Die Ausbildung zum Rettungssanitäter ist eine erstmalige Berufsausbildung. Eine erstmalige Berufsausbildung im Sinne von § 12 Nr. 5 EStG setzt weder ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz noch eine bestimmte Ausbildungsdauer voraus.

Werbungskosten, nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen. Diese Voraussetzungen können auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen erfüllt sein. Denn § 9 EStG enthält keine Sonderregelung zu Berufsausbildungskosten. Entscheidend bleibt, ob die Aufwendungen einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur nachfolgenden auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Berufstätigkeit aufweisen.
Der Werbungskostenabzug ist gegenüber dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig. Das ist ein allgemeiner, für alle Sonderausgaben durch den Einleitungssatz zu § 10 Abs. 1 EStG normierter Grundsatz. Deshalb steht § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG dem Abzug der Berufsbildungskosten als Werbungskosten nicht entgegen. Denn Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung sind nur dann Sonderausgaben, „wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind„1.
Entgegen der Auffassung des Finanzgericht kommt § 12 Nr. 5 EStG im Streitfall schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der Kläger vor Beginn seiner Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer eine (erste) Berufsausbildung im Sinne der Vorschrift absolviert hatte.
Der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung wird vom Gesetz nicht näher beschrieben (siehe § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 5, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind2. Gegenbegriff zur Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die keine notwendige Voraussetzung für eine geplante Berufsausübung darstellt3.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs liegt eine Berufsausbildung im Sinne des Steuerrechts nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige im dualen System oder innerbetrieblich Berufsbildungsmaßnahmen durchläuft4. Ebenso wenig setzt der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz und eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren voraus, wie das Finanzgericht meint. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähigt, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen. Deshalb ist auch die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer (Pilot) eine Berufsausbildung in diesem Sinne. Dabei ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob die Ausbildung zum Erwerb einer Musterberechtigung für ein bestimmtes Verkehrsflugzeug eine zweite Ausbildung darstellt oder Teil einer einheitlichen Ausbildung ist5.
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger mit der Ausbildung zum Rettungssanitäter eine Berufsausbildung i.S. des § 12 Nr. 5 EStG absolviert. Der Beruf des Rettungssanitäters, der regelmäßig als Vollerwerbstätigkeit ausgeübt wird6, setzt eine mehrmonatige, landesrechtlich geregelte Ausbildung voraus. Im Streitfall war die für das Land Nordrhein-Westfalen geltende Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter vom 25.01.2000 maßgeblich. Entgegen der Auffassung des Finanzamt ist es ohne Belang, dass der Kläger die Ausbildung während der Zivildienstzeit durchlaufen und auch nur in diesem Zeitraum den Beruf ausgeübt hat.
Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des BFHs auch Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbar, sofern ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und der späteren auf Einkünfteerzielung gerichteten Berufstätigkeit besteht7. Der Bundesfinanzhof hält an dieser Rechtsprechung fest8.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 27. Oktober 2011 – VI R 52/10
- BFH, Urteil vom 28.07.2011 – VI R 38/10, BFH/NV 2011, 1782[↩]
- siehe etwa BFH, Urteile vom 09.06.1999 – VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 04.12.2002 – VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; s. auch Söhn, StuW 2002, 97[↩]
- BFH, Urteil vom 15.03.2007 – VI R 14/04, BFHE 217, 450, BStBl II 2007, 814; Pfab, Die Behandlung von Bildungsaufwendungen im deutschen Einkommensteuerrecht, Frankfurt/Main, 2008, 246[↩]
- BFH, Entscheidung vom 18.06.2009 – VI R 79/06[↩]
- siehe dazu BFH, Urteil vom 04.03.2010 – III R 23/08, BFH/NV 2010, 1264[↩]
- siehe dazu BFH, Urteil in BFH/NV 2010, 1264[↩]
- siehe dazu im Einzelnen BFH, Urteil in BFH/NV 2011, 1782[↩]
- a.A. Reiß, FR 2011, 863; Ismer, FR 2011, 846; s. auch Kanzler, FR 2011, 862[↩]
- i.d.F. des BeitrRLUmsG[↩]
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