Kuppelprodukte in der Tierkörperbeseitigung – und das Herstellerprivileg bei der Energiesteuer

Sogenannte Kuppelprodukte, die zwangsläufig mit der Herstellung von Energieerzeugnissen anfallen, ohne solche zu sein, bleiben bei der Ermittlung des Umfangs der Steuerbefreiung unberücksichtigt. Eine Tierkörperbeseitigungsanstalt, in der tierische Rohstoffe u.a. zu Tierfett verarbeitet werden, kann die Steuerbefreiung nach § 26 Abs. 1 EnergieStG nur insoweit in Anspruch nehmen, als die Verwendung des Tierfetts als Heizstoff der Herstellung von Energieerzeugnissen dient, nicht aber insoweit, als durch eine solche Verwendung andere Erzeugnisse hergestellt werden, die keine Energieerzeugnisse sind.

Kuppelprodukte in der Tierkörperbeseitigung – und das Herstellerprivileg bei der Energiesteuer

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 EnergieStG entsteht die Energiesteuer dadurch, dass Energieerzeugnisse i.S. des § 4 EnergieStG zum Ge- oder Verbrauch innerhalb des Steuerlagers entnommen werden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das von der Klägerin zur Dampferzeugung eingesetzte Tierfett ist eine Ware der Position 1518 der Kombinierten Nomenklatur und damit ein Energieerzeugnis nach § 1 Abs. 2 Nr. 1, § 4 Nr. 1 EnergieStG, das dazu bestimmt war, als Heizstoff verwendet zu werden, und tatsächlich als solcher verwendet worden ist.

Tierfette können jedoch gemäß § 26 Abs. 1 EnergieStG steuerfrei verwendet werden zur Aufrechterhaltung eines Herstellungsbetriebs i.S. des § 6 EnergieStG. Herstellungsbetriebe sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG Betriebe, in denen Energieerzeugnisse i.S. des § 4 EnergieStG hergestellt werden. Ein Herstellungsbetrieb liegt nur dann vor, wenn in den Anlagen Herstellungshandlungen vorgenommen werden1. Herstellungshandlungen sind das Gewinnen oder Bearbeiten und u.a. im Fall des § 4 Nr. 1 EnergieStG das Bestimmen der Waren zur Verwendung als Kraft- oder Heizstoff (§ 6 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG). Das Bestimmen setzt eine innere Willensbildung und eine nach außen erkennbare Manifestation dieses inneren Willens voraus2. Die verschiedenen Herstellungshandlungen stehen gleichberechtigt nebeneinander und müssen auf dem Betriebsgelände erfolgen (§ 26 Abs. 1 EnergieStG).

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Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hat die Klägerin das Tierfett zur Erzeugung von Prozessdampf verheizt und dieses damit zur Verwendung als Heizstoff bestimmt. Wann diese Entscheidung getroffen wurde -technisch vor der Erzeugung des Tierfetts aus den tierischen Nebenprodukten oder erst nachträglich- wurde nicht festgestellt. Hierauf kommt es auch nicht an. Maßgeblich ist allein, dass die Energieerzeugnisse zur Herstellung gedient haben. Es ist dabei von einer verwendungsbezogenen und nicht von einer anlagenbezogenen Begünstigung auszugehen3.

Der Klägerin steht jedoch keine Steuerfreiheit zu, soweit mit dem als Heizstoff verwendeten Tierfett Tiermehl hergestellt wurde.

Nach Art. 21 Abs. 3 Satz 3 EnergieStRL ist es den Mitgliedstaaten verwehrt, eine Steuerbegünstigung auch für solche Energieerzeugnisse zu gewähren, deren Verwendung nicht mit dem eigentlichen Herstellungsprozess zusammenhängt. Einer restriktiven Auslegung der Begünstigungsnorm folgt auch der Gerichtshof der Europäischen Union. Er hat in seinem Urteil Koppers Denmark vom 06.06.20184 klargestellt, dass der Verbrauch von Energieerzeugnissen innerhalb des Betriebsgeländes des Betriebs, der sie hergestellt hat, zum Zweck der Herstellung anderer Energieerzeugnisse nicht unter die in Art. 21 Abs. 3 EnergieStRL vorgesehene Ausnahme in Bezug auf den Steuerentstehungstatbestand fällt, wenn die im Rahmen der Haupttätigkeit dieses Betriebs hergestellten Energieerzeugnisse dazu bestimmt sind, für andere Zwecke als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet zu werden. Nicht ausreichend ist danach, dass überhaupt Energieerzeugnisse i.S. von Art. 2 Abs. 1 EnergieStRL hergestellt werden. Anderenfalls würde die fehlende Besteuerung dieser Erzeugnisse nicht durch die anschließende Besteuerung der hergestellten Energieerzeugnisse ausgeglichen, weil diese nicht zur Verwendung als Kraft- oder Heizstoff bestimmt sind5.

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Durch den Einsatz des Energieerzeugnisses muss vielmehr der Hauptzweck des Herstellungsbetriebs erfüllt werden, d.h. der Verbrauch muss die Herstellung von Energieerzeugnissen zumindest fördern6.

