitpunkt ende nämlich die Elternzeit ihres Ehemannes. Die Antragstellerin wies ausdrücklich darauf hin, es gehe ihr insoweit darum, ihren eigenen Hilfebedarf bei der Versorgung ihres Kindes zu decken; deshalb beantrage sie die Kostenübernahme im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Der LWL hielt sich nicht für zuständig und gab den Antrag an die Stadt Bünde als Trägerin der Jugendhilfe ab.

Bereits im Eilverfahren hatte das Verwaltungsgericht Minden der Klägerin vorläufig eine monatliche Hilfe in Höhe von 1.400,00 € zugesprochen. Zur Zahlung verpflichtet wurde die beklagte Stadt, die den Anspruch der Klägerin auf Elternassistenz als zweitangegangener (Rehabilitations-)Träger ungeachtet dessen erfüllen müsse, dass an sich der Landschaftsverband Westfalen-Lippe zur Zahlung verpflichtet sei.

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Nachdem der Landschaftsverband Westfalen-Lippe auch nach der verwaltungsgerichtlichen Eilentscheidung die Übernahme der der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von ca. 12.500,00 € verweigerte, kam es nun zur Entscheidung in der Hauptsache. Das Verwaltungsgericht Minden hielt dabei an seiner Auffassung fest, dass die von der Klägerin benötigte Hilfe letztlich vom Landschaftsverband im Rahmen der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe zu erbringen sei. Die Klägerin selbst – und nicht ihr Sohn; nur dann wäre unter dem Aspekt der Jugendhilfe die Stadt Bünde zuständig – sei hilfsbedürftig. Es sei Aufgabe der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe, die Folgen einer Behinderung zu beseitigen und behinderte Menschen soweit wie möglich am Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu lassen. Dazu gehöre es, das eigene Kleinkind möglichst im elterlichen Haushalt betreuen – lassen – zu können.

Dass die deshalb eigentlich unzuständige beklagte Stadt gegenüber der Klägerin in der Pflicht stehe, resultiere allein daraus, dass der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als erstangegangener Leistungsträger die Zahlung weiter verweigert habe: Das Gesetz sehe in diesem Fall nämlich zwingend vor, dass der zweitangegangene Träger die Zahlung an den Hilfebedürftigen vornehmen müsse. Die Stadt Bünde könne vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe aber die Erstattung der übernommenen Kosten verlangen. – Inzwischen hat die Stadt Bünde deshalb beim Sozialgericht in Detmold eine hierauf gerichtete Klage erhoben.

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