Das Finanzgericht darf eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude, die die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, nicht durch die unter Verwendung der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen.

Die Arbeitshilfe gewährleistet die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude im Hinblick auf die Verengung der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren und die Nichtberücksichtigung eines sog. Orts- oder Regionalisierungsfaktors bei der Ermittlung des Gebäudewerts nicht. Im Fall einer streitigen Grundstücksbewertung ist das Finanzgericht in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen, wenn es nicht ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hat die Käuferin im Jahr 2017 eine (vermietete) Eigentumswohnung in einer Großstadt zum Kaufpreis von 110.000 € erworben. Nach dem Kaufvertrag sollten davon 20.000 € auf das Grundstück entfallen. Dementsprechend ging die Klägerin für Abschreibungszwecke von einem Gebäudeanteil von rund 82 % aus. Hingegen ermittelte das Finanzamt einen Gebäudeanteil von rund 31 %. Dabei legte es die vom BMF im Internet bereitgestellte „Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)“ zugrunde.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht Berlin-Brandenburg wies die dagegen gerichtete Klage des Wohnungskäufers ab und sah in der Arbeitshilfe ein geeignetes Wertermittlungsverfahren, um die Marktangemessenheit einer vertraglichen Kaufpreisaufteilung widerlegen zu können, zugleich aber auch eine geeignete Schätzungshilfe1.
Dem ist der Bundesfinanzhof nun auf die Revision des Käufers hin entgegengetreten. Nachdem er zunächst das Bundesministerium der Finanzen aufgefordert hatte, dem Verfahren beizutreten2, hob er nun das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Finanzgericht: Die Arbeitshilfe des BMF gewährleiste die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude nicht. Denn die Auswahl der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren würde auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren verengt. Auch bleibe der vor allem in großstädtischen Ballungsräumen relevante Orts- oder Regionalisierungsfaktor bei der Ermittlung des Gebäudewerts unberücksichtigt. Deshalb sei das Finanzgericht im Fall einer streitigen Grundstücksbewertung in der Regel gehalten, das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen.
Anschaffungskosten für das Gebäude als Grundlage der AfA
Die Höhe der Gebäude-AfA richtet sich nach den Anschaffungskosten für das Gebäude (§ 7 Abs. 4 EStG). Deren Höhe bildet die Grundlage für die Bemessung der AfA. Ihre Ermittlung obliegt dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz. Dies gilt auch für die Aufteilung der Anschaffungskosten von Gebäude einerseits und dazugehörendem Grund und Boden andererseits3.
Wurde eine Kaufpreisaufteilung im Kaufvertrag vorgenommen, sind diese vereinbarten und bezahlten Anschaffungskosten grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen4. Wenngleich dem Käufer im Hinblick auf seine AfA-Berechtigung typischerweise an einem höheren Anschaffungswert des Gebäudes gelegen ist und die entsprechende Aufteilungsvereinbarung -zu Gunsten des Verkäufers- ggf. Einfluss auf eine für ihn positive sonstige Vertragsgestaltung haben kann, rechtfertigt dies grundsätzlich noch keine abweichende Verteilung.
Vereinbarungen der Vertragsparteien über Einzelpreise für Einzelwirtschaftsgüter binden allerdings nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, der Kaufpreis sei nur zum Schein bestimmt worden5 oder die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S. von § 42 AO seien gegeben6.
Auch mit einer nach allgemeinen Grundsätzen der Besteuerung zugrunde zu legenden Vereinbarung können die Parteien jedoch angesichts der gebotenen Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht die Höhe der Steuer des Käufers -konkret seiner AfA- gestalten. Deshalb hat das Finanzgericht im Rahmen der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage im Einzelfall7 zu prüfen, ob nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen8. Es darf sich nicht darauf beschränken, die vertragliche Aufteilung steuerrechtlich nachzuvollziehen, sondern hat das Ergebnis durch weitere Umstände, insbesondere die objektiv am Markt erzielbaren Preise oder Verkehrswerte zu verifizieren9.
