Der allgemeine Grundsatz, dass eine Schätzung solange nicht rechtswidrig ist, als sie den durch Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen nicht verlässt, kann in einem Revisionsverfahren nicht durch feste Regeln weiter konkretisiert werden. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ist ein Mittel der Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des Finanzgerichts als Tatsacheninstanz und bindet im Regelfall den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO.

Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung durch das Finanzgericht ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtlich. Eine hierauf gestützte Revisionszulassung setzt einen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO voraus.
Macht ein Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend, so hat er eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen. Dazu ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Darüber hinaus muss die Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darlegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Es muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist1.
Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Begründung der Beschwerde diese Voraussetzungen so dargelegt werden, dass sie eine an den gesetzlichen Zulassungsgründen orientierte Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes durch den Prozessbevollmächtigten erkennen lassen sowie ein Mindestmaß an Klarheit, Geordnetheit und Verständlichkeit des Vortrags aufweisen2. Denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus einer Vielzahl von eingereichten Unterlagen die zur Begründung der Beschwerde geeigneten Zulassungsgründe im Wege einer wohlwollenden Auslegung herauszusuchen.
Diesen Anforderungen werden die Beschwerdebegründungen nicht gerecht. Sie lassen schon nicht das gebotene Mindestmaß an Klarheit, Verständlichkeit und Überschaubarkeit des Beschwerdevorbringens erkennen.
Daneben sind die dargebotenen Begründungen auch nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache anzunehmen. Insbesondere fehlt es an einer Herausarbeitung einer abstrakten Rechtsfrage unter Berücksichtigung der Ansichten im Schrifttum und in der Rechtsprechung. Der Kläger ist zwar der Ansicht, die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Anforderungen der Schätzung erscheine als „sinnleer“ und zu unkonkret. Dies betreffe insbesondere die im BFH-Urteil vom 21.08.20193 gemachte Aussage, dass das gewonnene Schätzungsergebnis schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein müsse und selbst grobe Abweichungen vom Schätzungsrahmen regelmäßig nur die Rechtswidrigkeit, nicht aber die Nichtigkeit der Schätzung zur Folge habe. Eine substantiierte und fundierte Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung fehlt ebenso wie die Darlegung der Rechtsauffassungen der steuerrechtlichen Literatur. Auch stellt der Kläger von sich aus keine neuen Aspekte dar, die eine erneute Behandlung in einem Revisionsverfahren nötig machten. Vielmehr beschränken sich seine Ausführungen auf seinen Einzelfall unter Beschreibung der Herangehensweise der Finanzverwaltung in ähnlichen Verfahren.
Wenn der Kläger konkretere Vorgaben des Bundesfinanzhofs verlangt, um einem von ihm -lediglich behaupteten- Machtmissbrauch zu begegnen, den er aufgrund der bisherigen vermeintlich zu abstrakt gehaltenen Rechtssätze in der Finanzverwaltung und -gerichtsbarkeit allgemein zu erkennen glaubt, verkennt er nicht nur die Aufgaben eines Revisionsgerichts. Ihm scheint auch die gebotene Abstraktheit von Rechtssätzen im Zusammenhang mit der Schätzung von tatsächlichen Verhältnissen nicht bewusst zu sein. Die von dem Kläger aufgeworfenen Fragestellungen sind deshalb weder klärungsbedürftig noch in einem Revisionsverfahren klärungsfähig. Auch aus diesen Gründen ist eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ausgeschlossen.
Es ist nicht möglich, die grundsätzliche Erkenntnis, dass eine Schätzung solange nicht rechtswidrig ist, als sie den durch Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen nicht verlässt, in einem Revisionsverfahren durch feste Regeln weiter zu konkretisieren. Vielmehr ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ein Mittel der Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des Finanzgericht als Tatsacheninstanz und bindet den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO.
