die verspätete Vorlage einer Schulbescheinigung des Kindes kann ein grobes Verschulden des Kindergeldberechtigten darstellen.

Steuerbescheide sind gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
Auf das nach dem Einkommensteuergesetz zu gewährende Kindergeld, das nach § 31 Satz 3 EStG als Steuervergütung monatlich gezahlt wird, sind die Vorschriften der AO anzuwenden1.
Grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO umfasst Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit2. Grob fahrlässig handelt der Steuerpflichtige, wenn er die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt3.
Ein Kindergeldberechtigter handelt regelmäßig grob schuldhaft i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn er trotz mehrfacher Aufforderung durch die Familienkasse offenkundig anspruchserhebliche Tatsachen nicht mitteilt oder nachweist. Dies gilt umso mehr, wenn ausdrückliche Nachfragen einer Familienkasse nicht beantwortet werden4.
Für die Prüfung, ob ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen und Beweismitteln i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliegt, ist nicht nur der Zeitraum bis zum Erlass des zu ändernden Bescheids, sondern auch der Zeitraum bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft einzubeziehen5.
Nach dieser Rechtsprechung ist ein grobes Verschulden hinsichtlich einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache anzunehmen, wenn der steuerlich beratene Steuerpflichtige oder dessen steuerlicher Berater es versäumen, den entscheidungserheblichen Sachverhalt der Finanzbehörde noch im Rahmen eines fristgerechten Einspruchs zu unterbreiten6.
An dieser Rechtsprechung ist ungeachtet der im Schrifttum erhobenen Einwände7 aus den im BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 820, Rz 19 und 20 dargelegten Gründen festzuhalten
Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. November 2014 – XI R 41/13
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 06.03.2013 – III B 113/12, BFH/NV 2013, 976, m.w.N.[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. BFH, Urteile vom 21.09.1993 – IX R 63/90, BFH/NV 1994, 99; vom 04.02.1998 – XI R 47/97, BFH/NV 1998, 682; vom 10.12 2013 – VIII R 10/11, BFH/NV 2014, 820, jeweils m.w.N.[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. BFH, Urteile in BFH/NV 1998, 682; in BFH/NV 2014, 820, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. dazu BFH, Beschluss vom 29.04.2009 – III B 113/08, BFH/NV 2009, 1239; ferner BFH, Urteile vom 09.08.1991 – III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65; vom 09.10.1992 – III R 72/91, BFH/NV 1994, 217; vom 04.02.1993 – III R 78/91, BFH/NV 1993, 641[↩]
- vgl. dazu z.B. BFH, Urteile vom 25.11.1983 – VI R 8/82, BFHE 140, 18, BStBl II 1984, 256; in BFH/NV 1998, 682; vom 16.09.2004 – IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl II 2005, 75; vom 22.05.2006 – VI R 17/05, BFHE 214, 154, BStBl II 2006, 806; in BFH/NV 2014, 820, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. dazu z.B. BFH, Beschluss vom 10.12 1997 – VIII B 17/97, BFH/NV 1998, 1063, unter 1.b, m.w.N.; BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 820, Rz 17, m.w.N.[↩]
- vgl. u.a. Heinke, Deutsche Steuer-Zeitung 1999, 789 ff.; Tiedtke/Szczesny, Deutsches Steuerrecht 2005, 1122 ff.; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 173 AO Rz 291; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 76b; v.Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 54; Frotscher in Schwarz, AO, § 173 Rz 206[↩]