Eine wesentliche Diskrepanz zu den Bodenrichtwerten rechtfertigt es nicht ohne Weiteres, diese an die Stelle der vereinbarten Werte zu setzen oder die auf Grund und Gebäude entfallenden Anschaffungskosten zu schätzen. Es handelt sich lediglich um ein Indiz dafür, dass die vertragliche Aufteilung möglicherweise die Werte nicht angemessen wiedergibt. Ein solches Indiz kann durch andere Indizien entkräftet werden. Das Finanzgericht hat die Gesamtumstände des Kaufobjekts aufzuklären und dahingehend zu würdigen, ob besondere Aspekte die Abweichung nachvollziehbar erscheinen lassen. Zu denken ist dabei etwa an besondere Ausstattungsmerkmale des Gebäudes, dessen ursprüngliche Baukosten und etwaige Renovierungen, eine ggf. eingeschränkte Nutzbarkeit wegen bestehender Mietverträge oder den Wohnwert des Gebäudes im Kontext der Nachbarschaft (z.B. Straßenlärm, soziale Einrichtungen oder besondere Ruhe wegen einer benachbarten Grünanlage). Parallel dazu hat das Finanzgericht die besonderen Kriterien des Grundstücks zu berücksichtigen, etwa eine gepflegte Gartenanlage oder störenden Baumbestand10.
Eine Korrektur der von den Parteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf Grund und Gebäude ist lediglich geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint11.
Das Finanzgericht hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung einen gewissen Bewertungsspielraum. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze der finanzgerichtlichen Sachverhaltsfeststellung und Sachverhaltswürdigung. Dabei kommt eine Bindung an etwaige Schätzungen des Finanzamt nicht in Betracht12.
Kann nach diesen Grundsätzen eine vereinbarte Kaufpreisaufteilung nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, hat sie das Finanzgericht entsprechend seiner Gesamtwürdigung der Verhältnisse durch eine Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude zu ersetzen. Dabei hat das Finanzgericht die Frage, nach welchem Wertermittlungsverfahren die Kaufpreisaufteilung vorzunehmen ist, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten13.
Bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises sind zunächst Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund- und Bodenanteil und den Gebäudeanteil aufzuteilen. Für die Schätzung des Werts des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils kann die ImmoWertV herangezogen werden, denn sie enthält anerkannte Grundsätze für die Schätzung von Verkehrswerten von Grundstücken14.
Danach ist der Verkehrswert mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens (einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung), des Ertragswertverfahrens, des Sachwertverfahrens oder mehrerer dieser Verfahren zu ermitteln (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV). Die Verfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zur Verfügung stehenden Daten, zu wählen; die Wahl ist zu begründen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV). Welches dieser Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Dabei stehen die Wertermittlungsverfahren einander gleichwertig gegenüber15.
Die Ermittlung der Verkehrswerte ist Teil der Sachverhaltsfeststellung des Finanzgericht, die für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Der BFH hat aber zu prüfen, ob das Finanzgericht bei seiner Wertermittlung die zutreffende Methode angewandt hat16.
Unvertretbare Aufteilung des Kaufpreises auf Grundstück und Gebäude
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat in der Vorinstanz die zuvor dargestellten Rechtssätze zur Bindungswirkung einer vertraglichen Kaufpreisaufteilung nur im Ansatz beachtet und auf den Streitfall angewandt. Es ist insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Finanzgericht nennenswerte Zweifel an der kaufvertraglichen Kaufpreisaufteilung -unter Würdigung der konkreten Wertverhältnisse des Kaufobjekts- bejaht hat. Da die vertragliche Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar ist, durfte das Finanzamt eine eigene Aufteilung vornehmen.
