Ist eine frühere Teilwertabschreibung nach § 12 Abs. 2 Sätze 2 und 3 UmwStG a. F. bei der Verschmelzung von Schwesterkapitalgesellschaften wieder hinzuzurechnen? Das Finanzgericht Münster verneint dies: Hinzurechnungen, die aus der Verschmelzung von Schwestergesellschaften hergeleitet wurden, sind durch die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 nicht gedeckt.

Damit teilt das Finanzgericht Münster nicht die vom Bundesministerium der Finanz im Schreiben vom 16. Dezember 20031 vertretene Auffassung zur Hinzurechnung wegen einer Teilwertabschreibung auf die Anteile an der verschmolzenen Schwestergesellschaft bei der gemeinsamen Muttergesellschaft im Falle der Verschmelzung zweier Schwestergesellschaften und der späteren Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft.
Derartige Hinzurechnungen sind nach Ansicht des Finanzgerichts Münster auch im Wege extensiver Auslegung durch den Wortlaut des § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 nicht gedeckt. Einer entsprechenden Anwendung steht das Verbot der steuerverschärfenden Analogie entgegen.
Die Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften gemäß §§ 2 Nr. 1, 4 ff., 46 ff. UmwG hat zivilrechtlich zur Folge, dass gemäß § 20 UmwG das Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten auf die übernehmende Gesellschaft übergeht und die übertragende Gesellschaft erlischt. Die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft werden Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft.
Steuerrechtlich bestimmt sich die Verschmelzung von Schwestergesellschaften nach §§ 11 – 13 UmwStG 19952. Gemäß § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden und der übernehmenden Körperschaft so zu ermitteln, als ob zum Übertragungsstichtag das Einkommen und das Vermögen auf die übernehmende Körperschaft übergegangen wären. Dabei sind die Wirtschaftsgüter der übertragenden Körperschaft bei der übernehmenden gemäß § 12 Abs. 1, § 4 Abs. 1 UmwStG 1995 mit dem Wert der Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft anzusetzen. Ein etwaiger Übertragungsgewinn der übernehmenden Körperschaft in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter anzusetzen sind, bleibt gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 außer Ansatz. Dem Gewinn der übernehmenden Körperschaft ist gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 UmwStG 1995 jedoch die Differenz zwischen den höheren tatsächlichen Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Körperschaft und dem Buchwert dieser Anteile hinzuzurechnen, es sei denn der Ansatz des niedrigeren Teilwerts ist steuerlich nach § 50c EStG oder § 8b Abs. 3 KStG in der Fassung für den Veranlagungszeitraum 2002 nicht anerkannt worden.
Diese Regelung ist von der Gesetzesintention getragen, eine doppelte Verlustnutzung zu verhindern. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 UmwStG 1995 tritt die übernehmende Körperschaft auch hinsichtlich eines verbleibenden Verlustabzugs im Sinne des § 10d EStG in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Dies kann zu einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Doppelnutzung übertragener und nicht verbrauchter Verlustabzüge führen. Hatte sich der Verlust der übertragenden Körperschaft bei der Muttergesellschaft durch eine Teilwertabschreibung auf die Gesellschaftsanteile bereits gewinnmindernd ausgewirkt, so eröffnet der Übergang der nicht verbrauchten Verluste ihre erneute Nutzung3. Dem soll durch die Hinzurechnung begegnet werden.
Infolge der Verschmelzung gelten die Anteile an den übertragenden Körperschaften gemäß § 13 Abs. 1 UmwStG 1995 als zum Buchwert veräußert und die an ihre Stelle treten Anteile an den übernehmenden Körperschaften als zum Buchwert angeschafft4.
Da im Streitfall keine neuen Anteile an den übernehmenden Körperschaften infolge der Verschmelzung gewährt wurden, hat sich der Buchwert der Anteile an den übernehmenden Körperschaften in Höhe des Buchwerts der untergegangenen Anteile an den übertragenden Körperschaften erhöht. Für die Muttergesellschaft als Anteilseignerin vollzieht sich diese Art der Verschmelzung auf der Gesellschafterebene erfolgsneutral5. Eine Wertaufholung einer Teilwertabschreibung auf die untergegangenen Gesellschaftsanteile ist in § 13 UmwStG 1995 insoweit nicht geregelt.
§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 ist entgegen der Auffassung des Bundesfinanzministeriums keine Rechtsgrundlage, die von der Klägerin vor der Verschmelzung auf die Anteile an den übertragenden Körperschaften vorgenommenen und nicht durch Wertaufholung wieder ausgeglichenen Teilwertabschreibungen durch eine Hinzurechnung bei der späteren Veräußerung der Anteile an den übernehmenden Körperschaften wieder auszugleichen.
