Im Bereicht der Investitionszulage ist für die Zuordnung eines Mischbetriebs zum verarbeitenden Gewerbe die Klassifikation der Wirtschaftszweige maßgeblich.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 sind u.a. Wirtschaftsgüter investitionszulagenbegünstigt, die zu einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes oder der produktionsnahen Dienstleistungen gehören.
Der Begriff des verarbeitenden Gewerbes bestimmt sich nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige. Der Gesetzgeber hat die Maßgeblichkeit der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige zwar erstmals in § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 2010 ausdrücklich angeordnet. Der Bundesfinanzhof hält jedoch an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach sich der Begriff des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht auch für frühere Gesetzesfassungen nach der für das jeweilige Kalenderjahr geltenden Klassifikation der Wirtschaftszweige bestimmt, im Streitfall also nach der WZ 20031. Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG-2 kann die Klassifikation der Wirtschaftszweige zur Auslegung des Rechtsbegriffs „Verarbeitendes Gewerbe“ herangezogen werden. Denn es beeinträchtigt weder die Gesetzesbindung der Gerichte noch den Anspruch des Einzelnen auf wirksame gerichtliche Kontrolle, wenn ein unbestimmter Rechtsbegriff durch die gesetzliche Verweisung auf bestimmte Verwaltungsvorschriften oder untergesetzliche Regelwerke konkretisiert wird oder wenn die konkretisierende Heranziehung solcher Vorschriften oder Regelwerke in vergleichbarer Weise auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht3.
Aufgrund der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts4 darf die Anwendung dieses Begriffs im Zulagenrecht jedoch nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine Statistikbehörde einen Betrieb der in der Klassifikation der Wirtschaftszweige für das verarbeitende Gewerbe vorgesehenen Kategorie zugeordnet hat oder nicht. Eine eingeschränkte gerichtliche Prüfung darauf hin, ob die Zuordnung eines Betriebs durch eine Statistikbehörde offensichtlich unzutreffend ist, widerspräche nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 129, 1 der Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Vielmehr haben die Gerichte die Einordnung eines Betriebs in eine Kategorie der Klassifikation der Wirtschaftszweige unabhängig von der Einordnung durch die Statistikbehörde zu prüfen und gegebenenfalls selbst vorzunehmen.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall übte die GmbH mehrere nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige unterschiedlich einzuordnende Tätigkeiten (Mischbetrieb) aus, nämlich neben dem Baugewerbe Tätigkeiten des verarbeitenden Gewerbes (Metallumformtechnik) und der produktionsnahen Dienstleistungen (Konstruktionsbüro). Allerdings beanstandete der Bundesfinanzhof eine schwerpunktmäßige Zuordnung des Mischbetriebs zum Baugewerbe, denn eine Einordnung „Montage – gleich welcher Materialien“ dem Baugewerbe zuzurechnen, widerspricht der Klassifikation der Wirtschaftszweige.
Die Zuordnung eines Mischbetriebs zum Baugewerbe oder zum verarbeitenden Gewerbe oder zu den produktionsnahen Dienstleistungen hängt davon ab, welche Tätigkeit überwiegt; dies ist grundsätzlich nach dem Verhältnis der Wertschöpfungsanteile zu beurteilen5. Hilfsweise können als Abgrenzungsmerkmale auch der Umsatz, das investierte Kapital, die Arbeitslöhne oder eine Kombination dieser Merkmale in Betracht kommen6.
Im Streitfall ist daher maßgeblich, ob der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit der GmbH im Bereich eines begünstigten Betriebs liegt (verarbeitendes Gewerbe und/oder produktionsnahe Dienstleistungen). Entgegen der Ansicht der GmbH kann bei der Ermittlung des Schwerpunkts der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht auf die Verhältnisse einer einzelnen Betriebsstätte oder „fachlichen Einheit“ abgestellt werden.
Der Gesetzgeber hat in § 2 InvZulG 1999 mehrfach zwischen den Begriffen „Betrieb“ und „Betriebsstätte“ unterschieden und diese nicht synonym verwendet. Die Auslegung der im Investitionszulagenrecht verwendeten Begriffe richtet sich grundsätzlich nach dem Ertragsteuerrecht7, sofern sich nicht aus dem InvZulG, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes entnehmen lässt8. Ein Betrieb im Steuerrecht liegt vor, wenn personelle und sächliche Mittel organisatorisch so miteinander verknüpft sind, dass sie nach der Verkehrsauffassung eine Einheit bilden. Subjektiv muss diese organisatorische Einheit zu einem betrieblichen Zweck und zur Erzielung von Gewinnen eingesetzt werden9. Einzelunternehmer können mehrere Betriebe haben. Für Personen- und Kapitalgesellschaften ist dagegen einkommen- und gewerbesteuerrechtlich unbestritten, dass diese nur einen Betrieb haben, der alle Betriebsstätten umfasst10; dies folgt aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sowie § 2 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes. Davon ist grundsätzlich auch im Investitionszulagenrecht auszugehen11. Lediglich für die Einordnung in das verarbeitende Gewerbe gilt nur die Gesamtheit der Betriebsstätten im Fördergebiet als ein Betrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 InvZulG 1999).
Soweit in der Montage der selbst hergestellten Metallteile liegenden Wertschöpfungsprozess dem Baugewerbe zugerechnet werden soll, ist diese Zuordnung für den Bundesfinanzhof zu beanstanden. Vielmehr ist der Einbau der selbst hergestellten Teile für die zulagenrechtliche Wertschöpfungsberechnung der Herstellung und damit dem verarbeitendem Gewerbe zuzurechnen.