utreffend sind das Finanzamt und die Vorinstanz davon ausgegangen, dass nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung des Kaufpreises für die Eigentumswohnung bestehen. Diese ergeben sich bereits aus der erheblichen Abweichung zwischen dem im Kaufvertrag ausgewiesenen Kaufpreis für den Grund und Boden (hier: 20.000 €) und dem Bodenrichtwert (hier: 77.713 €). Der vereinbarte Kaufpreisanteil unterschreitet den Bodenrichtwert um rund 75 % und damit -ungeachtet der von der Vorinstanz aufgeworfenen Frage, welcher Grad der Abweichung noch als unerheblich angesehen werden kann17- mehr als nur geringfügig. Zwar handelt es sich bei einer Diskrepanz zum Bodenrichtwert nur um ein widerlegbares Indiz. Die Würdigung der Vorinstanz, die Klägerin habe dieses Indiz nicht durch andere Indizien entkräftet, ist jedoch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Besondere Aspekte, die die vertragliche Kaufpreisaufteilung nachvollziehbar erscheinen lassen, hat das Finanzgericht nicht feststellen können. Dem allgemeingehaltenen Vorbringen der Klägerin zu den (besonderen) Ausstattungsmerkmalen und zum Renovierungsstand der Wohnung sowie zur Lage des Objekts ist es zu Recht nicht gefolgt.
Da die vertragliche Kaufpreisaufteilung die realen Wertverhältnisse somit in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, waren das Finanzamt und das Finanzgericht zu einer eigenen Aufteilung berechtigt.
Keine Kaufpreisaufteilung anhand der BMF-Arbeitshilfe
Allerdings durfte das Finanzgericht die vertragliche Kaufpreisaufteilung jedenfalls im Streitfall nicht durch die mit Hilfe der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen. Die Arbeitshilfe gewährleistet die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude hier nicht. Dies folgt daraus, dass sie die zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das (vereinfachte) Sachwertverfahren verengt und der Kaufpreisaufteilung unzulässige Parameter zugrunde legt. Die Schätzung des Finanzgericht (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) kann daher keinen Bestand haben.
Die Arbeitshilfe hat für die Beteiligten und das Finanzgericht keine Bindungswirkung. Es handelt sich weder um eine Rechtsnorm noch um eine die Finanzbehörden bindende Verwaltungsanweisung, sondern -prozessrechtlich- lediglich um Parteivortrag des Finanzamt. Sofern die Arbeitshilfe in der Praxis der Finanzverwaltung de facto als bindend für den Steuerpflichtigen behandelt wird, besteht hierfür keine Rechtsgrundlage. Sie folgt zwar insoweit der Bundesfinanzhofsrechtsprechung zur Aufteilung von Gesamtkaufpreisen, als sie den Wert des Grund und Bodens sowie den Wert des Gebäudes getrennt voneinander ermittelt (Grundsatz der Einzelbewertung); die sog. Restwertmethode18 gelangt richtigerweise nicht zur Anwendung.
Die Arbeitshilfe genügt jedoch nicht den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Methodenwahl und durfte daher nicht zugrunde gelegt werden. Sie setzt auf die Sachwertrichtlinie (SW-RL) vom 05.09.201219 sowie die Normalherstellungskosten (NHK) 2010 (Anlage 1 zur SW-RL) auf und greift damit stets und allein auf das Sachwertverfahren zurück; es handelt sich mithin um ein vereinfachtes Sachwertverfahren20. Wenngleich der Bundesfinanzhof bei vermieteten Eigentumswohnungen im Privatvermögen -jedenfalls in der Vergangenheit- regelmäßig eine Kaufpreisaufteilung unter Anwendung des Sachwertverfahrens für angezeigt gehalten hat21, widerspricht die Arbeitshilfe schon im Ausgangspunkt der zuvor dargelegten Gleichwertigkeit der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren, da nicht im Einzelfall beurteilt werden kann, welches Wertermittlungsverfahren nach den tatsächlichen Gegebenheiten angezeigt erscheint. Der BFH hat stets betont, dass nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden ist, welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist, so dass sich die Wahl der Ermittlungsmethode einer Verallgemeinerung entzieht und jedenfalls nicht auf ein Wertermittlungsverfahren beschränkt werden kann22. Eine Verplausibilisierung der Ergebnisse der Arbeitshilfe mittels weiterer Wertermittlungsverfahren, etwa nach Maßgabe des in der Praxis der Immobilienbewertung weitverbreiteten Ertragswertverfahrens, ist ebenfalls nicht vorgesehen. Darüber hinaus fehlt im Einzelfall auch die Begründung für die Methodenwahl.