Der BMF vertritt die Auffassung, § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 sei in allen Fällen der Verschmelzung anzuwenden, in denen das Übernahmeergebnis nach § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 außer Ansatz bleibt und Anteile untergehen, auf die vor dem steuerlichen Übertragungsstichtag eine Teilwertabschreibung vorgenommen wurde. Dies soll auch für die Verschmelzung von Schwestergesellschaften gelten. Die Hinzurechnung soll im Falle der Verschmelzung von Schwestergesellschaften bei der Muttergesellschaft vorgenommen werden, wenn die übernehmende Körperschaft auf die Muttergesellschaft verschmolzen wird6 oder die Beteiligung an der übernehmenden Schwestergesellschaft durch Veräußerung entfällt7.
In der Literatur wird zur Verschmelzung von Schwestergesellschaften und zur Verschmelzung der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft überwiegend die Ansicht vertreten, eine Gewinnhinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 könne nur bei der übernehmenden Körperschaft vorgenommen werden8.
Nach dieser Auffassung scheidet eine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 bei der Muttergesellschaft aus.
Eine analoge Anwendung der Vorschrift wird wegen einer steuerverschärfenden Wirkung als unzulässig angesehen9.
Zum Teil wird vertreten, aus § 13 UmwStG 1995 sei abzuleiten, dass sich bei einer Verschmelzung von Schwestergesellschaften die Hinzurechnungsbelastung, die durch eine Teilwertabschreibung auf die Anteile der übertragenden Körperschaft entstanden sei, als Merkmal auf die Anteile an der übernehmenden Körperschaft verlagere, so dass bei einer späteren Verschmelzung der übernehmenden Körperschaft auf die Muttergesellschaft bei dieser eine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 vorzunehmen sei10.
Nach ihrem Wortlaut ist die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 1 sowie Satz 2 und 3UmwStG 1995 auf die Verschmelzung einer Tochter- auf die Muttergesellschaft zugeschnitten. Der Sinn und Zweck der Vorschrift ist darauf ausgerichtet, im Falle der Verschmelzung, d.h. der Vereinigung von Gesellschaftsebene und Gesellschafterebene,die nicht mehr gerechtfertigte Teilwertabschreibung auf die Anteile an der übertragenden Körperschaft rückgängig zu machen11.
Die dem Gesetzeszweck widersprechende Möglichkeit der doppelten Verlustnutzung durch die Teilwertabschreibung auf die Anteile an der übertragenden Körperschaft ist auch bei einer Verschmelzung der Mutter- auf die Tochtergesellschaft und der Verschmelzung von Tochtergesellschaften gegeben.
Gleichwohl ist aber weder über eine extensive Auslegung noch über eine Analogie § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 auf diese angesprochenen Gestaltungen anzuwenden.
Der äußerste Rahmen der Auslegung des Gesetzeswortlauts wäre bei Anwendung auf eine Gestaltung wie im Streitfall überschritten.
Wollte man dem BMF folgend § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1995 dahin auslegen und verstehen, dass die Regelung auch Fälle der Verschmelzung erfasst, in denen die übernehmende Körperschaft nicht an der übertragenden Körperschaft beteiligt ist, wäre die mit Satz 1 zusammenhängende und darauf aufbauende Regelung der Sätze 2 und 3 auf diese Fallgestaltungen ebenfalls anzuwenden. Bei einem Verständnis wie der BMF wäre dann, ohne dass dies hier entschieden werden muss, die Vorschrift dahin zu verstehen, dass sie auch die Seitwärtsverschmelzung mit anschließender Verschmelzung der übernehmenden Körperschaft auf die Muttergesellschaft12 als Verschmelzungsvorgang insgesamt erfasst. Dies würde allerdings voraussetzen, dass die beiden Verschmelzungsvorgänge als zusammengehörig angesehen und steuerlich gewertet würden. Dies erscheint allerdings zu weit gehend und vom Gesetzeswortlaut nicht mehr gedeckt. Letztlich kann diese Möglichkeit der Auslegung jedoch dahinstehen und offen bleiben.
Im Streitfall sind die Hinzurechnungen nach § 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 UmwStG 1995 vom Beklagten nicht an eine weitere Verschmelzung, sondern an die spätere Veräußerung der Anteile an den übernehmenden Körperschaften geknüpft worden. Damit wird an einen neuen Vorgang angeknüpft, der nicht Bestandteil der Verschmelzung ist und ihr zeitlich erheblich nachfolgt. Anhaltspunkte, dass die Verschmelzung und die Veräußerung Bestandteil eines von vornherein bestehenden Gesamtplans waren, sind nicht erkennbar. Diese Hinzurechnung bei Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft kann auch bei weitester Auslegung des Gesetzeswortlauts nicht mehr unter die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 gefasst werden. § 12 Abs. 2 UmwStG 1995 regelt die steuerlichen Folgen der Verschmelzung von Körperschaften für den Besteuerungszeitraum der Verschmelzung und dabei die steuerlichen Folgen nur für die verschmolzenen Gesellschaften und der Gesellschaftsanteile an diesen. Zu den von der Verschmelzung berührten Gesellschaftsanteilen an der übernehmenden Körperschaft lassen sich aus dem Wortlaut jedoch weitere steuerliche Folgen, die nicht allein durch die von der Vorschrift geregelte Verschmelzung ausgelöst sind, sondern erst durch nachfolgende neue und zusätzliche Vorgänge in späteren Besteuerungszeiträumen ausgelöst werden sollen, nicht herleiten.
