Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge

Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge (hier: § 10a des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes -KAG RP) sind verfassungsrechtlich zulässig. Werden Beiträge erhoben, verlangt der Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des konkret-zurechenbaren Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Die Bildung einer einheitlichen Abrechnungseinheit für Straßenausbaubeiträge ist zulässig, wenn mit den Verkehrsanlagen ein konkret-individuell zurechenbarer Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist.

Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge

Auf dieser Grundlage befand jetzt das Bundesverfassungsgericht die maßgebliche Vorschrift des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes als bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Zur Prüfung der Frage, ob die angegriffenen Beitragssatzungen den jetzt geklärten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden, hat das Bundesverfassungsgericht die Verfahren, die den beiden von ihm entschiedenen Verfassungsbeschwerden zugrunde lagen, an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen.

Die Gesetzeslage in Rheinland-Pfalz[↑]

Das rheinland-pfälzische Kommunalabgabengesetz ermächtigt die Gemeinden zur Erhebung einmaliger oder wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen. § 10 KAG RP regelt die Erhebung einmaliger Beiträge für Verkehrsanlagen, die Erhebung wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen ist in § 10a KAG RP geregelt.

Bereits das Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz vom 05.05.19861 hatte die Möglichkeit vorgesehen, wiederkehrende Beiträge für Verkehrsanlagen zu erheben. § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG RP in der Fassung des Kommunalabgabengesetzes vom 20.06.19952 ermächtigte für einmalige Beiträge die Gemeinden dazu, durch Satzung zu bestimmen, dass ihr gesamtes Gebiet oder einzelne Gebietsteile eine Abrechnungseinheit darstellen, sofern die Verkehrsanlagen des gesamten Gebietes oder einzelner Gebietsteile der Gemeinde in einem räumlichen und funktionalen Zusammenhang stehen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz erachtete die Bildung von Abrechnungseinheiten auch bei Erhebung wiederkehrender Beiträge nur unter der Voraussetzung für verfassungsrechtlich zulässig, dass die Verkehrsanlagen im jeweiligen Bereich in einem „räumlichen und funktionalen Zusammenhang“ stünden3.

Den erforderlichen „funktionalen Zusammenhang“ sah das Oberverwaltungsgericht nur bei einem System von Verkehrsanlagen als gegeben an, die untereinander derart in Beziehung stünden, dass sie in ihrer Gesamtheit für die Nutzung der in dem System liegenden Grundstücke und Betriebe einen greifbaren beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten. Dies setze ein System von Verkehrsanlagen voraus, das für sich genommen die Zufahrt zu dem übrigen Straßennetz biete. Ein solches System bestehe aus Verkehrsanlagen, die durch Straßen mit stärkerer Verkehrsbedeutung zu einer Einheit zusammengefasst würden. Diese Straßen könnten beispielsweise als Ring um ein Netz von Verkehrsanlagen herum oder durch ein solches Netz hindurchführen4.

Aus „Gründen der Vorteilsgerechtigkeit“ sei zwingende Voraussetzung für den funktionalen Zusammenhang, dass sämtliche Grundstücke innerhalb des Abrechnungsgebietes auf dieselbe Straße oder dieselben Straßen mit stärkerer Verkehrsbedeutung angewiesen seien, um in die verschiedenen Richtungen Anschluss an das übrige Straßennetz zu finden. Nur diejenigen Grundstücke hätten einen beitragsrechtlichen Vorteil von der Straße mit stärkerer Verkehrsbedeutung, die in die sie erschließenden Straßen unmittelbar oder mittelbar einmündeten5. Einem weiteren Urteil des Oberverwaltungsgerichts zufolge lag der von § 10 Abs. 2 Satz 2 KAG RP geforderte funktionale Zusammenhang der Verkehrsanlagen in einer Abrechnungseinheit nur dann vor, wenn sämtliche Grundstücke innerhalb der Abrechnungseinheit in jeder Richtung auf dieselbe Straße mit stärkerer Verkehrsbedeutung angewiesen waren, um Anschluss an das übrige Verkehrsnetz zu finden. Diese Straße mit Bündelungsfunktion müsse innerhalb der Abrechnungseinheit liegen und zum Anbau bestimmt sein6.

