Besteuerung des Abwicklungsgewinns in einer Zwischenveranlagung

Mit der Frage, ob der Abwicklungsgewinn auch bei einer Zwischenveranlagung dem am Ende des Abwicklungszeitraums geltenden Steuersatz unterliegt, hatte sich aktuell das Finanzgericht Köln zu befassen. Konkret ging es um die Frage, ob während der Liquidation durchgeführte „Zwischenveranlagungen“ bzw. nach Insolvenzeröffnung „Berechnungen“ am Ende des Abwicklungszeitraums durch eine endgültige Veranlagung unter Zugrundelegung des am Ende des Abwicklungszeitraums geltenden Steuersatzes zu ersetzen sind.

Besteuerung des Abwicklungsgewinns in einer Zwischenveranlagung

Nach Ansicht des Finanzgerichts Köln hat das Finanzamt für die „Zwischenveranlagungen“ bzw. Berechnungen im Rahmen der Feststellungsbescheide nach § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 179 InsO den zum Ende des jeweiligen Besteuerungszeitraums geltenden Steuersatz anzuwenden.

Das Finanzgericht Köln sieht keinen Unterschied darin, dass wegen des zwischenzeitlich eröffneten Insolvenzverfahrens keine Veranlagungen, sondern lediglich Berechnungen durchgeführt wurden. Für die Ermittlung der Körperschaftsteuer kann es keinen Unterschied machen, dass Veranlagungen wegen des Insolvenzverfahrens nicht mehr erfolgen durften. Die Festlegung des Besteuerungszeitraums und die daraus folgende Ermittlung der zutreffenden Körperschaftsteuer kann nicht davon abhängen, ob die Liquidation der Kapitalgesellschaft innerhalb oder außerhalb eines Insolvenzverfahrens erfolgt.

Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs unterliegt in Liquidationsfällen, wenn sich während des Abwicklungszeitraums der gesetzliche Steuersatz ändert, der Abwicklungsgewinn dem am Ende jenes Zeitraums geltenden Steuersatz1. Ob diese Regel auch dann eingreift, wenn für einen Teil des Abwicklungszeitraums eine „Zwischenveranlagung“ stattgefunden hat und erst nach Ablauf des von ihr erfassten Besteuerungszeitraums eine Änderung des Steuersatzes in Kraft getreten ist, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden2.

Nach einer verbreiteten Ansicht ist davon auszugehen, dass die von § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG zugelassenen Zwischenveranlagungen nach Abschluss der Abwicklung durch eine endgültige Veranlagung für den gesamten Abwicklungszeitraum zu ersetzen sind und dass für diese endgültige Veranlagung allein das am Schluss des Abwicklungszeitraums geltende Steuerrecht maßgeblich ist3.

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Folgte man dieser Ansicht, so müssten die Feststellungsbescheide die Änderungen berücksichtigen, die sich aus einer zusammenfassenden Veranlagung über den gesamten Abwicklungszeitraum ergeben. Eine zusammenfassende Veranlagung müsste am Ende des Abwicklungszeitraums erfolgen4. Vorliegend ist der Abwicklungszeitraum beendet. Er war mit der Insolvenzeröffnung noch nicht beendet, da bei Insolvenzeröffnung die Abwicklung gem. § 11 Abs. 7 KStG entsprechend fortgeführt wird, wenn eine Abwicklung unterbleibt, weil über das Vermögen des unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Der Abwicklungszeitraum in der Insolvenz endet mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzverfahren gilt steuerlich als beendet, wenn es nur deshalb noch nicht formell beendet ist, weil lediglich die Höhe der Schlusssteuer noch nicht bekannt ist5. Schlusssteuer ist die Steuer, die durch die Entstrickung (d.h. mit der Aufdeckung der stillen Reserven in den Wertansätzen des Betriebsvermögens im Falle der Betriebsaufgabe) entsteht6.

