Eine „neue, bisher nicht vorhandene“ Wohnung im Sinne von § 7b Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (2020) liegt nicht vor, wenn die durch eine Baumaßnahme geschaffene Wohnung zwar „neu“ im sprachlichen Sinne ist, hierdurch aber der zuvor vorhandene Bestand an Wohnungen auf dem Grundstück nicht vermehrt wurde.
Die Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau nach § 7b EStG kann daher nicht gewährt werden, wenn ein Einfamilienhaus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wird. Die Steuerförderung setzt vielmehr voraus, dass durch die Baumaßnahme bisher nicht vorhandene Wohnungen geschaffen werden. Dies erfordert eine Vermehrung des vorhandenen Wohnungsbestands.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall gehörte der klagenden Eigentümerin ein vermietetes Einfamilienhaus. Nachdem sie sich zum Abriss des sanierungsbedürftigen, aber noch funktionsfähigen Hauses entschlossen hatte, stellte sie im Jahr 2019 einen Bauantrag für ein neues Einfamilienhaus. Im Juni 2020 ließ sie das alte Haus abreißen. Ab Juli 2020 wurde der Neubau errichtet, den die Eigentümerin ebenfalls vermietete. Das Finanzamt berücksichtigte die reguläre Abschreibung, lehnte jedoch die beantragte Sonderabschreibung nach § 7b EStG ab.
Das Finanzgericht Köln wies die daraufhin erhobene Klage ab1. Und der Bundesfinanzhof bestätigte nun die Ansicht der Vorinstanz und wies auch die Revision der Eigentümerin als unbegründet zurück:
Der Zweck der Sonderabschreibung nach § 7b EStG liege darin, Anreize für die zeitnahe Schaffung zusätzlichen Wohnraums zu bieten und damit die Wohnraumknappheit zu bekämpfen. Dies folge aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, das Teil der sogenannten Wohnraumoffensive der damaligen Bundesregierung war. Der Abriss und anschließende Neubau einer Immobilie ohne Schaffung eines zusätzlichen Bestands an Wohnungen erfülle dieses Ziel nicht. Anderes könne nur gelten, wenn der Neubau in keinem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem vorherigen Abriss stehe. Im Streitfall lag ein solcher Ausnahmefall nicht vor. Denn die Eigentümerin hatte von Anfang an geplant, das abgerissene Einfamilienhaus durch ein neues zu ersetzen, und die Bauarbeiten folgten zeitlich unmittelbar aufeinander.
Nach § 7b Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung können für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegen sind, unter den in § 7b Abs. 2 bis 5 EStG genannten weiteren Voraussetzungen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren Sonderabschreibungen bis zu jährlich 5 % der Bemessungsgrundlage neben den AfA nach § 7 Abs. 4 EStG in Anspruch genommen werden. Diese Begünstigung, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auch für die Überschusseinkunftsarten gilt, fordert insbesondere, dass durch die Baumaßnahmen „neue, bisher nicht vorhandene“ Wohnungen geschaffenwerden, die die Voraussetzungen von § 181 Abs. 9 des Bewertungsgesetzes (BewG) erfüllen (§ 7b Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG). Die Sonderabschreibung wurde mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus vom 04.08.20192 eingeführt.
Zu der Frage, ob ein Neubau, der an Stelle eines abgerissenen Hauses errichtet wurde, eine nach § 7b EStG begünstigte Baumaßnahme ist, äußern sich weder die Gesetzesmaterialien3 noch der Anwendungserlass der Finanzverwaltung4. Ebenso wenig kann auf die zu vorherigen Fassungen der Vorschrift ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zurückgegriffen werden5. Denn diesen Entscheidungen lagen Fassungen des § 7b EStG zugrunde, die das Erfordernis der Schaffung einer „neuen, bisher nicht vorhandenen“ Wohnung nicht enthielten.
Die Auslegung der Norm gebietet es, eine „neue, bisher nicht vorhandene“ Wohnung im Sinne von § 7b Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG nur anzunehmen, wenn durch die Baumaßnahme im Vergleich zum vorherigen Zustand ein zusätzlicher, das heißt vermehrter Wohnungsbestand geschaffen wurde. Ein im Zusammenhang mit dem Abriss einer bereits vorhandenen Wohnung errichteter Neubau, der lediglich an Stelle der abgerissenen Wohnung tritt, erfüllt diese Voraussetzung nicht6.
Dies ergibt sich zwar nicht ohne jeden Zweifel aus dem Wortlaut der Vorschrift. Denn bei sprachlicher Beurteilung ist jede Wohnung, die vor der Baumaßnahme als solche noch nicht existierte, eine „neue, bisher nicht vorhandene“ Wohnung.
Allerdings ist es mit dem Zweck der Norm und dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar, die steuerliche Förderung auch dann zu gewähren, wenn die geschaffene Wohnung zwar „neu“ im sprachlichen Sinne ist, die Baumaßnahme aber den auf dem Grundstück zuvor vorhandenen Bestand an Wohnungen gemäß § 181 Abs. 9 BewG nicht vermehrt hat.