Der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber änderte mit dem Zweiten Landesgesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 12.12 20067 § 10 KAG RP und fügte § 10a KAG RP in das Kommunalabgabengesetz ein. Damit beabsichtigte er ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine „konzeptionelle Fortentwicklung und Neubestimmung des Beitragsrechts für Verkehrsanlagen (…), die sich vom bisher geltenden Anlagenbegriff weitgehend löst und damit zentrale Streitfragen normativ verbindlich klarstellt.“8

Die von der Rechtsprechung bei der Bildung von Abrechnungseinheiten gestellten Anforderungen an den räumlichen und funktionalen Zusammenhang hätten in ihren praktischen Konsequenzen zu erheblichen Restriktionen kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten geführt. Es sei eine Situation der Rechtsunsicherheit eingetreten8. Ziel der Neuregelung sei die „Stärkung weitgehend ‚gerichtsfester‘ normgeberischer Gestaltungsmöglichkeiten“. Abweichend von der bisherigen Gesetzeslage könne künftig bestimmt werden, dass das gesamte öffentliche Verkehrsnetz der Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilde. Soweit dies in Ansehung besonderer örtlicher Verhältnisse ausnahmsweise erforderlich sei, könne Entsprechendes auch für Verkehrsanlagen lediglich einzelner Gebietsteile der Gemeinde bestimmt werden. In beiden Fällen unterlägen der Beitragspflicht alle Grundstücke, die durch das eine Einheit bildende Verkehrsnetz „erschlossen“ seien. Die Begründung des Gesetzentwurfs betont, dass die Beitragspflicht „darüber hinaus (…) von Gesetzes wegen an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft“ sei9.

Kern der Neuregelung sei die den Gemeinden eingeräumte Befugnis, durch Satzung zu bestimmen, dass das gesamte öffentliche Verkehrsnetz des Gemeindegebiets, also sämtliche zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen, eine eigenständige öffentliche Einrichtung bilde. Diese sei nicht lediglich als Abrechnungseinheit zu verstehen, deren Bedeutung sich in einem abrechnungstechnischen Verbund erschöpfe, sondern als „qualitativ selbständige Gemeindeeinrichtung“. Zusätzlich eröffne der Gesetzentwurf die Möglichkeit, statt für das gesamte Gemeindegebiet für Verkehrsanlagen einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile zu bestimmen, dass nur diese eine einheitliche öffentliche Einrichtung bildeten. Besondere örtliche Gegebenheiten, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, nur abgrenzbare Gebietsteile als einheitliche öffentliche Einrichtung zu behandeln, lägen etwa bei abgelegenen oder in ihrem Ausdehnungsbereich feststehenden Stadt- oder Ortsteilen vor, für im Außenbereich gelegene Verkehrsanlagen oder bei sich aufdrängender Orientierung an anderen Grenzlinien10. Auf das Erfordernis eines räumlichen und funktionalen Zusammenhangs verzichtete der Landesgesetzgeber für wiederkehrende Beiträge ausdrücklich und verwies auf die unmittelbare demokratische Legitimation der kommunalen Gebietskörperschaften. Daher könne sich der parlamentarische Gesetzgeber „von Verfassungs wegen eine weniger intensive Regelungsdichte , leisten‘“11.

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Nach der Begründung des Gesetzentwurfs besteht der Vorteil, der durch den wiederkehrenden Beitrag abgegolten werden soll, „in der durch die Verkehrsanlage vermittelten Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu dem die öffentliche Einrichtung bildenden Gesamtverkehrssystem. Anders als bei einmaligen Beiträgen liegt der rechtlich relevante Vorteil, an den angeknüpft wird, nicht in der konkret bestehenden Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einer einzelnen Verkehrsanlage, sondern in der Aufrechterhaltung oder Verbesserung des Gesamtverkehrssystems als solchem, zu welchem die Zufahrts- und Zugangsmöglichkeit besteht.“11

Die Erhebung wiederkehrender Beiträge sei verfassungsrechtlich durch den besonderen Vorteil gerechtfertigt, der den beitragspflichtigen Grundstücken dadurch vermittelt werde, „dass sie durch die einzelnen Verkehrsanlagen gleichsam „erschlossen“ sind und insoweit auch an dem überörtlichen Verkehrsnetz partizipieren können. Auf die Notwendigkeit einer diesen Zugang erst vermittelnden Infrastruktur, wie sie mit den überkommenen Kategorien des räumlichen und funktionalen Zusammenhangs erforderlich gewesen waren, kann verzichtet werden. Denn in der Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung dieses Straßensystems durch Ausbaumaßnahmen an den einzelnen Verkehrsanlagen liegt der verfassungsrechtlich erforderliche, aber auch ausreichende Sondervorteil, der durch den wiederkehrenden Beitrag abgegolten wird. Folgerichtig unterfallen auch all jene Grundstücke der Beitragspflicht, die zu der eine Einheit bildenden Einrichtung gehören und an sie angebunden sind. Beitragspflichtig sind daher alle Grundstücke, welche die rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einer der Verkehrsanlagen dieser Einrichtung haben.“12

