Der Inhaber im Betriebsvermögen gehaltener einbringungsgeborener Anteile muss keinen Entnahmegewinn versteuern, wenn er die Anteile verschenkt [1].

Die Anteilsübertragung auf den Beschenkten führt nicht zur Besteuerung eines Entnahmegewinns des Schenkers.
Zwar befanden sich im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall die an den Beschenkten übertragenen Geschäftsanteile vor der Übertragung im Betriebsvermögen des Schenkers, der im Rahmen der Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmer fungierte. Des Weiteren stellt auch die schenkweise Übertragung der Geschäftsanteile auf den Beschenkten begrifflich eine Entnahme i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 dar. Denn dadurch hat der Schenker die Geschäftsanteile aus dem bisherigen betrieblichen Zusammenhang gelöst und in das Privatvermögen des Beschenkten überführt.
Jedoch bewirkt die Entnahme nicht, dass der Schenker nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2002 den Differenzbetrag zwischen den Anschaffungskosten der Geschäftsanteile und deren Teilwert zum Entnahmezeitpunkt als Entnahmegewinn zu versteuern hätte; vielmehr bleibt es bei dem Ansatz mit den Anschaffungskosten. Denn die Entnahmeregeln des Einkommensteuergesetzes sind auf die Geschäftsanteile der SGmbH nicht anzuwenden, weil es sich bei diesen um einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 handelt, für die die besonderen Gewinnrealisierungsregeln des § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG 2002 gelten.
Gemäß der Legaldefinition des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 sind einbringungsgeborene Anteile solche Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die der Veräußerer oder bei unentgeltlichem Erwerb der Rechtsvorgänger durch eine Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 bis 4 UmwStG 2002) unter dem Teilwert erworben hat. Der Schenker hat die Anteile an der SGmbH durch eine Sacheinlage gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 erworben. Die Anteile unterliegen folglich – was die Besteuerung des Anteilseigners betrifft – dem Régime des § 21 UmwStG 2002.
Wie auch das Finanzamt nicht in Abrede stellt, unterfällt die Entnahme aus dem Betriebsvermögen keinem der in § 21 Abs. 1 und 2 UmwStG 2002 geregelten Realisierungstatbestände. Insbesondere ist die schenkweise Übertragung der einbringungsgeborenen Anteile auf Dritte keine „Veräußerung“ i.S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002; denn diese setzt eine entgeltliche Übertragung voraus [2]. Nach dem gesetzlichen Konzept wird die Besteuerung der in den einbringungsgeborenen Anteilen enthaltenen stillen Reserven im Falle des unentgeltlichen Erwerbs vielmehr dadurch gesichert, dass gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 die Anteile auch in der Hand des Erwerbers noch dem Régime des § 21 UmwStG 2002 unterliegen und damit unabhängig davon, ob sie in einem Betriebsvermögen oder im Privatvermögen gehalten werden- jedenfalls steuerverhaftet bleiben.
Die Entstrickungstatbestände für einbringungsgeborene Anteile sind in § 21 UmwStG 2002 abschließend geregelt [3]. Es ist daneben kein Raum für die Anwendung des allgemeinen Realisationstatbestands der Entnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2002 [4]. Das gilt jedenfalls insoweit, als wie im Streitfall- der Buchwert der Anteile zum Entnahmezeitpunkt die nach Maßgabe von § 20 Abs. 4 UmwStG 2002 anzusetzenden Anschaffungskosten nicht unterschreitet.
Soweit die Finanzverwaltung demgegenüber mittlerweile annimmt, die Entnahme einbringungsgeborener Anteile aus dem Betriebsvermögen führe trotz weiter bestehender Steuerverstrickung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zu einer zwischenzeitlichen Aufdeckung der stillen Reserven gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG 2002 [5], folgt der BFH dem nicht.
Nach dem Konzept des § 21 UmwStG 2002 wird der Gefahr des Verlusts des Steuerzugriffs auf die im eingebrachten Betriebsvermögen ruhenden stillen Reserven nach einer Sacheinlage dadurch entgegengewirkt, dass diese stillen Reserven nunmehr auf die für die Einlage erhaltenen Geschäftsanteile verlagert werden, indem diese unabhängig davon steuerverstrickt sind, ob sie dem Privatvermögen oder einem Betriebsvermögen des Anteilsinhabers zuzuordnen sind. Die Steuerverstrickung wirkt dabei in Abkehr vom einkommensteuerrechtlichen Steuersubjektprinzip gleichsam „dinglich“, insofern sie gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 bei einer unentgeltlichen Übertragung auf einen Dritten bestehen bleibt und sich bei einer nachfolgenden Veräußerung oder dem Eintritt eines der Ersatzrealisierungstatbestände des § 21 Abs. 2 UmwStG 2002 steuerlich zu Lasten des Erwerbers auswirkt. Auch insoweit hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, zwischen den Folgen der unentgeltlichen Übertragung in ein Privatvermögen und der in ein Betriebsvermögen zu unterscheiden. In allen Fällen soll auf die stillen Reserven erst im Falle eines Umsatzakts bzw. bei Eintritt eines der gesetzlich festgelegten Ersatzrealisierungstatbestände zugegriffen werden können.