§ 7b EStG verfolgt einen außersteuerlichen Lenkungszweck7. Das Gesetz knüpft an die von der seinerzeitigen Bundesregierung verfolgte „Wohnraumoffensive“ an, mit der 1, 5 Mio. neue Wohnungen zusätzlich gebaut werden sollten. Ziel des Gesetzgebers war es, steuerliche Anreize für den zu verstärkenden Mietwohnungsneubau im bezahlbaren Mietsegment zu schaffen und damit dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen sowie steigender Mieten entgegenzuwirken8. Diese Zielsetzung belegt, dass die steuerlich zu fördernde Baumaßnahme dazu beitragen muss, den Wohnungsbestand zu vermehren und nicht nur zu ersetzen.
Dies deckt sich mit dem Willen des Gesetzgebers, der in seiner Begründung das Kriterium der „Neuheit“ in § 7b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG daran knüpft, dass die Wohnung nicht nur „erstmalig“, sondern auch „zusätzlich“ geschaffen wird. Aus diesem Grund geht er davon aus, dass Baumaßnahmen, die lediglich zu einer Verlegung von Wohnraum oder zu einer Erweiterung der Wohnfläche innerhalb eines Gebäudes führen, den Anforderungen des § 7b EStG nicht genügen9. Baumaßnahmen, die zu einer Verlängerung der Nutzungsdauer bestehenden Wohnraums führen, hat der Gesetzgeber tatbestandlich dagegen nicht erfasst. Konsequenterweise stuft die Finanzverwaltung eine -selbst kostenintensive- Modernisierung oder Sanierung einer bestehenden Wohnung als eine nicht nach § 7b EStG begünstigungsfähige Baumaßnahme ein10. Ebenso wenig genügt die rechtliche Umwandlung eines vorhandenen Gebäudes in Eigentumswohnungen11.
Gemessen am Ziel des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers muss der Neubau einer Wohnimmobilie sowie -diesem gleichgestellt- der Aus- oder Umbau bestehender Gebäudeflächen sowie die Aufstockung oder der Anbau12 den vor der Baumaßnahme vorhandenen Wohnungsbestand vermehrt haben. Das vom Gesetzgeber ausgegebene Ziel, der Wohnraumknappheit entgegenzuwirken, würde nicht erreicht, wenn eine den Anforderungen des § 181 Abs. 9 BewG genügende Wohnung bereits vor der Durchführung der infrage stehenden Baumaßnahme existent war und lediglich durch eine neue und qualitativ bessere Wohnung ersetzt wird.
Entgegen der Ansicht der Revision hat die Beurteilung, ob der einem Abriss nachfolgende Neubau einer Wohnung den Anforderungen des § 7b Abs. 2 Nr. 1 EStG genügt, losgelöst von den Bestimmungen und Wertungen des § 7h Abs. 1 und Abs. 1a EStG zu erfolgen. Die Zielsetzungen beider Normen sind systematisch nicht miteinander vergleichbar. Irrelevant ist im vorliegenden Kontext zudem, unter welchen Voraussetzungen die Anschaffungs- und Abrisskosten eines Altgebäudes steuerlich sofort abziehbar oder den Anschaffungs-/Herstellungskosten des anschließenden Neubaus zuzuschlagen sind13.
Ausnahmsweise kann der einem Abriss einer Wohnung nachfolgende Neubau dann eine Begünstigung nach § 7b EStG auslösen, wenn beide Maßnahmen nicht in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen. Voraussetzung hierfür ist, dass sich der Wegfall der Voraussetzungen, die nach § 181 Abs. 9 BewG an die (vorherige) Wohnung zu stellen sind, bereits soweit verfestigt hat, dass Abriss und Neubau nicht mehr als von einem Gesamtplan des Steuerpflichtigen getragene Einheit wirken.
Ob dies der Fall ist, beurteilt sich maßgeblich nach den subjektiven Vorstellungen des Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge der Planungen und Baumaßnahmen. Beabsichtigt er bereits zum Zeitpunkt des Abrisses den Neubau, liegt eine einheitliche -die Anwendung von § 7b EStG ausschließende- Maßnahme vor. Hiervon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn sich die Bauarbeiten für den Neubau ohne nennenswerte zeitliche Verzögerungen an den Abriss anschließen oder der Bauantrag (die Bauanzeige) für den Neubau zum Zeitpunkt des Abrisses bereits gestellt (eingereicht) wurde. Gleiches gilt, wenn zu diesem Zeitpunkt die Planungen für die Errichtung des Neubaus so weit vorangeschritten sind, dass Abriss und Neubau als von einem einheitlichen Willen getragen wirken (zum Beispiel Abschluss der architektonischen Arbeiten, Beauftragung eines Bauprojektierers et cetera). In diesen Fällen verfestigt sich der durch den Abriss vollzogene Wegfall der vorherigen Wohnung nicht.