Die Beitragsschuldner zögen aus dem „Vorhalten aller öffentlichen Verkehrsanlagen abstrakte Vorteile, indem ihnen die eine Einheit bildende Einrichtung zur gebrauchswertsteigernden Benutzbarkeit zur Verfügung gestellt“ werde11. Dem Umstand, dass das Straßensystem nicht nur den beitragspflichtigen Grundstücken, sondern auch dem sogenannten Durchgangsverkehr diene, also nicht nur den betreffenden Grundstücken, sondern auch der Allgemeinheit Vorteile vermittele, werde durch den Gemeindeanteil Rechnung getragen, der jenen Vorteil widerspiegele, den die Allgemeinheit im Verhältnis zur Gesamtheit der anliegenden Grundstücke durch den Ausbau der die öffentliche Einrichtung bildenden Verkehrsanlagen habe11.

Die Ausgangsverfahren[↑]

Die Beschwerdeführerinnen der beiden hier vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfassungsbeschwerden wurden auf der Grundlage kommunaler Satzungen zu wiederkehrenden Beiträgen für Verkehrsanlagen herangezogen. Dem ersten Verfahren13 liegt ein Bescheid der Stadt Saarburg für das Jahr 2007 in Höhe von 146, 30 € zu Grunde, dem zweiten Verfahren14 ein Bescheid der Stadt Schifferstadt für das Jahr 2006 in Höhe von 27, 36 €. Die hiergegen gerichteten Klagen blieben vor den Verwaltungsgerichten Trier15 und Neustadt an der Weinstraße16 sowie dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz17 im Wesentlichen ohne Erfolg.

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz lehnte in beiden Fällen die Anträge auf Zulassung der Berufung gegen die verwaltungsgerichtlichen Urteile ab. Mit ihrer Antragsbegründung verkenne die Anliegerin, dass der Gesetzgeber § 10a KAG RP einen neuen Anlagen- und Vorteilsbegriff zugrunde gelegt habe, der vom bisherigen wesentlich abweiche und nicht mehr vom Vorliegen eines räumlichen und funktionalen Zusammenhangs der Verkehrsanlagen abhängig sei. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts bestünden weder kompetenzrechtlich noch aus Gründen der Abgabengerechtigkeit durchschlagende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung. Anders als eine Steuer, die den Abgabenpflichtigen unabhängig von einem bestimmten Zweck zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben auferlegt werde, diene der wiederkehrende Beitrag nach § 10a KAG RP der Deckung tatsächlich angefallener Kosten für den Straßenausbau als Gegenleistung für die dadurch entstehenden Sondervorteile18.

Während beim einmaligen Beitrag die unmittelbare Zugangs- beziehungsweise Zufahrtsmöglichkeit zu der ausgebauten Verkehrsanlage (§ 10 Abs. 5 KAG RP) für den Eigentümer eines qualifiziert nutzbaren Grundstücks den Sondervorteil darstelle, rechtfertige sich die Erhebung des wiederkehrenden Beitrags durch die Anbindung an die öffentliche Einrichtung, die von allen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen gebildet werde. Der mit der Bildung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung verbundene Sondervorteil komme auch in der grundsätzlichen Verpflichtung der Gemeinde zum Ausdruck, diese Einrichtung funktionsfähig zu halten. Dementsprechend dürfe der Blick nicht – wie bisher – allein auf die auszubauende Straße, sondern müsse gleichzeitig auf die Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung des Gesamtstraßensystems gerichtet werden19.

§ 10a KAG RP verstoße nicht gegen die durch Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen. Die Beschränkung der Beitragspflicht auf Eigentümer und andere dinglich Nutzungsberechtigte qualifiziert nutzbarer Grundstücke finde ihre Rechtfertigung in dem Sondervorteil, den diese Berechtigten im Vergleich zu Eigentümern von Außenbereichsgrundstücken und sonstigen Straßenbenutzern durch den Straßenausbau hätten. Denn mit dem Ausbaubeitrag werde nicht die schlichte Straßenbenutzungsmöglichkeit entgolten, sondern die einem Grundstück mit Baulandqualität zugutekommende Erhaltung der wegemäßigen Erschließung, das heißt die Anbindung an das inner- und überörtliche Verkehrsnetz. Durch den Straßenausbau werde die Zugänglichkeit des Grundstücks gesichert und damit der Fortbestand der qualifizierten Nutzbarkeit20.

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Der für die Beitragserhebung unerlässliche Sondervorteil sei entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zu 2)) nicht von einer Verkehrswertsteigerung des veranlagten Grundstücks abhängig. Die Benutzung anderer Straßen als derjenigen, an der das Grundstück eines zum wiederkehrenden Beitrag herangezogenen Eigentümers liege, sei auch nicht „rein hypothetisch“.