Es besteht zudem im vorliegenden Fall keine Notwendigkeit, diese abstrakten Schätzungsgrundlagen weitergehend zu konkretisieren. Vielmehr hat das Finanzgericht die bekannten Grundsätze auf den konkreten Einzelfall angewendet und diesen im Rahmen seiner Kompetenz als Tatsacheninstanz gewürdigt. Erst im Fall qualifizierter Rechtsanwendungsfehler hätte der Bundesfinanzhof die Revision, allerdings wegen Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO, zuzulassen. Qualifizierte Rechtsanwendungsfehler des Finanzgericht sind im Streitfall allerdings nicht erkennbar.
Geklärt ist im Übrigen auch, dass es Sache des Finanzgericht als Tatsacheninstanz ist, welcher Schätzungsmethode es sich bedient, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Auch soweit der Kläger eine höchstrichterliche Entscheidung in Bezug auf eine bestimmte Art der Schätzung verlangt, fehlt es deshalb an einer Klärungsbedürftigkeit. Schon im Urteil vom 25.03.20154 hat der Bundesfinanzhof ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode hat. Vielmehr hat sich der Bundesfinanzhof etwa im Rahmen der Überprüfung der Schätzung mittels Zeitreihenvergleichs für einen Vorrang der die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigenden Schätzungsmethoden (etwa Vermögenszuwachsrechnung oder Geldverkehrsrechnung und auch Aufschlagkalkulation) ausgesprochen. Er verlangt weder vom Finanzamt noch vom Finanzgericht, das aufgrund einer Schätzungsmethode gewonnene Ergebnis durch eine andere Schätzungsmethode, etwa die Richtsatzschätzung, zu überprüfen oder zu untermauern5.
Eine grundsätzliche Bedeutung liegt auch nicht schon deshalb vor, weil die Art der Schätzungen durch die Finanzverwaltung eine Vielzahl weiterer gleichgelagerter (Einzel-)Fälle betrifft6.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze vermag der Bundesfinanzhof nicht zu erkennen. Substantiierte Einwendungen des Klägers fehlen, da er lediglich pauschal die Unvereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit dem Grundgesetz rügt. Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen, er fühle sich durch das angegriffene Urteil in seinen Grundrechten verletzt und diskriminiert, den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend machen will, fehlt es sowohl an der Formulierung einer Rechtsfrage als auch an Darlegungen dazu, weshalb die Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt7. In Bezug auf den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit der Rechtsprechung fehlt darüber hinaus jeglicher Hinweis darauf, ob und in welchem Umfang die vom Kläger angegriffene Rechtsprechung in der Literatur in verfassungsrechtlicher Hinsicht beanstandet wird8.
Wenn der Kläger vor allem die Höhe des Schätzungsergebnisses beanstandet, erfüllt dieses Vorbringen keinen Revisionszulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO.
Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das Finanzgericht im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht beachtlich ist. Insbesondere für Einwendungen gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen gilt dies9. Folglich kann der Kläger nicht mit dem Vorbringen gehört werden, das finanzgerichtliche Urteil sei fehlerhaft, etwa soweit es auf die Schätzungsmethode des Ouzo-Verbrauchs ohne Gegenprüfung zurückgreife oder die Art und Weise der Personalverpflegung falsch berücksichtige.
Auch ein nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zu berücksichtigender erheblicher, also qualifizierter Rechtsanwendungsfehler, der ausnahmsweise, etwa bei Verstoß gegen Denkgesetze, zur Zulassung der Revision führen kann10, ist nicht erkennbar. Denn das ausführlich begründete Schätzungsergebnis des Finanzgericht ist offensichtlich nicht realitätsfremd.
Vielmehr hat sich das Finanzgericht in zutreffender Art und Weise in Ausübung der eigenen Schätzungsbefugnis die Schätzung des Finanzamtes hinsichtlich des Getränkeumsatzes zu eigen gemacht und sich somit auf eine im Rahmen einer Mischkalkulation bei den Getränken angewandten Nachkalkulation als anerkannter Verprobungsmethode gestützt. Das Finanzgericht hat in den angefochtenen Entscheidungen ausführlich dargelegt, warum es dieser Schätzungsmethode des Finanzamtes folgt.