Der Ansicht, Zwischenveranlagungen hätten nur vorläufigen Charakter, kann nicht gefolgt werden. Ändert sich während des Abwicklungszeitraums der gesetzliche Steuersatz, so hat dies keine Auswirkungen auf die vergangenen Besteuerungszeiträume.

Der Wortlaut des § 11 KStG gibt keinen eindeutigen Aufschluss über den Charakter der Zwischenveranlagungen als endgültig oder vorläufig.

Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG ist der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn der Besteuerung zugrunde zu legen. Damit wird die Grundregel aufgestellt, dass der gesamte Abwicklungszeitraum als einheitlicher Besteuerungszeitraum gilt. Gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG soll der Besteuerungszeitraum drei Jahre nicht übersteigen. Damit legt Satz 2 insofern eine Ausnahme von Satz 1 fest, als der Gesetzgeber die Aufteilung des Abwicklungszeitraums in mehrere Besteuerungszeiträume bei langer Abwicklungsdauer vorsieht7. Die Reichweite dieser Ausnahme ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Weder kann daraus gefolgert werden, dass eine endgültige Veranlagung des im gesamten Abwicklungszeitraums erwirtschafteten Gewinns entbehrlich ist, noch kann daraus gefolgert werden, dass Satz 2 lediglich eine Verfahrensvorschrift ohne materiell-rechtlichen Regelungsgehalt darstellt, so dass die Zwischenveranlagungen bloß vorläufig wären.

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Auch dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 und 3 KStG, lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die Zwischenveranlagungen vorläufigen oder endgültigen Charakter haben. Nach § 11 Abs. 2 und 3 KStG ist zur Ermittlung des Gewinns im Sinne des Absatzes 1 das Abwicklungs-Endvermögen dem Abwicklungs-Anfangsvermögen gegenüberzustellen, wobei das Abwicklungs-Endvermögen das zur Verteilung kommende Vermögen ist, vermindert um die steuerfreien Vermögensmehrungen, die dem Steuerpflichtigen in dem Abwicklungszeitraum zugeflossen sind.

Da der Gesetzgeber die Abwicklung innerhalb von drei Jahren als Regelfall angesehen hat8, ist der restliche Normtext sprachlich auf diesen Regelfall ausgerichtet. Der Normtext kann jedoch ohne Mühe entsprechend auf die Ausnahmeregelung des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG angewandt werden9. Durch die Abs. 2 und 3 wird lediglich festgelegt, dass der gesamte Abwicklungsgewinn unter Aufdeckung der stillen Reserven der Besteuerung zugrunde gelegt wird, nicht jedoch, ob der gesamte Abwicklungsgewinn auf mehrere Besteuerungszeiträume aufgeteilt werden darf oder letztlich ein einheitlicher Endbesteuerungszeitraum zu bilden ist.

Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG ist es, den Steueranspruch zu sichern. Die Regelung dient namentlich der Vermeidung von Schwierigkeiten, die sich bei einer streng auf den gesamten Abwicklungszeitraum abstellenden Besteuerung daraus ergeben könnten, dass die Liquidation lange andauert oder nur zum Schein durchgeführt wird10.

Diesem Ziel wird nur dann genügend Rechnung getragen, wenn § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG dahingehend ausgelegt wird, dass die durchgeführten Zwischenveranlagungen endgültig sind.