Des Weiteren weist die Arbeitshilfe einen systemischen Fehler auf, indem bei der Ermittlung des Gebäudewerts (NHK) kein sog. Orts- oder Regionalisierungsfaktor berücksichtigt wird.
Die Kostenkennwerte der NHK 2010 sind Bundesmittelwerte23. Bei Anwendung der Arbeitshilfe ergeben sich bei gleichgroßen Gebäuden desselben Typs und derselben Baujahreskategorie modellbedingt bundesweit stets dieselben, lediglich alterswertgeminderten Gebäudekosten24. In Hochpreisgebieten können die tatsächlichen Baukosten aber zum Teil erheblich über den Kostenkennwerten liegen25. Die fehlende Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten bei der Ermittlung des Gebäudewerts führt gerade in Großstädten mit hohen Bodenrichtwerten -wie im Streitfall- zu einem überproportionalen Anteil des Grund und Bodens und damit zu mitunter sehr niedrigen Gebäudebewertungen26. Dies betrifft hochwertige Objekte und (sanierte) Altbauten in besonderem Maße27. Hierin liegt ein systemischer Fehler der Arbeitshilfe, der zu einer tendenziell zu hohen Bewertung des Grund und Bodens führt28.
Damit geht einher, dass der nach Maßgabe der Arbeitshilfe ermittelte Gebäudewert nur bedingt einen Marktbezug aufweist: Obschon sich der Bodenwert nach den vom örtlich zuständigen Gutachterausschuss festgesetzten Bodenrichtwerten bestimmt und damit die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 ImmoWertV berücksichtigt (Marktanpassung), gelangt auf der anderen Seite ein nicht marktgerechter Gebäudewert auf der Basis von THK zum Ansatz29. Bodenwerte und Herstellungskosten lassen sich aber nicht unmittelbar ins Verhältnis setzen30. Die NHK 2010 sind reine Modellwerte; der Marktbezug wird erst durch den Sachwertfaktor hergestellt31, den die Arbeitshilfe aber gerade außer Acht lässt. Zwar weist die Finanzverwaltung in der Anleitung zur Arbeitshilfe darauf hin, dass auf eine Marktanpassung der (vorläufigen) Sachwerte verzichtet wurde, „da sich diese im gleichen Verhältnis auf den Grund und Boden einerseits sowie das Gebäude andererseits auswirkt. Die Summe der ermittelten Einzelwerte (vorläufigen Sachwerte) weist ohne Marktanpassung nicht den Verkehrswert aus“. Allerdings wird bei der Ermittlung des Bodenwerts der erforderliche Marktbezug -wie zuvor dargestellt- durchaus gewährleistet. Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein Mangel in der Bewertungssystematik der Arbeitshilfe, der angesichts der äußerst dynamischen Entwicklung des Immobilienmarkts in den vergangenen Jahren noch verschärft wird. Diesem Defizit kommt umso größere Bedeutung zu, als die der Gebäudewertermittlung unterlegte Datenstruktur auf der Grundlage der NHK 2010 das „Herzstück“ der Arbeitshilfe darstellt32. Damit wird den Vorgaben des § 194 BauGB, der die Einbeziehung der Marktbegebenheiten in die Verkehrswertermittlung für das gesamte bebaute Grundstück verlangt, nicht genügt33.
Diesem systemischen Fehler kann -entgegen der Vorinstanz- nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es sich bei der geschilderten „Unwucht“ um Unwägbarkeiten handele, die letztlich jedem Schätzungsverfahren immanent seien. Denn eine Schätzung für Zwecke der Kaufpreisaufteilung ist nur dann zu beachten, wenn sich ihre Grundlagen als nachvollziehbar und überzeugend darstellen34. Gerade dies ist jedoch im Hinblick auf die geschilderten systemischen Defizite der Kaufpreisaufteilung im vereinfachten Verfahren der Finanzverwaltung nicht der Fall.
