Die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanhofs vom 26.09.20191 gelten nicht nur für Bauträger-Fälle (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG), sondern auch für andere Fälle, in denen der Leistende und Leistungsempfänger zunächst rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sind, dass der Leistende Steuerschuldner ist, obwohl der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b UStG).

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil in BFHE 266, 16 entschieden (Leitsatz):
„Gehen der Leistende und Leistungsempfänger rechtsfehlerhaft davon aus, dass der Leistende Steuerschuldner ist, obwohl der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b UStG), sind die sich aus der Versagung des Vorsteuerabzugs beim Leistungsempfänger entstehenden Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn das Finanzamt die für die Leistung geschuldete Steuer vom vermeintlichen statt vom wirklichen Steuerschuldner vereinnahmt hatte, der Leistende seine Rechnungen mit Steuerausweis berichtigt und den sich hieraus ergebenden Vergütungsanspruch an den Leistungsempfänger abtritt.“
Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat diese Rechtsprechung mit seinem Urteil vom 08.11.20212 auf den vorliegenden Streitfall angewendet, weil im Streitfall aufgrund eines Irrtums über die Steuerschuldnerschaft eine zwar fehlerhafte, aber auf der Grundlage dieses Irrtums zunächst folgerichtige Versteuerung durch den Leistenden und den Leistungsempfänger erfolgt sei, nach Aufdeckung des Irrtums eine zutreffende umsatzsteuerrechtliche Besteuerung beim Leistenden und Leistungsempfänger vorgenommen worden sei und (nur) für den streitgegenständlichen Zeitraum, auf den sich der Teil-Erlass beziehe, keiner der am Leistungsaustausch Beteiligten einen Liquiditätsvorteil erlangt habe. Das Finanzgericht hat dabei angenommen, es sei unschädlich, dass im Streitfall ein Irrtum über die Steuerschuldnerschaft bei Grundstückslieferungen (jetzt: § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG, vorher: § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG 2005) vorliege, weil innerhalb des § 13b UStG nicht weiter zu differenzieren sei. Das Finanzamt habe keinerlei rechtliche Gegenargumente gegen die Grundsätze aus dem BFH, Urteil in BFHE 266, 16 vorgebracht.
Dem ist unter Umständen wie denen des Streitfalls beizupflichten. Die unter a zitierte Aussage des Bundesfinanzhofs im Urteil in BFHE 266, 16 stellt, wie das Finanzgericht zu Recht angenommen hat, auf § 13b UStG insgesamt ab; denn sie erwähnt sowohl im Leitsatz als auch in der Rz 18 § 13b UStG (und nicht nur § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG). Eine Begrenzung auf die „Bauträger-Fälle“ des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG enthält es nicht.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 11.05.20203. Der BFH hat dort zwar, wie das Finanzamt zu Recht geltend macht, entschieden, dass der Sonderfall eines Zinserlasses wegen beiderseitigen Irrtums über den Steuerschuldner in Bauträger-Fällen nicht auf die vermeidbare Fehlbeurteilung des Orts einer sonstigen Leistung übertragbar sei. Dass die Grundsätze des Bundesfinanzhofs, Urteils in BFHE 266, 16 nicht auf Irrtümer über andere sog. § 13b-Fälle übertragbar wären, ergibt sich daraus jedoch ebenfalls nicht.
er Bundesfinanzhof verkennt dabei nicht, dass der in Rz 18 des Bundesfinanzhofs, Urteils in BFHE 266, 16 ebenfalls angesprochene § 13b Abs. 5 Satz 7 UStG a.F. (jetzt: § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG) nur auf bestimmte Fälle des § 13b UStG begrenzt ist, zu denen § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht gehört. Die Beschränkung liegt aber daran, dass -wie das Finanzgericht zu Recht erkannt hat- nach der Begründung des Änderungsvorschlags des Finanzausschusses4 mit der Gesetzesänderung die durch das BFH-Urteil vom 22.08.20135 verworfene frühere Verwaltungsregelung wiederhergestellt werden sollte. Dass die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 266, 16 nur auf die in § 13b Abs. 5 Satz 7 UStG a.F. genannten Fälle begrenzt wäre, ergibt sich daraus ebenfalls nicht.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28. Juni 2022 – XI B 97/21
- BFH, Urteil vom 26.09.2019 – V R 13/18, BFHE 266, 16[↩]
- FG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.11.2021 – 9 K 1121/20[↩]
- BFH, Beschluss vom 11.05.2020 – V B 76/18, BFH/NV 2020, 1047[↩]
- BT-Drs. 18/1995, S. 114[↩]
- BFH, Urteil vom 22.08.2013 – V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128[↩]
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