In Bezug auf den Speisenumsatz geht das Finanzgericht unter Zugrundelegung der Ableitung des Speisenumsatzes aus der Anzahl von kostenlos ausgegebenen Ouzo wie das Finanzamt davon aus, dass diese zu 70 % der gesamten ausgegebenen Essen gereicht worden seien, korrigiert jedoch die Anzahl dieser Ouzo zugunsten des Klägers in einer vom Bundesfinanzhof nicht zu beanstandenden Art und Weise. Zutreffend geht das Finanzgericht ebenfalls davon aus, dass die Ableitung des Speisenumsatzes aus der Anzahl der zu den Essen gereichten „Frei-Ouzos“ vorliegend eine sachgerechte Methode der Nachkalkulation darstellt. Denn auch aus Sicht des Bundesfinanzhofs entspricht es einer allgemein bekannten Gewohnheit und verbreiteten Geschäftspraxis griechischer Gaststätten, ein solches Freigetränk zu einem Essen zu reichen. Hierauf aufbauend eine Art abgewandelte Ausbeutekalkulation zu stützen, ist -insbesondere auch angesichts der fehlenden Anhaltspunkte für die Warenanfangs- und Endbestände- eine sachgerechte Methode zur Nachkalkulation des Speisenumsatzes.
Im Übrigen kann schon aufgrund der jeweils sehr ausführlichen, nachvollziehbaren Darlegungen des Finanzgericht eine Willkür nicht gegeben sein. Denkgesetze werden nicht verletzt.
Mit seiner Ansicht, die Schätzung des Finanzgericht erscheine schon deshalb als willkürlich, weil es trotz wiederholter Anträge auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angegriffenen Bescheide erst im Klageverfahren die Schätzungen des Finanzamtes zu seinen Gunsten geändert habe, begründet der Kläger erst recht keinen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler. Zwar darf auch eine rechtliche Prüfung im AdV-Verfahren nicht in dem Sinne „summarisch“ sein, dass sie nur oberflächlich geschieht. Eine endgültige Klärung der Streitfrage, hier der Schätzung, muss im AdV-Verfahren jedoch (noch) nicht erfolgen. Hatte das Finanzgericht bislang keine Zweifel an der Richtigkeit der Höhe der Schätzungen und der Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, können diese im späteren Hauptsacheverfahren durchaus aufkommen. Die im AdV-Verfahren geäußerten Ansichten des Gerichts haben keine Präklusionswirkung. Daher kann die geänderte Würdigung der Umstände in Bezug auf die Höhe der Schätzung im finanzgerichtlichen Urteil nicht willkürlich sein.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20. Januar 2022 – X B 132 -133/20
- vgl. nur BFH, Beschluss vom 18.05.2020 – X B 84/19, BFH/NV 2021, 1199, Rz 8, m.w.N.[↩]
- vgl. nur BFH, Beschluss vom 26.06.2012 – IV B 34/12, BFH/NV 2012, 1621, Rz 5, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 21.08.2019 – X R 16/17, BFHE 266, 163, BStBl II 2020, 99[↩]
- BFH, Urteil vom 25.03.2015 – X R 20/13 BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 61[↩]
- BFH, Beschluss vom 08.08.2019 – X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 21[↩]
- vgl. insoweit auch BFH, Beschluss vom 21.09.2015 – III B 125/14, BFH/NV 2016, 61, Rz 10, m.w.N.[↩]
- vgl. nur BFH, Urteil vom 19.07.2016 – III B 123/15, BFH/NV 2016, 1732, Rz 4, m.w.N.[↩]
- vgl. insoweit BFH, Beschluss vom 29.08.2012 – X B 216/11, BFH/NV 2013, 24, Rz 8[↩]
- vgl. nur BFH, Beschluss vom 26.03.2021 – X B 113/20, BFH/NV 2021, 1201, Rz 13, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2019, 1219, Rz 32[↩]