Die Beschwerdeführerinnen wenden sich mittelbar auch gegen die Rechtsgrundlage der Beitragssatzungen in § 10a des rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetzes (KAG RP).

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[↑]

Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts teilweise begründet. Sie sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Möglichkeit der Auferlegung wiederkehrender Beiträge für Verkehrsanlagen wenden. § 10a KAG RP verstößt in verfassungskonformer Auslegung weder gegen Freiheitsrechte der Beschwerdeführerinnen in Verbindung mit der Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung noch gegen den aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Grundsatz der Belastungsgleichheit. Begründet sind die Verfassungsbeschwerden dagegen insoweit, als sie sich gegen die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen wenden, da deren Auslegung und Anwendung des § 10a KAG RP den Anforderungen des Grundsatzes der Belastungsgleichheit nicht in vollem Umfang gerecht werden.

Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge und die Finanzverfassung[↑]

Freiheitsrechte der Beschwerdeführerinnen werden durch die gesetzliche Auferlegung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge nicht verletzt.

Als Auferlegung einer Geldleistungspflicht stellt die Erhebung wiederkehrender Beiträge einen Eingriff in die persönliche Freiheitsentfaltung im vermögensrechtlichen Bereich dar21.

Der wiederkehrende Beitrag beruht auf einer gesetzlichen Grundlage, welche die Kompetenzordnung des Grundgesetzes wahrt. Er ist als nichtsteuerliche Abgabe mit Gegenleistungscharakter gerechtfertigt, die den Anforderungen genügt, welche die Schutz- und Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung an solche Abgaben stellt, und für die das Land mangels Bundeskompetenz zur Gesetzgebung befugt war.

Wiederkehrende Beiträge nach § 10a KAG RP sind keine Steuern, sondern nichtsteuerliche Abgaben.

Maßgeblich für die Qualifizierung einer Abgabe als Steuer oder nichtsteuerliche Abgabe ist die Ausgestaltung des betreffenden Gesetzes22. Die Einordnung der Abgabe richtet sich nicht nach ihrer gesetzlichen Bezeichnung, sondern nach ihrem tatbestandlich bestimmten, materiellen Gehalt23.

Steuern sind öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast24 ohne individuelle Gegenleistung („voraussetzungslos“) zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden25.

Erweist sich eine Abgabe wegen ihres Gegenleistungscharakters als nichtsteuerliche Abgabe, stehen die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes ihrer Erhebung nicht entgegen26. Das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabetypen27. Abgaben, die einen Sondervorteil ausgleichen sollen, sind als Vorzugslasten zulässig. Darunter fallen Gebühren und Beiträge28.

Es gibt zwar keinen eigenständigen vollständigen verfassungsrechtlichen Beitrags- oder Gebührenbegriff29; diese Vorzugslasten weisen jedoch Merkmale auf, die sie verfassungsrechtlich notwendig von der Steuer unterscheiden. Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken30. Das gilt entsprechend für Beiträge, die im Unterschied zu Gebühren schon für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Leistung erhoben werden31. Durch Beiträge sollen die Interessenten an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligt werden, von der sie potentiell einen Nutzen haben32. Der Gedanke der Gegenleistung, also des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten, ist der den Beitrag im abgabenrechtlichen Sinn legitimierende Gesichtspunkt33. Während bei den Zwecksteuern die Ausgaben- und die Einnahmenseite voneinander abgekoppelt sind, werden bei den nichtsteuerlichen Abgaben in Form von Beiträgen die Rechtfertigung und die Höhe der Abgabe gerade durch den öffentlichen Aufwand vorgegeben34.

Der Straßenausbaubeitrag gemäß § 10a KAG RP ist danach keine Steuer, sondern eine nichtsteuerliche Abgabe35. Die Abgabe für Verkehrsanlagen wird nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben erhoben, sondern speziell zur Finanzierung des Straßenausbaus, also für einen besonderen Finanzbedarf36. Dieser Zusammenhang ist in der gesetzlichen Regelung des Abgabentatbestandes hinreichend verankert. § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG RP ermächtigt ausdrücklich zur Erhebung vorteilsbezogener Beiträge und gestaltet die Abgabenerhebung gegenleistungsbezogen aus, indem die jeweils auferlegte Abgabe vom Gesetzgeber dem Grunde und der Höhe nach mit dem Anfall der Kosten konkreter Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen für die Erledigung der Aufgabe des Straßenausbaus tatbestandlich verknüpft ist.