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Es gibt Liquidationen, die sich, wie die vorliegende, über einen Zeitraum von über zehn Jahren erstrecken. Dabei können zum Teil mehrere Steuersatzänderungen durchlaufen werden. Bliebe der angewandte Steuersatz vorläufig, so könnte sich noch nach Jahrzehnten eine erhebliche Differenz zwischen verbuchten Einnahmen und der tatsächlichen Steuerschuld ergeben. In diesem Fall entsprächen die Zwischenveranlagungen ihrer Funktion nach bloßen Vorauszahlungsbescheiden. Eine derart lange steuerliche Ungewissheit ist mit den Grundsätzen der Rechts- und Planungssicherheit sowohl für den staatlichen Haushalt als auch für den Steuerpflichtigen unvereinbar, je nachdem, zu wessen Gunsten oder Lasten sich der Steuersatz ändert. Auch ergäben sich im Falle von Scheinliquidationen erhebliche Missbrauchsmöglichkeiten. So könnte die endgültige Liquidation so lange hinausgezögert werden, bis der erwünschte Steuersatz zum Tragen käme, um so den bereits realisierten Gewinn in vergangenen Besteuerungszeiträumen einem günstigeren Steuersatz zu unterziehen. Dies stünde zudem mit dem allgemeinen Gleichheitsrecht nach Art. 3 Abs. 1 GG in Konflikt, da die in ein und demselben Besteuerungszeitraum realisierten Gewinne ungleich besteuert würden, nur weil die eine Liquidation länger andauert als die andere.

Dem kann auch nicht entgegnet werden, dass die Finanzbehörden die Möglichkeit haben, Scheinliquidationen aufzudecken und entsprechend zu reagieren. Die Finanzbehörden sollen durch § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG gerade von der Last befreit werden, durch aufwendige Ermittlungen den Nachweis einer Scheinliquidation zu führen. Die Aufteilung des Abwicklungszeitraums in mehrere nicht bloß vorläufige Besteuerungszeiträume minimiert den möglichen steuerlichen Schaden durch verzögerte oder nur scheinbar durchgeführte Liquidationen.

Im Urteil des FG des Landes Brandenburg und in Teilen der Literatur11 wird als Argument für die Vorläufigkeit der Zwischenveranlagungen vorgebracht, es drohe anderenfalls eventuell der endgültige Verlust der Verlustvortrags- bzw. –rücktragsmöglichkeiten. Bestünden mehrere endgültige Besteuerungszeiträume, sei nicht sichergestellt, dass alle in der Abwicklung entstehenden Verluste zur Verrechnung kämen, wohingegen bei einem einheitlichen, endgültigen Besteuerungszeitraum alle Gewinne und Verluste im Abwicklungszeitraum untereinander verrechnet werden könnten und der Restbetrag durch Verlustrücktrag geltend gemacht werden könnte, soweit möglich.

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Dem kann nicht gefolgt werden. Diese Problematik beschreibt lediglich jenes grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen dem Abschnittsprinzip und dem Leistungsfähigkeitsprinzip, das eigentlich eine abschnittsübergreifende Nettobesteuerung erfordern würde. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung wird von § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG zwar durchbrochen, die Durchbrechung ist jedoch nicht grenzenlos12 Zu beachten ist hierbei nach Ansicht des Finanzgerichts Köln auch Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1 Satz 2 KStG, der eingefügt wurde, nachdem dem Gesetzgeber die Probleme durch die Abkehr von der Abschnittsbesteuerung offenbar wurden. Es kann von dem Normalfall der Besteuerung spätestens nach drei Jahren nach Ermessen der Finanzbehörde nur deshalb abgewichen werden, um den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles auch durch eine weitere Ausdehnung des Besteuerungszeitraums Rechnung zu tragen. So beschreibt die Gesetzesbegründung13: „Die neue Vorschrift ist eine Sollvorschrift, um dem Finanzamt das Recht zu geben, die Gesellschaften spätestens nach Ablauf von drei Jahren zur Steuer heranzuziehen, andererseits aber die Möglichkeit zu schaffen, den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles auch durch eine weitere Ausdehnung des Besteuerungszeitraums Rechnung zu tragen.“

Soweit die Gefahr droht, dass Verluste nicht ausreichend vorgetragen werden könnten, ist dies allein der Vollbeendigung der Gesellschaft zuzurechnen. Könnte ein Verlust wegen der durch die Deckelung des Verlustabzugsbetrags gem. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG bewirkten zeitlichen Streckung des Verlustvortrags nicht ausreichend vorgetragen werden, so stünde allenfalls die Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung in Frage, nicht die der endgültigen Zwischenveranlagungen. Eine solche Deckelung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