Mit diesem Konzept ist die Annahme nicht zu vereinbaren, auch in der unentgeltlichen Übertragung von einbringungsgeborenen Anteilen aus einem Betriebsvermögen sei ein Realisierungsakt zu sehen. Denn in diesem Fall müsste zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung von stillen Reserven im Fall einer späteren Veräußerung der Anteile durch den unentgeltlich Erwerbenden entweder gegen den ausdrücklichen Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 auf einen (nochmaligen) Steuerzugriff verzichtet werden oder es müsste – wofür sich das Bundesministerium der Finanz [6] ausspricht – ebenfalls gegen den Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht auf die Differenz des Veräußerungspreises zu den Anschaffungskosten, sondern auf die Differenz des Veräußerungspreises zu dem Entnahmegewinn des Rechtsvorgängers abgestellt werden. An der Unvereinbarkeit mit dem Gesetzeswortlaut zeigt sich, dass der von der Finanzverwaltung befürwortete steuerliche Zugriff auf den infolge einer Entnahme von einbringungsgeborenen Anteilen entstehenden „Zwischengewinn“ dem in § 21 UmwStG 2002 verankerten Besteuerungsmechanismus widerspricht.
Eine Besteuerung des Entnahmegewinns ist nicht deshalb geboten, weil andernfalls der Besteuerungszugriff auf die in den Anteilen ruhenden stillen Reserven gefährdet wäre. Vielmehr sichern die Regeln des § 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 UmwStG 2002 den Zugriff auf die stillen Reserven der Anteile spätestens im Veräußerungsfall, und zwar unabhängig davon, ob die Anteile sich im Privatvermögen oder in einem Betriebsvermögen befinden.
Wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn der Buchwert der einbringungsgeborenen Anteile zum Entnahmezeitpunkt nach einer (noch nicht aufgeholten) Teilwertabschreibung die Anschaffungskosten unterschreitet, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Es erscheint indes nicht ausgeschlossen, in diesem Fall eine Entnahme bis zur Höhe der Anschaffungskosten anzunehmen [7], was im Ergebnis dazu führen würde, dass der durch die Teilwertabschreibung steuerwirksam gewordene Verlust im Entnahmezeitpunkt rückgängig gemacht würde. Jedenfalls vermag diese Sonderproblematik eine dem Grundkonzept des Gesetzes widersprechende generelle Besteuerung des Entnahmegewinns bei der Entnahme einbringungsgeborener Anteile aus dem Betriebsvermögen nicht zu rechtfertigen.
Der Bundesfinanzhof weicht mit dieser Beurteilung nicht im Sinne des § 11 Abs. 2 FGO von dem Urteil des IV. Senats des Bundesfinanzhofs vom 29. April 1982 [8] ab. Dort heißt es zwar, einbringungsgeborene Anteile unterlägen beim Anteilseigner den allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Rechtsgrundsätzen. Nach diesen bestimme sich insbesondere, ob die Anteile Betriebsvermögen oder Privatvermögen seien. Seien die Anteile danach Betriebsvermögen und würden sie entnommen oder veräußert, so sei ein hierbei entstehender Buchgewinn Teil des Gewinns aus Gewerbebetrieb; dies gelte jedoch insoweit nicht, als (u.a.) den §§ 20 bis 23 UmwStG 1977 [9] etwas anderes zu entnehmen sei.
Diesen Ausführungen lässt sich schon nicht entnehmen, dass der Gewinn aus der Entnahme einbringungsgeborener Anteile steuerpflichtig ist. Die Aussage steht vielmehr unter dem Vorbehalt, dass sich aus den Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes nichts Gegenteiliges ergeben dürfe. Ob das im Hinblick auf den Entnahmegewinn der Fall ist, bleibt indes offen [10], so dass eine Divergenz nicht vorliegt. Zudem war die Frage im Urteilsfall nicht entscheidungserheblich. Denn der IV. BFH des BFH hat die dort streitgegenständliche Gewerbesteuerpflicht des Entnahmegewinns deshalb verneint, weil ein Gewinn aus der Veräußerung oder Entnahme einbringungsgeborener Anteile schon grundsätzlich nicht der Gewerbesteuer unterliegt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Oktober 2011 – I R 33/10
- entgegen BMF, Schreiben vom 25.03.1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 21.12[↩]
- allg. Auffassung, z.B. BFH, Urteil vom 08.04.1992 – I R 128/88, BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anhang 15, § 21 UmwStG 1995 Rz 178[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 21.08.1996 – I R 75/95, BFH/NV 1997, 314[↩]
- ebenso BMF, Schreiben vom 16.06.1978, BStBl I 1978, 235, Tz. 57; Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., Anhang 15, § 21 UmwStG 1995 Rz 524 ff.; Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 21 UmwStG [vor SEStEG] Rz 90; Haritz in Haritz/Menner, Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl., Anh. § 21 aF Rz 78 ff.; Rabback in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 27 Rz 98; Merkert in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 21 UmwStG Rz 71; Knepel, Einbringungsgeborene Anteile nach Inkrafttreten des SEStEG, 2010, S. 180 ff.; Dehmer, Umwandlungssteuererlass 1998, S. 453 f.[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 1998, 268, Tz. 21.12; zustimmend Wacker, BB 1998, Beilage Nr. 8, S. 9 f.; Nitzschke in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 21 UmwStG 1995 Rz 32[↩]
- BMF, Schreiben in BStBl I 1998, 268, Tz. 21.12[↩]
- so z.B. Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., Anhang 15, § 21 UmwStG 1995 Rz 529; Patt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 21 UmwStG [vor SEStEG] Rz 91[↩]
- BFH, Urteil vom 29.04.1982 – IV R 51/79, BFHE 136, 129, BStBl II 1982, 738[↩]
- Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform[↩]
- ebenso Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., Anhang 15, § 21 UmwStG 1995 Rz 526[↩]