Für öffentlich-rechtliche Abgaben, die keine Steuern sind (nichtsteuerliche Abgaben), richtet sich die Gesetzgebungskompetenz nach den allgemeinen Regeln über die Sachgesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff. GG)37. Für das Straßenausbaubeitragsrecht steht den Ländern nach den allgemeinen Regeln die erforderliche Sachgesetzgebungskompetenz zu (Art. 30, 70 ff. GG; vgl. BVerfGE 4, 7, 13; 110, 370, 384; stRspr). Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG ist der Bund auf den Erlass von Vorschriften für den Bau und die Unterhaltung der Landstraßen des Fernverkehrs beschränkt. Im Übrigen liegt die Gesetzgebungsbefugnis für die Materie „Straßenbau“ bei den Ländern38.

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Der Grundsatz der Belastungsgleichheit[↑]

Die Heranziehung zu wiederkehrenden Beiträgen nach Maßgabe des § 10a KAG RP verstößt bei verfassungskonformer Auslegung nicht gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln39. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen40. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht alle Differenzierungen. Diese bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen41.

Aus dem Gleichheitssatz folgt für das Steuer- und Abgabenrecht der Grundsatz der Belastungsgleichheit42.

Bei der Auswahl des Abgabengegenstands sowie bei der Bestimmung von Beitragsmaßstäben und Abgabensatz hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Gestaltungsspielraum43. Wer eine nichtsteuerliche Abgabe schuldet, ist allerdings regelmäßig zugleich steuerpflichtig und wird insofern zur Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten herangezogen. Neben dieser steuerlichen Inanspruchnahme bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, zur Wahrung der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) einer über den Zweck der Einnahmeerzielung hinausgehenden besonderen sachlichen Rechtfertigung44. Als sachliche Gründe, die die Bemessung einer Gebühr oder eines Beitrags rechtfertigen können, sind neben dem Zweck der Kostendeckung auch Zwecke des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung sowie soziale Zwecke anerkannt45.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass Abgabengesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben abgabenrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und können dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Es ist auch ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, die Erhebung von Abgaben – insbesondere sofern sie auf der Grundlage von kommunalen Satzungen erfolgt – so auszugestalten, dass sie praktikabel bleibt, und sie von übermäßigen, mit Rechtsunsicherheit verbundenen Differenzierungsanforderungen zu entlasten. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Abgabepflichtigen darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen46. Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren47.

Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Erfolgt die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen grundstücksbezogen, können nach dem Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nur solche Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer aus der Möglichkeit, die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen, einen Sondervorteil schöpfen können, der sich von dem der Allgemeinheit der Straßennutzer unterscheidet.

Die Erhebung von Beiträgen erfordert hiernach hinreichende sachliche Gründe, welche eine individuelle Zurechnung des mit dem Beitrag belasteten Vorteils zum Kreis der Belasteten rechtfertigen. Wesentlich für den Begriff des Beitrags ist der Gedanke der angebotenen Gegenleistung, des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten: Wenn das Gemeinwesen in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe eine besondere Einrichtung zur Verfügung stellt, so sollen diejenigen, die daraus besonderen wirtschaftlichen Nutzen ziehen oder ziehen können, zu den Kosten ihrer Errichtung und Unterhaltung beitragen48. Die für die Kostentragungspflicht erforderliche individuelle Zurechenbarkeit lässt sich insbesondere aus der rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft oder -nähe und der damit verbundenen Möglichkeit herleiten, aus der Sache konkrete wirtschaftliche Vorteile oder Nutzen zu ziehen49. Das schließt allerdings nicht aus, dass eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern zu Beiträgen herangezogen wird, sofern ihnen jeweils ein Sondervorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann50.

Soweit die Beitragserhebung grundstücksbezogen erfolgt, muss auch der Sondervorteil grundstücksbezogen definiert werden51; er kann zum Beispiel in einer Erhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks durch die Belegenheit in einem verkehrsmäßig erschlossenen Gebiet oder in der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung oder Anlage bestehen, welche ihrerseits den Gebrauchswert des Grundstücks steigert. Eine Steigerung des Verkehrswertes ist nicht erforderlich52.

Weitergehende verpflichtende Anforderungen, wie zum Beispiel die Existenz eines „funktionalen Zusammenhangs“ zwischen Verkehrsanlagen und den mit einem Ausbaubeitrag belasteten Grundstücken sind verfassungsrechtlich nicht geboten. Allerdings darf sich aus Gründen der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) der Sondervorteil, dessen Inanspruchnahme durch die Erhebung eines Beitrags ausgeglichen werden soll, nicht in der Weise auflösen, dass Beitragspflichtige keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die nichtbeitragspflichtige Allgemeinheit. Damit bleibt Raum für eine Ausgestaltung der Beitragsverpflichtung durch den Gesetz- oder Satzungsgeber. Der danach eröffnete Spielraum ist erst dann überschritten, wenn kein konkreter Bezug zwischen dem gesetzlich definierten Vorteil und den Abgabepflichtigen mehr erkennbar ist53.

