Außertariflich Angestellte – und der Anspruch auf eine den Tarifabstand wahrende Vergütung

Nach allgemeinem Begriffsverständnis zeichnen sich außertarifliche Angestellte dadurch aus, dass sie entweder kraft ihrer Tätigkeitsmerkmale oder ihrer Vergütungshöhe nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich einschlägiger Tarifverträge fallen. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien ein außertarifliches Arbeitsverhältnis, hat der außertarifliche Angestellte grundsätzlich einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine der Tarifentwicklung und ggf. einer tarifvertraglichen Abstandsklausel entsprechenden außertariflichen Vergütung.

Außertariflich Angestellte – und der Anspruch auf eine den Tarifabstand wahrende Vergütung

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestimmen in erster Linie die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien, ob der Status als außertariflicher Angestellter einen Anspruch auf eine Vergütung begründet, die einen Mindestabstand zum höchsten Tarifentgelt des einschlägigen Tarifvertrags wahrt1. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien ein außertarifliches Arbeitsverhältnis, hat der außertarifliche Angestellte grundsätzlich einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine der Tarifentwicklung und ggf. einer tarifvertraglichen Abstandsklausel entsprechenden außertariflichen Vergütung2. Dabei ist unerheblich, ob eine beiderseitige Tarifbindung besteht. Es genügt insoweit, dass das Arbeitsverhältnis an sich vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst wird. Nach allgemeinem Begriffsverständnis zeichnen sich außertarifliche Angestellte dadurch aus, dass sie entweder kraft ihrer Tätigkeitsmerkmale oder ihrer Vergütungshöhe nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich einschlägiger Tarifverträge fallen3.

Im hier entschiedenen Fall verneinte das Arbeitsgericht Hamburg jedoch einen entsprechenden Tarifabstand wahrenden Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers:

Das Arbeitsgericht vermag anhand des Vortrages der Parteien nicht auf eine Vereinbarung der Parteien über eine den Tarifabstand von 10 % wahrende Vergütung schließen. Eine individualvertragliche Vereinbarung hinsichtlich eines bestimmten Abstandsgebots haben die Parteien nicht vorgetragen.

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Eine kollektivrechtliche Regelung zu einem Abstandsgebot besteht ebenfalls nicht. Zwar ist vorliegend der Entgelttarifvertrag der Arbeitgeberin mit der Gewerkschaft IG BCE räumlich und fachlich einschlägig, wobei der Arbeitnehmer nicht vom persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages erfasst wird. Der Entgelttarifvertrag selbst sieht nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien jedoch keine Regelung vor, wonach ein bestimmter Mindestabstand zwischen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe und der niedrigsten AT-Entgeltgruppe besteht, auf deren Einhaltung sich die Arbeitsvertragsparteien im Rahmen des Abschlusses eines außertariflichen Arbeitsverhältnisses verständigt haben könnten.

Ein Abstandsgebot zwischen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe und der niedrigsten außertariflichen Entgeltgruppe im Umfang von 10 % folgt aus Sicht der Arbeitsgericht auch nicht aus der Regelung in § 3 Abs. 1 BV-AT. Der Wortlaut der Regelung beinhaltet keine Zusicherung eines bestimmten Mindestabstands zwischen der Vergütung im außertariflichen Bereich und dem höchsten Tariflohn (hier EG 16), sondern definiert den Bereich der außertariflichen Angestellten anhand der Anforderungen für die Zuordnung zu der jeweiligen Funktionsgruppe. Die Höhe der Vergütung der Funktionsgruppe oder deren Abstand zu anderen Funktionsgruppen wird von der Betriebsvereinbarung nicht unmittelbar geregelt. Ob sich aus dem der Funktionsgruppenzuordnung zugrundeliegenden Stellenbewertungssystem nach § 3 Abs. 2 BV-AT (sog. „Hay – System“) mittelbar ein Mindestabstand zum tariflichen Lohnbereich ergibt, haben die Parteien nicht vorgetragen.

Aufgrund des Fehlens einer anwendbaren Abstandsregelung besteht allenfalls ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine der Tarifentwicklung entsprechende Vergütung, nicht jedoch auf die Einhaltung eines bestimmten Tarifabstandes unter Berücksichtigung billigem Ermessens. Die Einstellung des Arbeitnehmers als außertariflicher Angestellter beinhaltet – bei Fehlen einer ausdrücklichen individualrechtlichen oder kollektivrechtlichen Abstandsregelung – nicht die Zusicherung einer Vergütung oberhalb der höchsten tariflichen Entgeltgruppe. Nach allgemeinem Begriffsverständnis zeichnen sich außertarifliche Angestellte dadurch aus, dass sie kraft ihrer Tätigkeitsmerkmale oder ihrer Vergütungshöhe nicht mehr unter den persönlichen Geltungsbereich des einschlägigen Tarifvertrages fallen3. Sofern der außertarifliche Bereich – wie vorliegend der Fall – nicht durch eine bestimmte Vergütungshöhe oberhalb der höchsten tariflichen Entgeltgruppe definiert wird, bestimmt sich der Kreis der außertariflichen Angestellten nach den Tätigkeitsmerkmalen. Sofern der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers Tätigkeitsmerkmale voraussetzt, die nicht dem Geltungsbereich des Entgelttarifvertrages der Arbeitgeberin unterliegen, kann allein aus diesem Umstand noch nicht auf eine vertragliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien im Sinne eines Mindestabstandes der Vergütung zur höchsten tariflichen Entgeltgruppe geschlossen werden. Ob vorliegend die Tätigkeitsmerkmale des Arbeitnehmers eine Vergütung oberhalb des Entgelttarifvertrages rechtfertigen, richtet sich in erster Linie nach der Eingruppierung unter Zugrundelegung der Betriebsvereinbarung BV-AT.

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Soweit dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf eine der Tarifentwicklung entsprechenden Vergütung zusteht, hat der Arbeitnehmer nicht dargelegt, inwieweit Tariflohnerhöhungen in der Vergangenheit auf den Bereich der außertariflichen Angestellten unter Berücksichtigung des Grundgehaltes und der weiteren Entgeltbestandteile des Arbeitnehmers nicht übertragen worden sind.

Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 14. August 2019 – 16 Ca 36/19

  1. vgl. BAG vom 25.04.2018 – 5 AZR 84/17, NZA-RR 2018, 556[]
  2. BAG vom 19.05.2009 – 9 AZR 505/08, NJOZ 2010, 458[]
  3. vgl. BAG vom 25.04.2018 – 5 AZR 84/17, a.a.O. Rn. 23[][]

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