Unzutreffende Einkommensprognose beim Kindergeld

Nach § 70 Abs. 4 EStG ist eine Kindergeldfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG über- oder unterschreiten. Unter dem Begriff Kindergeldfestsetzung ist dabei auch ein Bescheid zu verstehen, mit dem ein Antrag auf Kindergeld abgelehnt wird1.

Unzutreffende Einkommensprognose beim Kindergeld

Dabei ist nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs der Anwendungsbereich des § 70 Abs. 4 EStG nicht schon dann eröffnet, wenn sich die tatsächlichen Einkünfte und Bezüge –z.B. wegen geringerer Einnahmen oder höherer Werbungskosten als in der Prognoseentscheidung angenommen– geändert haben. War die Prognoseentscheidung –wie im Streitfall– rechtswidrig, weil die Einkünfte und Bezüge bei Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge den Jahresgrenzbetrag unterschritten hätten, kann ein Ablehnungsbescheid nach § 70 Abs. 4 EStG nur geändert werden, wenn die Einkünfte und Bezüge allein aufgrund der geänderten tatsächlichen Beträge unter dem Jahresgrenzbetrag liegen. Andernfalls würde ein materieller Fehler der Familienkasse (Nichtberücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge) rückwirkend berichtigt. Das widerspräche jedoch dem Zweck des § 70 Abs. 4 EStG und der gesetzgeberischen Wertung in § 70 Abs. 3 Satz 2 EStG2.

Bei einer unzutreffenden Prognose über die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes sind für die Anwendung des § 70 Abs. 4 EStG folgende Alternativen zu unterscheiden:

  • Beruht das Überschreiten des Jahresgrenzbetrages allein auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung der Begriffe „Einkünfte und Bezüge“, ist eine bestandskräftige Prognoseentscheidung nicht nach § 70 Abs. 4 EStG änderbar.
  • Unterschreiten die tatsächlichen Einkünfte und Bezüge auch ohne Abzug der Sozialversicherungsbeiträge den Jahresgrenzbetrag, kann eine ablehnende Prognoseentscheidung in jedem Fall nach § 70 Abs. 4 EStG geändert werden.
  • War die ablehnende Prognoseentscheidung rechtmäßig, weil der Jahresgrenzbetrag auch bei Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge überschritten gewesen wäre, kann die Prognoseentscheidung dagegen auch dann korrigiert werden, wenn die geänderten tatsächlichen Einkünfte und Bezüge nur im Zusammenwirken mit einer rechtmäßigen Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG (Abzug der Sozialversicherungsbeiträge) den Jahresgrenzbetrag unterschreiten3.
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Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.Februar 2010 – III R 100/07

  1. BFH, Urteil vom 10.05.2007 – III R 103/06, BFHE 218, 147, BStBl II 2008, 549, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteil vom 28.11.2006 – III R 6/06, BFHE 216, 138, BStBl II 2007, 717; BFH, Beschluss vom 30.09.2008 – III B 206/07, BFH/NV 2009, 20, jeweils m.w.N.[]
  3. BFHE 218, 147, BStBl II 2008, 549[]