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Nach diesen Maßgaben verstößt die Heranziehung zu wiederkehrenden Beiträgen nach § 10a KAG RP in verfassungskonformer Auslegung nicht gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen. Der für die Beitragserhebung erforderliche Sondervorteil der Beitragspflichtigen liegt in der Möglichkeit des Zugangs von ihren Grundstücken zu den öffentlichen Verkehrsanlagen. Bei verfassungskonformer Auslegung von § 10a KAG RP und einer entsprechenden Umsetzung durch den jeweils zuständigen Satzungsgeber ist ein durch den Ausbau von Verkehrsanlagen bedingter Sondervorteil sämtlichen Abgabepflichtigen hinreichend individuell zurechenbar. Die Erhebung wiederkehrender Beiträge durch Satzung nach § 10a KAG RP führt bei verfassungskonformer Auslegung auch nicht zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, weil sämtliche Grundstücke innerhalb einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung abgabepflichtig wären, obwohl sie durch die Ausbaumaßnahmen wesentlich unterschiedlich begünstigt sind, sofern mit der Anlage ein Vorteil für das Grundstück, an das der Beitrag anknüpft, verbunden ist.

Der durch den Beitrag ausgeglichene Sondervorteil besteht nach dem Wortlaut des § 10a KAG RP und der Begründung des Gesetzentwurfs in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einer öffentlichen Verkehrsanlage, die Teil einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung ist. Dem steht die wiederkehrende Erhebung des Beitrags nicht entgegen54.

Der Gesetzgeber sieht den Sondervorteil in der Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu einem Gesamtsystem der Verkehrsanlagen, das nach Maßgabe der Satzung grundsätzlich auch aus sämtlichen zum Ausbau bestimmten Verkehrsanlagen einer Gemeinde bestehen kann und damit eine einheitliche öffentliche Einrichtung bildet. Bereits nach der Vorgängerregelung des § 10 Abs. 6 KAG RP aus dem Jahre 1995 war die „rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer in der Abrechnungseinheit gelegenen Verkehrsanlage“ der gesetzliche Anknüpfungspunkt für den Sondervorteil. Mit der Neuregelung wurde der Begriff der „Abrechnungseinheit“ durch den der „einheitlichen öffentlichen Einrichtung“ ersetzt. Während nach Auffassung des Landesgesetzgebers beim einmaligen Beitrag nach § 10 Abs. 5 KAG RP der Sondervorteil in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs „zu der hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage“ besteht, soll beim (wiederkehrenden) Beitrag nach § 10a KAG RP die Möglichkeit der Zufahrt oder des Zugangs zu „einer der Verkehrsanlagen“ – also nicht nur zu einer bestimmten, gerade hergestellten oder ausgebauten Verkehrsanlage – genügen. Die einheitliche öffentliche Einrichtung bilde in ihrer Gesamtheit das einheitliche Straßensystem, welches den durch die einzelnen Verkehrsanlagen „erschlossenen“, qualifiziert nutzbaren Grundstücken die erforderliche Anbindung an das gesamte übrige innerörtliche und damit zugleich auch überörtliche Straßennetz ermögliche. In der Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung dieses Straßensystems seitens der Gemeinde durch entsprechende Ausbaumaßnahmen an den einzelnen Verkehrsanlagen liege der verfassungsrechtlich erforderliche, aber auch ausreichende Sondervorteil, der durch den wiederkehrenden Beitrag abgegolten werde55.

Der beitragspflichtige Vorteil liegt danach in der Möglichkeit der besseren Erreichbarkeit der beitragspflichtigen Grundstücke und der besseren Nutzbarkeit des Gesamtverkehrssystems sowie dessen Aufrechterhaltung und Verbesserung als solchem; er ist geeignet, den Gebrauchswert der Grundstücke positiv zu beeinflussen. Damit bewegt sich der Landesgesetzgeber innerhalb der durch den Gleichheitssatz gezogenen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit, indem er den Vorteil des einzelnen Grundstücks mit Rücksicht auf die straßenausbaubedingte Steigerung und den Erhalt der Funktionsfähigkeit des Gesamtverkehrssystems einer vom Satzungsgeber festzulegenden Einheit bestimmt. Mit dem Ausbaubeitrag wird folglich nicht die schlichte – auch der Allgemeinheit zustehende – Straßenbenutzungsmöglichkeit entgolten, sondern die einem Grundstück mit Baulandqualität zugutekommende Erhaltung der wegemäßigen Erschließung als Anbindung an das inner- und überörtliche Verkehrsnetz. Durch den Straßenausbau wird die Zugänglichkeit des Grundstücks gesichert und damit der Fortbestand der qualifizierten Nutzbarkeit56. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass zur wegemäßigen Erschließung eines bestimmten Grundstücks allein die Straße, an der es gelegen ist, regelmäßig nicht ausreicht. Vielmehr wird der Anschluss an das übrige Straßennetz meist erst über mehrere Verkehrsanlagen vermittelt57. Zwischen welchen Verkehrsanlagen eine ausreichend enge „Vermittlungsbeziehung“ hinsichtlich des Anschlusses an das übrige Straßennetz besteht, ist dagegen keine Frage des Vorliegens eines Vorteils, sondern dessen individueller Zurechenbarkeit zu einem einzelnen Grundstück.