Die Annahme einer „Infizierung“ der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft durch die Teilwertabschreibung auf die Anteile an der übertragenden Gesellschaft ist vom Wortlaut und Regelungsgehalt des § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995 ebenfalls nicht gedeckt. Eine „Infizierung“ der Anteile würde die steuerlichen Folgen der Verschmelzung in spätere Zeiträume verlagern und ebenfalls von weiteren späteren Vorgängen abhängen lassen. Nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck regelt die Vorschrift jedoch nur die unmittelbar durch die Verschmelzung ausgelösten Rechtsfolgen.
Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 UmwStG 1995 erfasst die Sachverhalte des Streitfalles auch nicht im Wege des Analogieschlusses, da insoweit eine den Steuertatbestand ausdehnende steuerbelastende Analogie vorläge, die unzulässig ist.
Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Eine solche Lücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht13. Nach dem Verfassungsprinzip der Rechtsstaatlichkeit ist es unzulässig, einen Steuertatbestand im Wege der Rechtfortbildung und Analogie neu zu schaffen oder auszuweiten. Die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung sind überschritten, wenn die einschlägigen gesetzlichen Regelungen nach ihrem auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Wortlaut, ihrer Systematik und ihrem erkennbaren Sinn so ausgestaltet sind, dass die analoge Anwendung der Vorschrift hierzu in Widerspruch gerät. Im Steuerrecht hat der Gesetzgeber die primäre Entscheidung über die Steuerwürdigkeit und Steuerpflicht bestimmter generell bezeichneter Sachverhalte zu treffen14.
In Anwendung dieser Grundsätze würde die analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 UmwStG 1995 auf die vom Gesetzeswortlaut nicht erfasste Verschmelzung zweier Schwestergesellschaften zu einer unzulässigen Ausdehnung des Besteuerungstatbestandes führen.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 19. September 2012 – 10 K 2079/12 F
- BMF, Schreiben vom 16.12.2003, BStBI. l 2003, 786 ff., 788, unter Rz. 19[↩]
- BMF, Schreiben vom 25.03.1998, BStBI. l 1998, 268 ff. Tz. 11.13[↩]
- BFH, Urteil vom 18.07.2001 – l R 38/99, BStBI. II 2002, 27[↩]
- Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, UmwStG (vor SEStEG) § 13 Rz. 16, 19[↩]
- Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, UmwStG (vor SEStEG) § 13 Rz. 3[↩]
- BMF, Schreiben vom 25.03.1998, BStBI. l 1998, 268 ff., 303, Rz. 12.07, 12.08[↩]
- BMF, Schreiben vom 16.12.2003, BStBI. l 2003, 786 ff., 788, Rz. 19[↩]
- Fatouros, BB 2005, 1079; Neu, GmbHR 1996, 896; Prinz, FR 1997, 886; Schmitt in Schmitt/Hörtnagel/Stratz UmwStG § 12 Rz. 47; Schießl in Widmann/Mayer Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG Rz. 267.14; Klingberg in Blümich, EStG, Anh. UmwStG 1995 § 12 Rz. 12, 24; Frotscher in Frotscher/Maas UmwStG 2002, § 12 Rz. 33, 34[↩]
- u.a. Fatouros, BB 2005, 1079; Prinz, FR 1997, 886; Frotscher in Frotscher/Maas UmwStG 2002, § 12 Rz. 33, 34[↩]
- Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 12 UmwStG (vor SEStEG) Rz. 42[↩]
- Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 12 UmwStG (vor SEStEG) Rz. 25; Frotscher in Frotscher/MaasUmwStG 2002, § 12 Rz. 31; Rödder/Wochinger, FR 1999, 1 ff., 11; Dreissig, DB 1997,1301 ff., 1304[↩]
- siehe BMF, Schreiben vom 25.03.1998 a.a.O., Rz. 12.08[↩]
- BFH, Urteil vom 14.02.2007 – II R 66/05, BStBI II 2007, 621[↩]
- BVerfG, Entscheidungen vom 24.01.1962 – 1 BvR 232/60, BVerfGE 13,318, BStBI. l 1962, 506; vom 13.12.1966 – 1 BvR 512/65, BVerfGE 21, 1 ; vom 15.07.1969 – 1 BvR 457/66, BVerfGE 26, 327; Seer in Tipke/Kruse AO/FGO, § 4 AO Rz. 360 m.w.N.[↩]