Das Baugewerbe umfasst zwar nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige Ausgabe 200312 u.a. vorbereitende Baustellenarbeiten, Hoch- und Tiefbau (einschließlich spezialisierter Hoch- und Tiefbau) und Bauinstallationen. Auch die Errichtung von Stahlkonstruktionen beim spezialisierten Hoch- und Tiefbau (= Durchführung von Teilarbeiten im Hoch- und Tiefbau) zählt grundsätzlich ebenfalls zum Baugewerbe. Eine Zuordnung zum Baugewerbe liegt aber schon dann nicht mehr vor, wenn die für die Errichtung von Stahlkonstruktionen verwendeten Einzelteile von derselben Einheit hergestellt werden12. Demnach wird nur der Einbau fremd hergestellter Teile vom Baugewerbe erfasst. Insoweit enthält die WZ 200313 auch den Hinweis, dass die Errichtung „von vollständig vorgefertigten Gebäuden oder Bauwerken aus selbst hergestellten Teilen“ nicht vom Baugewerbe erfasst wird13. Hieraus kann allerdings -entgegen der Ansicht des Finanzgericht- nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Errichtung aus nicht vollständig oder überwiegend selbst hergestellten Teilen automatisch eine Klassifizierung als Baugewerbe nach sich zieht. Denn der „Einbau von selbst hergestellten Konstruktionsteilen, Fertigbauteilen und Ausbauelementen“ wird nicht dem Baugewerbe zugeordnet, sondern gemäß dem verwendeten Material der entsprechenden Kategorie des Abschn. D und damit dem verarbeitenden Gewerbe13. Damit teilt die Montage der individuell gefertigten Metallteile die Klassifizierung der Herstellung dieser Produkte. Auch bei anderen Formen des Hochbaus folgt der Einbau von Teilen der Unterklasse der jeweils verbauten Teile14. Darüber hinaus spricht auch die allgemeine Definition der Herstellung von Metallerzeugnissen15, wonach die Abt. 28 die Herstellung „reiner“ Metallerzeugnisse und die Abt. 29 bis 36 die Kombination oder Montagen solcher Metallerzeugnisse (mitunter mit anderen Materialien) zu komplexeren Einheiten umfassen, dafür, dass zur Metallerzeugung nicht nur die reine Produkterzeugung, sondern auch der Einbau und die Montage solcher Erzeugnisse gehören kann.
Aus der Klassifizierung ergibt sich damit, dass die Fertigstellung selbst hergestellter Metallerzeugnisse einschließlich des Einbaus dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen ist. Sollte der Beitrag zur Wertschöpfung durch diese Tätigkeiten nur einen geringen Umfang einnehmen, kann dies zwar Auswirkungen auf die Schwerpunkttätigkeit des Mischbetriebs der GmbH haben, rechtfertigt es aber nicht einen Teil der Tätigkeit schon gleichsam auf der ersten Stufe einem anderen (nicht begünstigten) Abschn. der Klassifikation (hier Abschn. F Baugewerbe) zuzuordnen.
Es ist daher maßgeblich, auf welche der einzelnen Tätigkeiten der größte Wertschöpfungsanteil entfällt. Hilfsweise können daneben auch andere Kriterien herangezogen werden16.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. April 2016 – III R 10/15
- BFH, Urteil vom 22.12 2011 – III R 1/10, BFH/NV 2012, 1654, Rz 12, 13[↩]
- Beschluss vom 31.05.2011 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 129, 1; BFH, Urteil vom 22.09.2011 – III R 64/08, BFHE 236, 168, BStBl II 2012, 538, Rz 14[↩]
- BVerfG, Beschluss in BVerfGE 129, 1[↩]
- BFH, Urteile vom 07.03.2002 – III R 44/97, BFHE 198, 169, BStBl II 2002, 545; vom 19.10.2006 – III R 28/04, BFH/NV 2007, 1185; vom 17.04.2008 – III R 100/06, BFH/NV 2008, 1531, Rz 18, und in BFHE 236, 168, BStBl II 2012, 358, Rz 20[↩]
- BFH, Urteile in BFH/NV 2007, 1185; vom 20.09.1999 – III R 33/97, BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208; vom 19.10.2000 – III R 100/96, BFH/NV 2001, 487; vom 23.07.1976 – III R 166/73, BFHE 119, 549, BStBl II 1976, 705; vgl. Uhlmann, Betriebs-Berater 2005, 1534, und WZ 2003, S. 23: output- und input-orientierte Größen[↩]
- ständige Rechtsprechung; BFH, Urteile vom 23.06.2015 – III R 26/12, BFH/NV 2016, 65, Rz 21; vom 25.01.1985 – III R 130/80, BFHE 143, 192, BStBl II 1985, 309[↩]
- BFH, Urteil vom 26.01.2006 – III R 5/04, BFHE 212, 381, BStBl II 2006, 771[↩]
- BFH, Urteil vom 19.02.2004 – III R 1/03, BFH/NV 2004, 1231; BFH, Urteil vom 13.10.1988 – IV R 136/85, BFHE 154, 442, BStBl II 1989, 7[↩]
- BFH, Beschluss vom 21.12 2000 – X B 111/00, BFH/NV 2001, 816[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 212, 381, BStBl II 2006, 771[↩]
- WZ 2003, S. 317[↩][↩]
- WZ 2003, S. 318[↩][↩][↩]
- z.B. WZ 2003, S. 321, Nr. 45.21.5: Errichtung von Fertigteilbauten aus Holz oder Kunststoff aus selbst gefertigten Bausätzen mit anschließender Montage auf der Baustelle wird nicht dem Baugewerbe zugerechnet[↩]
- WZ 2003, S. 250[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 190, 266, BStBl II 2000, 208; in BFH/NV 2007, 1185, und in BFH/NV 2008, 1531[↩]