Der Vorteil ist bei Ausschöpfung der Möglichkeit zur Bildung einheitlicher öffentlicher Einrichtungen in abgrenzbaren Gebietsteilen der Gemeinden gemäß § 10a KAG RP individuell hinreichend zurechenbar.

§ 10a KAG RP eröffnet dem Satzungsgeber die Möglichkeit, einheitliche öffentliche Einrichtungen zu bilden, die nicht notwendig das gesamte Gemeindegebiet umfassen, sondern auch nur einzelne, abgrenzbare Gebietsteile. Dabei kann in der Satzung geregelt werden, dass sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde eine oder mehrere einheitliche öffentliche Einrichtungen bilden, für deren Ausbau vorteilsbezogene Beiträge von Grundstücken erhoben werden können, welche die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu diesen Verkehrsanlagen haben. Die Gemeinde hat dabei gemäß § 10a Abs. 1 Satz 3 KAG RP die örtlichen Gegebenheiten zu beachten. Wie aus der Pflicht zur weitergehenden Begründung für die Bestimmung von Verkehrsanlagen einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile als einheitliche öffentliche Einrichtung gemäß § 10a Abs. 1 Satz 4 KAG RP sowie aus der Gesetzesbegründung11 hervorgeht, sah der Gesetzgeber die Ausübung des Satzungsermessens dahingehend, dass sämtliche zum Anbau bestimmte Verkehrsanlagen einer Gemeinde eine einheitliche öffentliche Einrichtung bilden, als Regelfall an, was auch vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass es in Rheinland-Pfalz besonders viele kleinere Gemeinden gibt58.

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Die Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit im gesamten Gemeindegebiet durch Satzung ist dann gerechtfertigt, wenn mit den Verkehrsanlagen ein Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist. Besteht ein solcher Vorteil wie in Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet nicht, läge in der Heranziehung aller Grundstücke zur Beitragspflicht eine Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte.

Der Wortlaut des § 10a KAG RP steht einer solchen verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen, da § 10a Abs. 1 Satz 4 KAG RP dem Satzungsgeber ausdrücklich vorschreibt, die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. In Großstädten oder Gemeinden ohne zusammenhängendes Gebiet ist das eröffnete Satzungsermessen zur Bildung einer einzigen Verkehrsanlage im gesamten Gemeindegebiet insoweit von Verfassungs wegen auf Null reduziert, als nur so dem Gebot eines zurechenbaren Sondervorteils auch bei Berücksichtigung des Typisierungs- und Vereinfachungsspielraums des Satzungsgebers Rechnung getragen werden kann. In dieser Auslegung ist § 10a KAG RP mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Beitragserhebung in Einklang zu bringen.

Bei der Ausübung seines Gestaltungsermessens muss der Satzungsgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen einer Bestimmung der Verkehrsanlagen des gesamten Gemeindegebiets als einheitliche öffentliche Einrichtung in den Blick nehmen. Ein Beitrag für den Ausbau einer Straße als Teil einer öffentlichen Verkehrsanlage kommt nur für diejenigen Grundstücke in Betracht, die von der Verkehrsanlage einen jedenfalls potentiellen Gebrauchsvorteil haben, bei denen sich also der Vorteil der Möglichkeit der Nutzung der ausgebauten Straßen als Lagevorteil auf den Gebrauchswert des Grundstücks auswirkt. Nur in diesem Fall erscheint es nach dem Maßstab des Gleichheitssatzes gerechtfertigt, gerade den oder die Eigentümer dieses Grundstücks zu einem Beitrag für die Nutzung der ausgebauten Straße heranzuziehen.