Anderes gilt, wenn der Steuerpflichtige nachvollziehbar darlegt, dass er zum Zeitpunkt des Abrisses noch keine näheren Planungen für einen Neubau hatte und sich dies durch den zeitlichen Ablauf der Baumaßnahmen (insbesondere im Fall der Aufnahme von Bauplanungen und -arbeiten erst nach einem längerfristigen Brachliegen des Grundstücks) bestätigt. In diesem Fall können die Voraussetzungen des § 7b Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG erfüllt sein14.
Nach diesen Maßstäben hat die Eigentümerin keine bisher nicht vorhandene Wohnung im Sinne des § 7b Abs. 2 Nr. 1 EStG geschaffen, sondern mit der Errichtung des neuen Einfamilienhauses lediglich eine bereits vorhandene Wohnung ersetzt.
Der nach Auszug der Mieter und nachfolgendem Abriss vorliegende Wegfall der Wohnung hatte sich nicht verfestigt, denn beim Abriss und Neubau handelte es sich aufgrund der den Bundesfinanzhof bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) um eine einheitliche Maßnahme, die lediglich zu einer kurzfristigen und notwendigen Unterbrechung der Wohnraumnutzung geführt hat. Die Eigentümerin hat den Abriss des vorherigen Einfamilienhauses in der Absicht vorgenommen, ein neues Einfamilienhaus zu errichten. Sie hat bereits vor dem Abriss einen Bauantrag für den Neubau gestellt. Darüber hinaus hat sich die Neubaumaßnahme unmittelbar an den Abriss angeschlossen.
Unerheblich ist, dass die Eigentümerin den ursprünglichen Entschluss zum Abriss zunächst unabhängig von dem Entschluss zum Neubau getroffen haben will. Maßgeblich ist vielmehr, dass im Zeitpunkt des Abrisses ein entsprechender Entschluss bestand. Ohne Belang ist zudem, dass nach dem ursprünglichen Vorhaben der Eigentümerin eine längere Zeit zwischen Abriss und Neubau hätte liegen sollen; dieses Vorhaben hat die Eigentümerin nicht realisiert.
Die Motive, die dem Entschluss der Eigentümerin für einen Neubau zugrunde gelegen haben, sind für Zwecke des § 7b EStG irrelevant. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob eine alternativ in Betracht gezogene Sanierung wirtschaftlich sinnvoll oder auch nur möglich gewesen wäre.
Der Bundesfinanzhof musste im vorliegenden Fall nicht entscheiden, ob und -falls ja- in welchem Umfang eine Begünstigung nach § 7b EStG in Betracht zu ziehen wäre, wenn ein ersetzender Neubau zu einer Vermehrung des Wohnungsbestands führt (zum Beispiel bei der Ersetzung eines Ein- oder Zweifamilienhauses durch ein Mehrfamilienhaus).
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. August 2025 – IX R 24/24
- FG Köln, Urteil vom 12.09.2024 – 1 K 2206/21[↩]
- BGBl I 2019, 1122[↩]
- BT-Drs.19/4949[↩]
- zuletzt BMF, Schreiben vom 21.05.2025, BStBl I 2025, 1419[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteile vom 19.05.1961 – VI 127/60 U, BFHE 73, 238, BStBl III 1961, 354; vom 27.01.1993 – IX R 97/88, BFHE 170, 531, BStBl II 1993, 601[↩]
- vgl. auch Kahle, Unternehmensteuern und Bilanzen -StuB-, 2025, 361, 363[↩]
- Pfirrmann in Kirchhof/Seer, EStG, 24. Aufl., § 7b Rz 1; Schmidt/Kulosa, EStG, 44. Aufl., § 7b Rz 5[↩]
- BT-Drs.19/4949, S. 9, 12[↩]
- BT-Drs.19/4949, S. 12; ebenso Hörhammer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7b EStG Rz 12; BeckOK EStG/Graw, 22. Ed. 01.07.2025, EStG § 7b Rz 32; Kahle, StuB 2025, 361, 363[↩]
- BMF, Schreiben vom 21.05.2025, BStBl I 2025, 1419, Rz 27; s.a. Brandis/Heuermann/Riehl, § 7b EStG Rz 11; Kahle, StuB 2025, 361, 363[↩]
- Schmidt/Kulosa, EStG, 44. Aufl., § 7b Rz 5; Kahle, StuB 2025, 361, 363[↩]
- vgl. hierzu BMF, Schreiben vom 21.05.2025, BStBl I 2025, 1419, Rz 26[↩]
- vgl. hierzu BFH, Beschluss vom 12.06.1978 – GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, unter D.II.[↩]
- vgl. zum zeitlichen Ablauf zwischen Abriss und Neubau Kahle, StuB 2025, 361, 366[↩]











