Ablösung einer Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung

Der Arbeitgeber, der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer Gesamtzusage verspricht, will diese nach einheitlichen Regeln, dh. als System, erbringen. Da die Geltung der Regelungen auf einen längeren, unbestimmten Zeitraum angelegt ist, sind diese von vornherein auch für die Begünstigten erkennbar einem möglichen künftigen Änderungsbedarf ausgesetzt. Ein solches System darf somit nicht erstarren.

Ablösung einer Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung

Der Arbeitgeber sagt daher mit einer Gesamtzusage im Regelfall nur eine Versorgung nach den jeweils bei ihm geltenden Versorgungsregeln zu. Nur so wird eine einheitliche Anwendung der Versorgungsordnung auf alle Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger des Arbeitgebers, für die die Versorgungsordnung gelten soll, sichergestellt. Soll sich die Versorgung dagegen ausschließlich nach den bei Erteilung der Gesamtzusage geltenden Versorgungsbedingungen richten, muss der Arbeitgeber dies in der Gesamtzusage deutlich zum Ausdruck bringen. Soweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Vorbehalt eines vertraglichen Widerrufs1 etwas anderes ergeben sollte, hält das Bundesarbeitsgericht hieran nicht länger fest.

Mit der Zusage einer Versorgung nach den jeweils beim Arbeitgeber geltenden Versorgungsregeln wurde auch die Möglichkeit für eine Ablösung auf kollektivvertraglicher Grundlage eröffnet. Die Zusage einer Versorgung nach den jeweils beim Arbeitgeber geltenden Versorgungsregeln erfasst alle Regelungen, mit denen betriebliche Altersversorgung gestaltet werden kann. Der Arbeitgeber kann – wenn ein Betriebsrat gewählt ist – die Ausgestaltung der geltenden Versorgungsregelungen grundsätzlich nicht einseitig ändern. Vielmehr steht dem Betriebsrat hierbei ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu, das typischerweise durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung ausgeübt wird. Sagt der Arbeitgeber einer Versorgung nach den jeweils bei ihm geltenden Versorgungsregeln zu, so gehören daher dazu nicht nur vom Arbeitgeber einseitig erstellte Versorgungsordnungen, sondern erkennbar auch Betriebsvereinbarungen2.

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Die bei Einschnitten in Versorgungsrechte zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit hat das Bundesarbeitsgericht für Versorgungsanwartschaften durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert3. Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer sind entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen4. Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich – wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen – dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe5.

Das dreistufige Prüfungsschema ist auch für die Beurteilung der Wirksamkeit der Ablösung maßgeblich.

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht die bei Eingriffen in Versorgungsrechte zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit für Betriebsrentenanwartschaften erstmals in seinem Urteil vom 17.04.19856, mithin zeitlich nach der hier zu beurteilenden Ablösung, durch das dreistufige Prüfungsschema präzisiert. Dies steht einer Überprüfung der VO 1982 nach Maßgabe dieses Prüfungsschemas jedoch nicht entgegen. Die Prüfungsmaßstäbe haben sich durch die Rechtsprechung in dem genannten Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht verändert, sie wurden nur konkretisiert. Auch für Eingriffe in Versorgungsrechte im Jahr 1982 ist das vom Bundesarbeitsgericht entwickelte dreistufige Prüfungsschema daher anzuwenden7.

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Der Anwendbarkeit des dreistufigen Prüfungsschemas steht auch nicht entgegen, dass die Anwartschaft im Zeitpunkt der Ablösung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in der bis zum 31.12 2000 geltenden Fassung noch nicht unverfallbar war.

Das dreistufige Prüfungsschema findet unabhängig davon Anwendung, ob die erworbenen Anwartschaften bereits unverfallbar oder noch verfallbar sind. Das Vertrauen des Arbeitnehmers auf den Bestand der Zusage und damit auf die zugesagten Leistungen ist nicht erst dann geschützt, wenn die Anwartschaft unverfallbar geworden ist. Auf die Unverfallbarkeit der Anwartschaft kommt es nur beim vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis an. Sie hat keine Bedeutung für die Zulässigkeit der Ablösung von Versorgungsregelungen durch eine Betriebsvereinbarung im fortbestehenden Arbeitsverhältnis8. Dass die Höhe des im Zeitpunkt der Ablösung erdienten Besitzstandes entsprechend § 2 BetrAVG zu berechnen ist, ändert hieran nichts. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Berechnungsmethode.

Vorliegend scheidet auch ein Eingriff in die erdiente Dynamik aus.

Die erdiente Dynamik baut auf dem erdienten Teilbetrag auf. Der Wertzuwachs der Anwartschaft folgt bei der erdienten Dynamik allein der künftigen Entwicklung variabler Berechnungsfaktoren. Der Zweck einer solchen dienstzeitunabhängigen Steigerung (Dynamik) besteht nicht darin, fortdauernde Betriebszugehörigkeit des Versorgungsanwärters proportional zu vergüten und zum Maßstab der Rentenberechnung zu machen. Vielmehr geht es darum, einen sich wandelnden Versorgungsbedarf flexibel zu erfassen. Eine solche Dynamik ist im Zeitpunkt der Veränderung einer Versorgungszusage bereits im Umfang der bis dahin geleisteten Betriebszugehörigkeit anteilig erdient, denn insoweit hat der Arbeitnehmer die von ihm geforderte Gegenleistung bereits erbracht9. Die vom Arbeitnehmer erdiente Dynamik berechnet sich entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG unter Berücksichtigung der Veränderungssperre nach § 2 Abs. 5 BetrAVG zeitanteilig, wobei allerdings im Hinblick auf den variablen Berechnungsfaktor der Festschreibeeffekt nach § 2 Abs. 5 BetrAVG nicht eingreift10.

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Ein Eingriff in die erdiente Dynamik scheidet aus, wenn eine der Arbeitnehmerin nach der neuen Regelung zustehende Altersrente nicht geringer sein kann als die zum Ablösungsstichtag nach der bisherigen Regelung erdiente Dynamik.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. März 2015 – 3 AZR 56/14

  1. vgl. etwa BAG 26.04.1988 – 3 AZR 277/87, BAGE 58, 167[]
  2. in diesem Sinne bereits bei der dynamischen Inbezugnahme von Unterstützungskassenrichtlinien BAG 12.11.2013 – 3 AZR 501/12, Rn. 43 mwN[]
  3. st. Rspr. seit BAG 17.04.1985 – 3 AZR 72/83, zu B II 3 c der Gründe, BAGE 49, 57[]
  4. vgl. etwa BAG 15.01.2013 – 3 AZR 169/10, Rn. 51 mwN, BAGE 144, 160[]
  5. vgl. etwa BAG 30.09.2014 – 3 AZR 998/12, Rn. 24 mwN[]
  6. BAG 17.04.1985 – 3 AZR 72/83, zu B II 3 c der Gründe, BAGE 49, 57[]
  7. vgl. etwa BAG 30.09.2014 – 3 AZR 998/12, Rn. 26; 15.01.2013 – 3 AZR 169/10, Rn. 54 mwN, BAGE 144, 160[]
  8. vgl. BAG 15.01.2013 – 3 AZR 169/10, Rn. 52, BAGE 144, 160[]
  9. BAG 12.02.2013 – 3 AZR 636/10, Rn. 64 mwN[]
  10. vgl. BAG 30.09.2014 – 3 AZR 998/12, Rn. 32[]