Der Scheck fürs Finanzamt – und die fiktive Säumnis des Steuerschuldners

Löst das Finanzamt einen Scheck so rechtzeitig ein, dass der Zahlbetrag dem Konto des Finanzamts noch innerhalb der Zahlungsfrist gutgeschrieben wird, kann trotzdem eine Säumnis vorliegen. Die Abgabenordnung regelt generalisierend, wann eine durch Scheckeinreichung bewirkte Zahlung als entrichtet anzusehen ist; sie nimmt in Kauf, dass eine Zahlung mitunter als nicht entrichtet anzusehen ist, obwohl die Finanzbehörde bereits über den Zahlbetrag verfügen kann.

Der Scheck fürs Finanzamt – und die fiktive Säumnis des Steuerschuldners

Werden Steuern nicht pünktlich bezahlt, erhebt das Finanzamt einen Säumniszuschlag von 1 % für jeden angefangenen Monat, und zwar auch dann, wenn die Zahlung nur um einen oder zwei Tage verspätet eingeht. Wann eine Steuer als „bezahlt“ anzusehen ist, regelt die Abgabenordnung. Übergibt der Steuerpflichtige dem Finanzamt einen Bankscheck, gilt die Steuer erst am dritten Tag nach Eingang des Schecks beim Finanzamt als bezahlt. Das gilt auch dann, wenn die Bank dem Finanzamt den Steuerbetrag bereits am nächsten oder übernächsten Tag gutschreibt, der Scheck also schneller als von der Abgabenordnung (typisierend) unterstellt eingelöst wird. Auch in diesem Fall darf ein Säumniszuschlag erhoben werden.

Die Drei-Tage-Regel soll, so der Bundesfinanzhof, das Verwaltungsverfahren vereinfachen (das Finanzamt muss den Zahlungseingang nicht im Einzelfall ermitteln). Auch wenn aufgrund programmgesteuerter elektronischer Datenverarbeitung der tatsächliche Zahlungseingang erfasst werden könnte, ist die Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Steuerpflichtige kann die Gefahr des Entstehens von Säumniszuschlägen ohne weiteres durch eine rechtzeitige Scheckeinreichung ausschließen.

Weiterlesen:
Das laufende Strafverfahren - und der Prozess vor dem Finanzgericht

In dem jetzt vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall wehrte sich der Steuerpflichtige dagegen, dass das Finanzamt gegen ihn einen Säumniszuschlag von 8,50 € festgesetzt hatte, obwohl die Bank den von ihm übersandten Scheck am Fälligkeitstag der Steuer eingelöst hatte, das Finanzamt also am Fälligkeitstag über den Zahlbetrag bereits verfügen konnte. Der Bundesfinanzhof sah den Säumniszuschlag allerdings als entstanden an:

Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO). Entrichtet im Sinne dieser Vorschrift ist eine Zahlung bei Hingabe oder Übersendung eines Schecks drei Tage nach dem Eingang desselben bei der Finanzbehörde (§ 224 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 AO).

Der Regelungsgehalt dieser Vorschriften ist klar und eindeutig. Nach ihrem Wortlaut und ihrem Sinn und Zweck sind sie deshalb, anders als das Finanzgericht offenbar angenommen hat, nicht auslegungsfähig. Denn Auslegung kann nur dort Platz greifen, wo ein Auslegungsbedürfnis besteht, der Gehalt einer Regelung also nicht klar und eindeutig ist. Es ist indes hier klar und eindeutig, dass der Gesetzgeber in § 224 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 AO eine generalisierende Regelung treffen wollte, wann eine durch Scheckeinreichung bewirkte Zahlung als entrichtet anzusehen ist, und er es dabei in Kauf genommen hat, dass nach dieser Vorschrift eine Zahlung mitunter als nicht entrichtet anzusehen ist, obwohl die Finanzbehörde bereits über den Zahlungsbetrag verfügen kann (ebenso wie sich die Vorschrift umgekehrt zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken kann). Deshalb kann die Vorschrift auch nicht etwa dahin einschränkend ausgelegt werden, dass sie nur eingreift, wenn die tatsächliche Zahlung später als am dritten Tag nach Scheckeinreichung bewirkt wird. Die Fiktion des Zahlungszeitpunkts auch in dem Fall einer früheren Scheckgutschrift ist vielmehr vom Gesetzgeber ganz genau so gewollt1 wie in dem Fall späterer Gutschrift.

