Das Rügerecht geht gemäß § 295 ZPO verloren, wenn nach Durchführung einer Beweisaufnahme die mündliche Verhandlung gemäß § 82 FGO i.V.m. § 370 Abs. 1 ZPO fortgesetzt wird, ohne dass der Verfahrensmangel gerügt wird.

Nach § 295 ZPO, der über § 155 Satz 1 FGO sinngemäß auch im finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist1, kann die Verletzung einer -verzichtbaren- Verfahrensvorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn der Beteiligte bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich er erschienen und ihm der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste.
Im vorliegend vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall kann offenbleiben, ob § 295 ZPO nach seinem Wortlaut, der eine „nächste mündliche Verhandlung“ voraussetzt, überhaupt einschlägig sein könnte2.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedenfalls unbestritten und mit dem Wortlaut des § 295 Abs. 1 ZPO ohne Weiteres vereinbar, dass eine „nächste“ mündliche Verhandlung auch dann gegeben ist, wenn nach Durchführung einer Beweisaufnahme die mündliche Verhandlung gemäß § 82 FGO i.V.m. § 370 Abs. 1 ZPO fortgesetzt wird3. Zu einer solchen Fortsetzung der mündlichen Verhandlung ist es vor dem Finanzgericht im Anschluss an die Beweisaufnahme gekommen, ohne dass der fachkundig vertretene Kläger die unterbliebene Ladung und Vernehmung der von ihm vorab schriftsätzlich benannten Zeugen gerügt hätte. Damit hat er sein Rügerecht verloren.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. April 2022 – X B 130/21
- ständige Rechtsprechung seit BFH, Beschluss vom 05.10.1967 – V B 29/67, BFHE 90, 452, BStBl II 1968, 179[↩]
- vgl. auch BFH, Beschluss vom 17.12.2020 – X B 154/19, BFH/NV 2021, 677, Rz 23, m.w.N.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 20.08.1987 – 6 B 2/87, NJW 1988, 579, m.w.N.; BFH, Urteil vom 19.04.2005 – VIII R 73/02, BFH/NV 2006, 66, unter II. 2.[↩]