Die Steuerbefreiung kann demnach nur für die Herstellung von Energieerzeugnissen in Anspruch genommen werden7. Anderenfalls könnte durch eine verhältnismäßig geringe Produktion von Energieerzeugnissen eine Steuerbegünstigung auch für die Herstellung anderer Produkte erlangt werden8. Zudem widerspräche eine weiter gehende Steuerbefreiung dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) weil andere Herstellungsbetriebe ohne Herstellung verbrauchsteuerpflichtiger Energieerzeugnisse ohne rechtfertigenden Grund nicht begünstigt wären.

An diesen Grundsätzen hält der Bundesfinanzhof fest.

Davon ausgehend kann die Klägerin das Herstellerprivileg nach § 26 Abs. 1 EnergieStG nicht in Anspruch nehmen, soweit sie Tierfett zur Erzeugung von Tiermehl eingesetzt hat. Denn bei diesem handelt es sich nicht um ein Energieerzeugnis i.S. von § 4 i.V.m. § 1 Abs. 2 EnergieStG.

Etwas anderes ergibt sich nicht deshalb, weil es sich bei dem von der Klägerin hergestellten Tiermehl um ein „Kuppelprodukt“ handeln soll. Unter Kuppelprodukte versteht die Klägerin Produkte, die technisch nicht unabhängig voneinander produziert werden können, mithin zwangsläufig bei der Herstellung von Energieerzeugnissen (im Streitfall Tierfett) anfallen.

Nach der Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf in der Vorinstanz sollen solche „Kuppelprodukte“ nur dann vom Herstellerprivileg erfasst werden -und nicht anteilig zu einer Kürzung der Steuerfreiheit führen-, wenn sie Abfall darstellen, wovon das Finanzgericht ausgeht, wenn sie nicht, auch nicht zu einem geringen Preis, verkauft werden können. Erzielt das Unternehmen dagegen ein (auch geringes) Entgelt, soll eine Quotelung erfolgen9.

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Weder der Begriff des „Kuppelproduktes“ noch die vom Finanzgericht zur Abgrenzung gestellte Frage, ob das „Kuppelprodukt“ verkauft werden kann, finden in der EnergieStRL oder im EnergieStG eine Stütze. Das Gesetz stellt wie oben dargestellt allein auf die Aufrechterhaltung des (Herstellungs-)Betriebs ab.

§ 26 Abs. 1 EnergieStG ist unter Berücksichtigung der EnergieStRL auszulegen. Nach Art. 21 Abs. 3 Satz 3 EnergieStRL gilt es als einen Steueranspruch begründender Steuerentstehungstatbestand, wenn der Verbrauch zu Zwecken erfolgt, die nicht mit der Herstellung von Energieerzeugnissen im Zusammenhang stehen, und zwar insbesondere zum Antrieb von Fahrzeugen. Dabei versteht der EuGH -wie bereits dargelegt- unter Energieerzeugnissen nur solche, die von der EnergieStRL erfasst, mithin als Heiz- oder Kraftstoff bestimmt oder verwendet werden (Art. 2 Abs. 1 und Abs. 3 EnergieStRL) und die nicht aus dem Anwendungsbereich ausgenommen sind (Art. 2 Abs. 4 EnergieStRL). Der EuGH weist in der zitierten Entscheidung darüber hinaus darauf hin, dass eine andere Auslegung zu einer Lücke in den Besteuerungsregeln führen würde10. Wenn das für Energieerzeugnisse gilt, die nicht als Heiz- oder Kraftstoff verwendet werden, muss es erst recht für andere Produkte gelten, auch wenn diese zwangsläufig bei der Produktion entstehen. Maßgebend ist allein, in welchem (anteiligen) Umfang Energieerzeugnisse hergestellt werden.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. März 2019 – VII R 13/18

  1. Jatzke in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Kommentar zum Energiesteuerrecht, § 6 EnergieStG Rz 11[]
  2. Jatzke in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, a.a.O., § 6 EnergieStG Rz 33[]
  3. BFH, Urteil vom 29.10.2013 – VII R 26/12, BFHE 242, 454, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern -ZfZ- 2014, 50; zustimmend Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG/StromStG, § 26 EnergieStG Rz 9; Bender in Friedrich/Soyk, Energiesteuern Kommentar, § 26 EnergieStG Rz 55; Pohl, eKomm Ab 01.01.2016, § 26 EnergieStG, Rz 9[]
  4. EuGH, Urteil Koppers Denmark vom 06.06.2018 – C-49/17, EU:C:2018:395, ZfZ 2018, 182[]
  5. EuGH, Urteil Koppers Denmark, EU:C:2018:395, Rz 30, ZfZ 2018, 182[]
  6. BFH, Urteil in BFHE 242, 454, ZfZ 2014, 50, m.w.N.[]
  7. BFH, Urteil in BFHE 242, 454, ZfZ 2014, 50, Rz 11[]
  8. BFH, Urteil in BFHE 242, 454, ZfZ 2014, 50[]
  9. FG Düsseldorf, Urteil vom 07.02.2018 – 4 K 1172/17 VE[]
  10. EuGH, Urteil Koppers Denmark, EU:C:2018:395, Rz 29, ZfZ 2018, 182[]
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