Weiterlesen:
Akteneinsicht - in den Kanzleiräumen des Prozessbevollmächtigten

Insofern liegt für den Bundesfinanzhof auch keine Regelungslücke vor. Die Annahme, der Gesetzgeber habe bei § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO die Folgen dieser Vorschrift für Säumniszuschläge übersehen, wird durch § 240 Abs. 3 Satz 2 AO widerlegt, der gerade eine Verknüpfung zwischen diesen beiden Vorschriften –allerdings zulasten des Steuerpflichtigen– herstellt.

§ 224 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 AO ist entgegen der Ansicht des Finanzgericht auch nicht einer verfassungskonformen Auslegung dahin zugänglich und bedürftig, dass eine durch Scheckeinreichung bewirkte Zahlung spätestens am dritten Tag nach der Einreichung als entrichtet gelte (jedoch bei früherer Buchung auf dem Konto der Finanzbehörde im Zeitpunkt der tatsächlichen Buchung). Dabei mag dahinstehen, ob es die den Gerichten gesetzten Grenzen verfassungskonformer Auslegung wahren würde, einer klaren und eindeutigen Vorschrift eine Einschränkung ihres Geltungsbereiches in der Erwägung hinzuzufügen, diese werde durch das Gleichbehandlungsgebot gefordert. Denn der Bundesfinanzhof vermag nicht der Auffassung des Finanzgericht beizupflichten, dass das Gesetz Steuerpflichtige, die ihre Schuld durch Einreichung eines Schecks später als drei Tage vor dem Fälligkeitstag begleichen, deren Zahlung jedoch gleichwohl spätestens am Fälligkeitstag zugunsten der Finanzbehörde gebucht wird, ohne einen rechtfertigenden Grund schlechter behandelt –nämlich mit einem Säumniszuschlag belegt– als Steuerpflichtige, bei denen die tatsächliche Zahlung nicht mehr vor oder spätestens an dem Fälligkeitstag eingeht. Die Prüfung, was die vom Gesetz getroffene Regelung rechtfertigen kann, darf sich nicht allein an der Begründung des entsprechenden Regierungsentwurfs orientieren. Tut man dies nicht, liegt auf der Hand, dass die Regelung des Gesetzes die Erhebung etwa verwirkter Säumniszuschläge (und der Zinsen) vereinfacht, indem sie es ermöglicht, bereits bei Eingang des Schecks den für die Berechnung der Säumniszuschläge und Zinsen maßgeblichen Zeitpunkt zu erfassen, der Finanzbehörde also nicht auferlegt, zu ermitteln, wann der betreffende Betrag von dem Kreditinstitut auf ihrem Konto gebucht worden ist. Unbeschadet dessen, dass jedenfalls aufgrund des inzwischen erreichten Standards programmgesteuerter elektronischer Datenverarbeitung eine solche Erfassung des tatsächlichen Zahlungseingangs an sich ohne Weiteres und jedenfalls ohne menschliches Zutun im Einzelfall möglich sein dürfte, kann eine solche Vereinfachungsregelung nicht als eine durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht mehr gerechtfertigte generalisierende, die Verhältnisse des Einzelfalls zu Unrecht außer Betracht lassende Regelung verworfen werden. Das gilt umso mehr, als –wie sinngemäß auch die Gesetzesbegründung hervorhebt– der Steuerpflichtige es ohne Weiteres in der Hand hat, der Gefahr des Entstehens von Säumniszuschlägen trotz rechtzeitiger tatsächlicher Zahlung zu begegnen, und die in der vorgenannten Vorschrift getroffene Regelung, wie auch das Finanzgericht nicht verkannt hat, ohnehin nur eine –vermutlich zunehmend– kleine Zahl von Zahlungsvorgängen betrifft, deretwegen, wie die Klägerin offenbar meint, ein entsprechendes, fiktive Säumnis vermeidendes Datenbearbeitungsprogramm aufzulegen von der Finanzbehörde nicht von Verfassung wegen verlangt werden kann. Dass entsprechende Vorkehrungen die Erhebung der Säumniszuschläge in einigen wenigen Einzelfällen gerechter gestalteten, ist, wie keiner Vertiefung bedarf, ohne Bedeutung; denn der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, ungeachtet des damit verbundenen Aufwandes stets die gerechteste aller möglichen Lösungen eines Regelungsproblems zu finden und zu verwirklichen.

Weiterlesen:
Auskunftsersuchen an Dritte - als anfechtbarer Verwaltungsakt

Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. August 12 – VII R 71/11

  1. vgl. auch BFh, Urteil vom 13.12.2000 – X R 96/98, BFHE 193, 512, BStBl II 2001, 274[]