Die Vorinstanz hat die „Verzerrungen“, die sich aus einem überproportionalen Anstieg der Baupreise in Ballungsgebieten (wie im Streitfall) -ohne entsprechendem Niederschlag in der Arbeitshilfe- ergeben, ebenfalls erkannt. Mangels genauer Zahlen zur Baupreisentwicklung im betreffenden Bundesland hat sie ein korrigierendes Eingreifen in die Arbeitshilfe indes für nicht möglich gehalten. Mit dieser Erwägung lässt sich das Schätzungsergebnis der Finanzverwaltung jedoch nicht aufrechterhalten. Vielmehr muss der Gebäudeanteil regelmäßig durch das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen ermittelt werden.
Das BMF verweist in diesem Zusammenhang zu Unrecht darauf, dass der Index für Bauleistungspreise des Statistikamtes – X denjenigen des Statistischen Bundesamtes seit 2015 nur geringfügig übersteige. Zwar mag aus der angesprochenen Statistik hervorgehen, dass sich die Entwicklung der Baupreise im betreffenden Bundesland nicht wesentlich von der Entwicklung der Baupreise im gesamten Bundesgebiet unterscheidet. Dadurch werden die oben beschriebenen Defizite in der Bewertungssystematik aber nicht ausgeräumt.
Anforderungen an die Kaufpreisaufteilung
Die Sache ist nicht spruchreif. Das Finanzgericht hat im zweiten Rechtsgang die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zum Wert des Grund- und Boden- sowie des Gebäudeanteils nachzuholen. Es ist im vorliegenden Fall einer streitigen Grundstücksbewertung in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken einzuholen; hiervon kann es nur dann absehen, wenn es ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt35. Ein Gutachten des Bausachverständigen der Finanzverwaltung ist im finanzgerichtlichen Verfahren hingegen als Privatgutachten zu behandeln. Ein solches kann vom Finanzgericht seiner Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn keiner der Beteiligten substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit erhebt36.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Juli 2020 – IX R 26/19
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.08.2019 – 3 K 3137/19, EFG 2020, 182[↩]
- BFH, Beschluss vom vom 21.01.2020, – IX R 26/19[↩]
- BFH, Urteil vom 16.09.2015 – IX R 12/14, BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rz 18[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397; vom 01.04.2009 – IX R 35/08, BFHE 224, 533, BStBl II 2009, 663; vom 18.01.2006 – IX R 34/05, BFH/NV 2006, 1634[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 28.10.1998 – X R 96/96, BFHE 187, 450, BStBl II 1999, 217, unter B.IV.02.c, Rz 33[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 224, 533, BStBl II 2009, 663; in BFH/NV 2006, 1634, m.w.N.; BFH, Beschluss vom 04.12.2008 – IX B 149/08, BFH/NV 2009, 365[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2009, 365, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 10.10.2000 – IX R 86/97, BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183; BFH, Beschlüsse vom 24.01.2007 – IX B 84/06, BFH/NV 2007, 1104; vom 16.09.2002 – IX B 35/02, BFH/NV 2003, 40[↩]
- vgl. BFH, Beschluss in BFH/NV 2009, 365[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rz 22[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rz 23, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397, Rz 24[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 22.10.2007 – IV B 111/06, BFH/NV 2008, 360, m.w.N.; BFH, Urteil in BFHE 251, 214, BStBl II 2016, 397[↩]
