Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes – und das sozialgerichtliche Eilverfahren

Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn sonst den Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung ihrer Rechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann1.

Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes – und das sozialgerichtliche Eilverfahren

Hieraus ergeben sich für die Gerichte Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der Regelungen über den Eilrechtsschutz2. Hinsichtlich der erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs dürfen die Anforderungen gemessen an der drohenden Rechtsverletzung nicht überspannt werden3.

Das Gericht darf seine Entscheidung allerdings sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache stützen. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern4.

Vorliegend bestehen durchaus Zweifel, dass die Entscheidung des Sozialgerichts diesen Anforderungen genügt. Das Sozialgericht hat sich ausschließlich darauf gestützt, dass kein Anordnungsanspruch gegeben sei, dabei jedoch verkannt, dass der Beschwerdeführer einen Leistungsanspruch nicht unmittelbar auf die Verfassung stützt. Vielmehr will er im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die grundrechtlichen Belange in die summarische Prüfung und in eine Güter- und Folgenabwägung eingestellt wissen. Das hat das Sozialgericht, soweit ersichtlich, nicht getan. Es kann insoweit nicht darauf verweisen, eine Folgenabwägung sei unzulässig, weil dies eine offene Tatsachenfrage voraussetze, denn es geht selbst von einer solchen „offenen Tatsachenfrage“ zur Ermittlung der Leistungshöhe aus. Dies schließt die tatsächliche Frage ein, ob die Annahme des Gesetzgebers zutrifft, dass erwachsene Leistungsberechtigte in Sammelunterkünften einen vergleichbaren Bedarf haben wie Paarhaushalte5.

Allerdings ist hier nicht erkennbar, dass das Sozialgericht auch einen Anordnungsgrund hätte annehmen müssen. Der Beschwerdeführer hat in der Hauptsache ausschließlich Leistungen für den Monat März geltend gemacht, denn nur insoweit hat er erkennbar Klage erhoben. Im Eilverfahren hat er ausdrücklich beantragt, ihm erst ab „Eingang dieses (Eil-)Antrages bei Gericht“ – dem 28.03.2020 – Leistungen in der gewünschten Höhe zu gewähren. Danach kann eine Rechtsverletzung nur den materiellrechtlichen Anspruchszeitraum vom 28. bis 31.03.2020 und auf diesen Zeitraum anteilig entfallende höhere Leistungen für vier Tage betreffen. Eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung individueller Rechte, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, ist damit nicht belastbar aufgezeigt.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe richtet und der Beschwerdeführer eine Verletzung der Rechtsschutzgleichheit rügt, zeigt die Begründung auch insoweit nicht in einer § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise auf, dass Grundrechte verletzt sein könnten.

Der Beschwerdeführer weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine schwierige, bislang ungeklärte Rechtsfrage nicht im Prozesskostenhilfeverfahren durchentschieden werden darf, denn dies muss in einem Verfahren geschehen, in dem die Rechtsuchenden auch anwaltlich vertreten sind6. Hier wird eine solche Frage aufgeworfen. Denn im Streit steht die Verfassungsmäßigkeit von Leistungen in Unterkünften nach § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG. Sie ist in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten. Doch hängt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht allein davon ab, dass eine schwierige Rechtsfrage aufgeworfen ist. Voraussetzung ist insbesondere auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Die Verfassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass das Sozialgericht diesen hätte annehmen müssen und der Beschwerdeführer auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis Erfolg haben würde7.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Februar 2022 – 1 BvR 1576/20

  1. vgl. BVerfGE 79, 69 <74> 126, 1 <27>[]
  2. vgl. BVerfGE 49, 220 <226> 77, 275 <284>[]
  3. vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.03.2019 – 1 BvR 169/19, Rn. 14; Beschluss vom 06.08.2014 – 1 BvR 1453/12 9 ff.[]
  4. vgl. BVerfGE 126, 1 <27 f.> BVerfG, Beschluss vom 06.08.2014 – 1 BvR 1453/12 9[]
  5. vgl. BT-Drs.19/10052, S.19 ff., 23[]
  6. vgl. BVerfGE 81, 347 <357 ff.> dazu BVerfG, Beschluss vom 16.04.2019 – 1 BvR 2111/17, Rn. 21 f.[]
  7. vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>[]

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