Das Finanzgericht Köln hat in sieben Musterverfahren die Klagen gegen die Vergabe der Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) abgewiesen. Das Finanzgericht äußerte zwar erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Steuer-ID, konnte sich gleichwohl aber nicht zu einer Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe durchringen. Das Finanzgericht Köln konnte in Bezug auf die Vergabe der Steuer-ID nicht die Überzeugung gewinnen, dass das Recht des einzelnen Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung das Interesse der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen Besteuerung überwiegt und hielt die Steuer-ID damit im Ergebnis doch nicht für verfassungswidrig.

Die Steuer-ID wird seit dem 1. August 2008 vom BZSt in Bonn an alle Einwohner versandt (§ 139b AO). Deutschland folgt damit dem Beispiel vieler Nachbarn in der Europäischen Union. Die Einführung der Steuer-ID soll das Besteuerungsverfahren vereinfachen und Bürokratie abbauen. Hierzu erhält das zuständige BZSt von allen Meldebehörden elektronisch die im Melderegister gespeicherten Daten. Daneben werden u.a. lohnsteuererhebliche Daten, wie z.B. Religionszugehörigkeit, Krankenversicherungsbeiträge, Zahl der Lohnsteuerkarten und Kinder mit ihren Steuer-ID gespeichert (§ 39e EStG). Die Steuer-ID hat elf Ziffern, aus denen – so die Konzeption des Gesetzgebers – keine Rückschlüsse auf den Steuerpflichtigen gezogen werden können.
Hinter den jetzt vom Finanzgericht Köln entschiedenen Musterverfahren stehen über 170 Klagen von Bürgern, die sich vor dem hierfür ausschließlich zuständigen Finanzgericht Köln auf die Verfassungswidrigkeit der Vergabe der Steuer-ID berufen. Nach Auffassung der Kläger bereite die bundeseinheitliche Steuer-ID den Weg zum „gläsernen Bürger“. Dies zeige sich auch daran, dass selbst Babys unmittelbar nach der Geburt mit Post vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine Steuer-ID erhalten. Außerdem wird in einigen Klagen die „Nummerierung“ der Menschen als „Personenkennzeichen“ aus religiösen Gründen abgelehnt.
Verfassungsrechtlichen Zweifel resultieren für das Finanzgericht Köln unter anderem daraus, dass durch die Steuer-ID letztlich alle in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bürger zentral durch den Staat erfasst würden. Damit bestehe die Möglichkeit, durch entsprechende Erweiterungen der zu speichernden Daten bzw. durch die Vernetzung verschiedener Datenpools einen großen zentralen Datenbestand zu schaffen. Hieraus könnte sich künftig auch die Gefahr der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen ergeben. Auch sei es fraglich, ob es zum Zwecke der gleichmäßigen Besteuerung tatsächlich erforderlich sei, die Steuer-ID „flächendeckend“ zuzuteilen und „flächendeckend“ Daten zu speichern, unabhängig davon, ob die betreffenden Personen schon einen Besteuerungstatbestand erfüllt hätten. Diesbezüglich komme es in gewisser Weise zu einer „Vorratsdatenspeicherung“. Für durchgreifend hält das Finanzgericht diese Bedenken schlussendlich dann aber doch nicht.
Soweit einzelne Kläger daneben auch die Verletzung der Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG geltend gemacht haben, besteht nach Auffassung des Finanzgerichts schon kein Eingriff in den Schutzbereich. Die Steuer-ID stelle lediglich ein behördeninternes Ordnungsmerkmal dar. Den Klägern werde nicht ihr christlicher Name abgesprochen. Er bleibe erhalten und werde auch wie bisher verwendet.
Finanzgericht Köln, Urteile vom 7. Juli 2010 – 2 K 3093/08, 2 K 3986/08, 2 K 3265/08 u.a.