- BFH, Beschluss vom 15.11.2016 – IX B 98/16, BFH/NV 2017, 292, Rz 4; BFH, Urteil vom 15.01.1985 – IX R 81/83, BFHE 143, 61, BStBl II 1985, 252, unter 1.b, Rz 17, m.w.N. betreffend die Vorgängerregelung in Gestalt der Wertermittlungsverordnung vom 15.08.1972, BGBl I 1972, 1416, zuletzt vom 06.12.1988, BGBl I 1988, 2209[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 27.11.2017 – IX B 144/16, BFH/NV 2018, 218, Rz 5, und in BFH/NV 2017, 292, Rz 4, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, unter II. 2., Rz 28; zuletzt BFH, Urteile vom 29.10.2019 – IX R 38/17, BFHE 267, 18, Rz 42, und – IX R 39/17, BFH/NV 2020, 681, Rz 40[↩]
- vgl. dazu Kohlhaas, Die Steuerberatung -Stbg- 2016, 460, 462, der ein Unterschreiten bis zu 10 % als geringfügig ansieht; ebenso Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 20.02.2008 – III 740/05, EFG 2008, 1140, nachfolgend BFH, Beschluss vom 26.08.2008 – IX B 63/08, rechtskräftig[↩]
- vgl. nur BFH, Urteil in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183, unter II. 2., Rz 29[↩]
- Bundesanzeiger, Amtlicher Teil, 18.10.2012, B1[↩]
- gleicher Ansicht Schaper, Grundstücksmarkt und Grundstückswert -GuG- 2017, 100, 101[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 267, 18, Rz 43, und in BFH/NV 2020, 681, Rz 41; vom 11.02.2003 – IX R 13/00, BFH/NV 2003, 769, unter II. 2.a, Rz 15; in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183; BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2018, 218, Rz 6; in BFH/NV 2017, 292, Rz 5; vom 23.06.2005 – IX B 117/04, BFH/NV 2005, 1813, unter II. 1.a, Rz 3[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 27.06.1995 – IX R 130/90, BFHE 178, 151, BStBl II 1996, 215, unter 1.b, Rz 15; und vom 02.02.1990 – III R 173/86, BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497, unter I. 2.c, Rz 29; BFH, Beschlüsse in BFH/NV 2018, 218, Rz 6, und in BFH/NV 2005, 1813, unter 1.a, Rz 3[↩]
- Kleiber, Marktwertermittlung nach ImmoWertV, 8. Aufl., Syst. Darst. Sachwertverfahren Rz 137[↩]
- Jacoby, Kaufpreisaufteilung für bebaute Grundstücke – Problematik und Lösungsansatz, 2018, S. 120 und 132; Jacoby/Geiling, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2020, 481, 483[↩]
- Schaper, GuG 2017, 100, 101[↩]
- gleicher Ansicht Rade/Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rz 315; Jacoby, a.a.O., S. 3; s.a. Jardin/Roscher, Die Immobilienwertermittlung aus steuerlichen Anlässen, 2019, Rz 175 zur „Dämpfung“ des Bodenwerts, etwa im Rahmen des sog. Münchner Modells[↩]
- Kohlhaas, Stbg 2016, 460, 465; Jacoby, a.a.O., S. 3[↩]
- gleicher Ansicht Kaminski in Steuerberater Handbuch 2019, 27. Aufl., Teil 4, Immobilieninvestitionen durch Privatpersonen, Rz 1273; Wagner, Der Betrieb 2016, 556, 559; BeckOK EStG/Graw, 7. Ed. (01.05.2020), EStG § 7 Rz 185[↩]
- Kohlhaas, Stbg 2016, 460, 463; Jardin/Roscher, a.a.O., Rz 176[↩]
- Jacoby, a.a.O., S. 3, 90; Jacoby/Geiling, DStR 2020, 481, 482; Kleiber, a.a.O., Syst. Darst. Sachwertverfahren Rz 8[↩]
- Mann, GuG 2017, 17, 18; Schaper, GuG 2017, 100, 103; Seitz, GuG 2017, 142, 143; Jardin/Roscher, a.a.O., Rz 148, 1030[↩]
- Jardin/Roscher, NWB – Steuer- und Wirtschaftsrecht 2014, 3155, 3160; dies., a.a.O., Rz 160[↩]
- gleicher Ansicht Jacoby, a.a.O., S. 138[↩]
- z.B. BFH, Urteil in BFHE 193, 326, BStBl II 2001, 183[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 07.01.2015 – I B 42/13, BFH/NV 2015, 1093, Rz 9; vom 21.12.2011 – VIII B 88/11, BFH/NV 2012, 600, Rz 4; vom 03.05.2001 – III B 52/00, BFH/NV 2001, 1419, Rz 4; s.a. BFH, Urteil vom 06.02.2018 – IX R 14/17, BFHE 261, 20, BStBl II 2018, 522, Rz 19, zum Möblierungszuschlag[↩]
- z.B. BFH, Beschluss in BFH/NV 2015, 1093, Rz 15, m.w.N.[↩]