Wird ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt worden, schließt § 16 Abs. 5 GrEStG den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung aus.
Ist nach § 17 Abs. 2, 3 GrEStG eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, ist der Erwerbsvorgang gegenüber dem dafür zuständigen Finanzamt anzuzeigen.
Der Erwerb der Anteile der anderen Gesellschafter an einer grundbesitzenden GmbH erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen1.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sind im Streitfall erfüllt. Durch Vertrag vom 08.07.2011 hat der Erwerber die restlichen, von ihm bis dahin noch nicht gehaltenen Anteile an der grundbesitzenden GmbH erworben. Ab diesem Zeitpunkt war er Alleingesellschafter. Die Besteuerungsgrundlagen waren nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gesondert festzustellen, weil die GmbH über Grundbesitz verfügt, der außerhalb des Zuständigkeitsbereiches ihres Sitzfinanzamts belegen ist.
Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG liegen dem Grunde nach vor.
Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Rückerwerb innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang stattfindet. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG betrifft über seinen Wortlaut hinaus auch Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG. Dies folgt aus § 16 Abs. 5 GrEStG, wonach § 16 Abs. 1 bis 4 GrEStG nicht gilt, wenn einer der in § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war. Diese Regelung setzt die grundsätzliche Anwendbarkeit der Begünstigungsvorschrift des § 16 GrEStG auch auf die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG voraus. Es genügt dabei, wenn durch einen Anteilsrückerwerb das von § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG vorausgesetzte Quantum von 95 % der Anteile der Gesellschaft unterschritten wird2.
Der nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang wurde im Streitfall rückgängig gemacht. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27.11.2012 hat der frühere Gesellschafter K seinen Anteil an der GmbH in Höhe von 9 % zurückerworben. Ab diesem Zeitpunkt war der Erwerber nicht mehr mit mindestens 95 % an der grundbesitzenden GmbH beteiligt.
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg3 steht der Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entgegen, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG).
Wird ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war er aber nicht ordnungsgemäß angezeigt (§§ 18, 19 GrEStG) worden, schließt § 16 Abs. 5 GrEStG i.d.F. des Jahres 2011 den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung aus. § 16 Abs. 5 GrEStG dient der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 GrEStG und wirkt dem Anreiz entgegen, durch Nichtanzeige einer Besteuerung der in dieser Vorschrift genannten Erwerbsvorgänge zu entgehen4. Insbesondere soll die Vorschrift den Beteiligten die Möglichkeit nehmen, einen dieser Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein solches Geschäft bekannt wird5.
Die Anzeigepflichten sind innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme vom anzeigepflichtigen Vorgang zu erfüllen (§ 18 Abs. 3, § 19 Abs. 3 GrEStG). Soweit eine Anzeigepflicht sowohl den Steuerschuldner nach § 18 GrEStG als auch den Notar nach § 19 GrEStG trifft, reicht es für § 16 Abs. 5 GrEStG aus, wenn einer der Anzeigeverpflichteten seiner Anzeigepflicht ordnungsgemäß nachkommt6.
Nach § 18 Abs. 5 GrEStG und § 19 Abs. 4 GrEStG sind die Anzeigen an das für die Besteuerung in den Fällen des § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu richten. Die Anzeige muss grundsätzlich an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts übermittelt werden oder sich zumindest nach ihrem Inhalt eindeutig an die Grunderwerbsteuerstelle richten. Dazu ist erforderlich, dass die Anzeige als eine solche nach dem GrEStG gekennzeichnet ist und ihrem Inhalt nach ohne weitere Sachprüfung -insbesondere ohne dass es insoweit einer näheren Aufklärung über den Anlass der Anzeige und ihre grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz bedürfte- an die Grunderwerbsteuerstelle weiterzuleiten ist7.
Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden die Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieser Finanzämter liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieser Finanzämter liegenden Grundstücks betroffen wird.
Die für die Grunderwerbsteuer maßgebende Zuständigkeit eines Finanzamts für die Steuerfestsetzung oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung und den darauf beruhenden (landesgesetzlichen) Zuständigkeitsverordnungen8. Bei diesen Verordnungen handelt es sich um nichtrevisibles Landesrecht9.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen steht im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall § 16 Abs. 5 GrEStG der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entgegen: Weder der Erwerber noch der Notar haben dem für die gesonderte Feststellung zuständigen Finanzamt die Anteilsvereinigung rechtzeitig angezeigt. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG war das Finanzamt für die gesonderte Feststellung zuständig, denn in dessen für die Verwaltung der Grunderwerbsteuer maßgeblichem Zuständigkeitsbereich lag im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung die Geschäftsleitung der Gesellschaft. An die entsprechende Auslegung der Verordnung des Landes Brandenburg durch das Finanzgericht ist der Bundesfinanzhof gebunden. Die Anzeige gegenüber den Finanzämtern, in deren Bezirk die Grundstücke belegen sind, reichte zur Erfüllung der Anzeigepflicht nicht aus, denn diese waren nicht für die gesonderte Feststellung zuständig. §§ 18 und 19 GrEStG verlangen ausdrücklich eine Anzeige gegenüber dem zuständigen Finanzamt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. Mai 2019 – II R 24/16
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 20.01.2015 – II R 8/13, BFHE 248, 252, BStBl II 2015, 553, Rz 19, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteile vom 11.06.2013 – II R 52/12, BFHE 241, 419, BStBl II 2013, 752, sowie vom 20.02.2019 – II R 27/16, BFHE 264, 352, Rz 34, 35[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.05.2016 – 12 K 15028/14[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 17.05.2017 – II R 35/15, BFHE 258, 95, BStBl II 2017, 966, Rz 42, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 258, 95, BStBl II 2017, 966, Rz 42[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 18.04.2012 – II R 51/11, BFHE 236, 569, BStBl II 2013, 830, Rz 24; und vom 03.03.2015 – II R 30/13, BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777, Rz 23[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 249, 212, BStBl II 2015, 777, Rz 25, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 23.05.2012 – II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579, Rz 16[↩]
- BFH, Urteil vom 19.04.2012 – III R 85/11, BFH/NV 2012, 1411, Rz 19[↩]