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Droht die Gefahr, dass der Verlust nicht ausreichend zurückgetragen werden könnte, so ist dies allgemeiner Ausdruck der Abschnittsbesteuerung. Der besonderen Situation einer sich in Liquidation befindlichen Gesellschaft, nämlich dass ihr Zweck auf die Abwicklung und nicht mehr auf das laufende Geschäft gerichtet ist und Verlustvorträge somit absehbar zeitlich begrenzt sind, wird durch die Anwendung des bereits auf drei Jahre verlängerten Besteuerungszeitraums ausreichend Rechnung getragen. Dieser zulässigerweise pauschalierte Zeitraum kann zudem nach pflichtgemäßem Ermessen verlängert werden. Außerdem steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörden, ob sich an den ersten Besteuerungszeitraum ein weiterer Dreijahreszeitraum anschließt oder wieder jährlichen besteuert wird14. Dabei kann berücksichtigt werden, ob die Liquidation aus Gründen, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten hat, länger als drei Jahre dauert.

Ein Ermessensfehler bei der Wahl der Besteuerungszeiträume seitens des Finanzamtes ist nicht ersichtlich. Das Finanzamt hat sich vielmehr an den Jahresabschlüssen orientiert, die die GmbH jeweils für Dreijahreszeiträume erstellt hatte.

Finanzgericht Köln, Urteil vom 27. September 2012 – 10 K 2838/11

  1. RFH, Urteil vom 17.01.1939 I 418/38, RFHE 46, 47, RStBl 1939, 598[]
  2. BFH, Urteil vom 18.09.2007, I R 44/06, BFHE 219, 61[]
  3. so etwa FG Brandenburg, Urteil vom 23.01.2002 – 2 K 2272/98, EFG 2002, 432; Lenz in Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, 3 Aufl., § 11 Rn. 39; Lambrecht in Gosch, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., § 11 Rn. 34; Holland in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 11 Rn. 41; Schuhmann in Greif/Schuhmann, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz § 11 Rn. 33; Boochs in Lademann, KStG, § 11 Rn. 45; Micker in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 11 Rn. 37; Küster, DStR 06, 209; verneinend: R 51 Abs. 4 KStR; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, GewStG, UmwStG, § 11 Rn. 43; Graffe in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 11 Rn.19; Hofmeister in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 11 Rn. 40 und 81; Olgemöller in Streck, Körperschaftsteuergesetz, 7. Aufl., § 11 Rn. 8 zwar für nur vorläufige Zwischenveranlagungen, jedoch gegen die Anwendung des zum Zeitpunkt der letzten Veranlagung geltenden Steuersatzes für vorherige Zwischenveranlagungen[]
  4. BFH, Urteil vom 18.09.2007 – I R 44/06, BFHE 219, 61[]
  5. RFH, Urteil vom 05.03.1940 – I 44/40, RStBl. 40, 715[]
  6. Jünger, BB 2001, 69, 71[]
  7. so auch Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, GewStG, UmwStG, § 11 Rn. 23[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 18.09.2007 – I R 44/06, BFHE 219, 61 m.w.N.[]
  9. so etwa BFH, Urteil vom 14.12.1965 – I 246/62 U, BStBl. III 1966, 152, wonach im Rahmen einer Zwischenveranlagung das vorläufige Abwicklungsendvermögen herangezogen wurde, für welches anknüpfend an § 14 Abs. 4 KStG (§ 11 Abs. 4 KStG n.F.) die allgemeinen Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes maßgeblich waren[]
  10. vgl. BFH, Urteil vom 22.02.2006 – I R 67/05, BFHE 213, 301; siehe auch Gesetzesbegründung in RStBl. 1935, 85[]
  11. beispielhaft: Holland in Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, § 11 Rn. 42[]
  12. so auch Graffe in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 11 Rn.19[]
  13. RStBl.1935, 85[]
  14. FG Brandenburg, Urteil vom 23.01.2002 – 2 K 2272/98, EFG 2002, 432[]
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