Vorsteuerabzug – und die Anschrift des Rechnungsausstellers

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs u.a. voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG muss die Rechnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten.

Vorsteuerabzug – und die Anschrift des Rechnungsausstellers

Dies entspricht den Vorgaben der Art 178 Bstb. a und 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie). Da gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG eine Rechnung auch von einem nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG zur Ausstellung von Rechnungen berechtigten Leistungsempfänger ausgestellt werden kann, sofern dies vorher vereinbart wurde, muss auch eine auf solche Weise entstandene sog. Gutschrift die Anforderungen des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllen. Dies folgt auch aus Art 220 Abs. 1 Nr. 1, 224 und 226 Nr. 5 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie.

Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein1. Die Angaben im Abrechnungspapier müssen deshalb eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglichen2.

Ist eine Anschrift bewusst falsch erklärt, ist sie nicht „vollständig“ im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG. Der Abzug der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer ist nur möglich, wenn die in der Gutschrift als leistender Unternehmer bezeichnete Person die dort ausgewiesenen Umsätze ausgeführt hat und wenn diese Voraussetzungen anhand der Angaben in der Gutschrift durch die Finanzverwaltung nachgeprüft werden können. Davon ist nach der vom Finanzgericht geteilten Auffassung des BFH nicht auszugehen, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz des leistenden Unternehmers bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat3.

Eine Rechnung enthält nur dann den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers, wenn die richtige Adresse des leistenden Unternehmers angegeben ist. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) bedeutet dies, dass der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich bestanden haben muss. Der sog. Sofortabzug der Vorsteuer gebietet es, dass der Finanzverwaltung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglicht wird4. Eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine „Briefkastenfirma“ oder für eine „Strohfirma“ charakteristisch ist, ist nicht als Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit i. S. von Art. 1 Nr. 1 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17.11.1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige anzusehen. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität ist ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems5.

  1. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 05.04.2001 – V R 5/00, BFH/NV 2001, 1307; vom 01.02.2001 – V R 6/00, BFH/NV 2001, 941; vom 28.01.1999 – V R 4/98, BFHE 188, 456, BStBl II 1999, 628, m.w.N.[]
  2. BFH, Urteile vom 29.04.1993 – V R 118/89, BFH/NV 1994, 584; und vom 17.09.1992 – V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205, jeweils m.N.; BFH, Beschluss vom 02.07.1999 – V B 171/98, BFH/NV 1999, 1652; vgl. BFH, Urteil vom 26.04.2001 – V R 50/99, BFHE 194, 536 -zur Bezeichnung des Leistungsempfängers-[]
  3. z.B. BFH, Urteil in BFH/NV 2001, 941; FG, Beschlüsse vom 14.03.2000 – V B 187/99, BFH/NV 2000, 1252; vom 11.03.1999 – V B 135/98, BFH/NV 1999, 1253; FG, Urteil vom 27.06.1996 – V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620[]
  4. BFH, Urteil vom 06.12 2007 – V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 29.04.1993 – V R 118/89, BFH/NV 1994, 584; vom 17.09.1992 – V R 41/89, BFHE 169, 540, BStBl II 1993, 205; BFH, Beschluss vom 31.01.2002 – V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, jeweils mit Nachweisen[]
  5. EuGH, Urteil vom 28.06.2007 – C-73/06, Planzer Luxembourg Sarl, BFH/NV Beilage 2007, 418, UR 2007, 654[]