Ob die herangezogenen Grundstücke einen konkret zurechenbaren Vorteil von dem Ausbau und der Erhaltung einer Verkehrsanlage haben, hängt dabei nicht von der politischen Zuordnung eines Gebiets, sondern vor allem von den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ab, etwa der Größe, der Existenz eines zusammenhängenden bebauten Gebiets, der Topographie wie der Lage von Bahnanlagen, Flüssen und größeren Straßen oder der typischen tatsächlichen Straßennutzung. Dabei dürfte in Großstädten die Aufteilung der Verkehrsanlagen in mehrere abgrenzbare Gebietsteile regelmäßig erforderlich und unbeschadet des ansonsten bestehenden Satzungsermessens die Annahme einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung ausgeschlossen sein; in kleinen Gemeinden – insbesondere solchen, die aus nur einem kleinen, zusammenhängend bebauten Ort bestehen – werden sich einheitliche öffentliche Einrichtung und Gemeindegebiet dagegen häufig decken. Ein „funktionaler Zusammenhang“, wie er früher vom Landesgesetzgeber und den Verwaltungsgerichten gefordert wurde, ist für die Bildung einer Abrechnungseinheit von Verkehrsanlagen durch den Gleichheitssatz jedoch nicht vorgegeben59. Aus verfassungsrechtlicher Sicht kommt es allein darauf an, dass eine hinreichende individuelle Zurechnung von Vorteil und Beitragspflicht hergestellt werden kann.

Die Gemeinden werden zudem bei der Bildung der Abrechnungseinheiten zu berücksichtigen haben, ob dabei Gebiete mit strukturell gravierend unterschiedlichem Straßenausbauaufwand zusammengeschlossen werden, falls dies zu einer auch bei großzügiger Pauschalierungsbefugnis mit Rücksicht auf das Gebot der Belastungsgleichheit nicht mehr zu rechtfertigenden Umverteilung von Ausbaulasten führen würde.

  1. GVBl S. 103[]
  2. GVBl S. 175[]
  3. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.03.2003 – 6 C 10580/02.OVG, NVwZ-RR 2003, S. 591, 592, „Pirmasens-Urteil“; vgl. bereits Urteil vom 08.10.1993 – 10 C 10237/93.OVG, AS RP-SL 24, S. 261, „Mainzer Urteil“ zu § 13 Abs. 2 KAG RP 1986[]
  4. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.10.1993 – 10 C 10237/93.OVG, AS RP-SL 24, S. 261, 265; Urteil vom 18.03.2003 – 6 C 10580/02.OVG, NVwZ-RR 2003, S. 591, 593[]
  5. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.03.2003 – 6 C 10580/02.OVG, NVwZ-RR 2003, S. 591, 594[]
  6. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.11.2003 – 6 A 10631/03.OVG „Saarburg-Urteil“[]
  7. GVBl S. 401[]
  8. LT-Drs. 15/318, S. 1, 6[][]
  9. LT-Drs. 15/318, S. 6[]
  10. LT-Drs. 15/318, S. 6 ff.[]
  11. LT-Drs. 15/318, S. 7[][][][][]
  12. LT-Drs. 15/318, S. 8[]
  13. BVerfG – 1 BvR 668/10[]
  14. BVerfG – 1 BvR 2104/10[]
  15. VG Trier, Urteil vom 13.08.2009 – 2 K 211.09.TR[]
  16. VG Neustadt, Urtei vom 18.11.2009 – 1 K 222/09.NW[]
  17. OVG RLP, Beschlüsse vom 26.01.2010 – 6 A 11036.09.OVG; und vom 14.06.2010 – 6 A 10082/10.OVG[]
  18. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.11.2007 – 6 C 10601/07.OVG, AS RP-SL 35, S.209, 213[]
  19. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.11.2007 – 6 C 10601/07.OVG, AS RP-SL 35, S.209, 217[]
  20. vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.11.2007 – 6 C 10601/07.OVG, AS RP-SL 35, S.209, 217 f.[]
  21. vgl. BVerfGE 87, 153, 169; 93, 121, 137; BVerfG, Beschluss vom 15.01.2014 – 1 BvR 1656/09 44[]
  22. vgl. BVerfGE 7, 244, 256; 49, 343, 352; 92, 91, 114; 123, 1, 17[]
  23. BVerfGE 108, 1, 13; 108, 186, 212; 110, 370, 384; 113, 128, 145 f.; 122, 316, 333; 124, 348, 364[]
  24. vgl. BVerfGE 110, 274, 294; 123, 132, 140[]
  25. vgl. BVerfGE 49, 343, 353; 110, 274, 294; 124, 235, 243; 124, 348, 364[]
  26. vgl. BVerfGE 124, 235, 244; 132, 334, 349, Rn. 47; BVerfG, Urteil vom 28.01.2014 – 2 BvR 1561/12 u.a., NVwZ 2014, S. 646, 650 f., Rn. 121 ff.; stRspr[]
  27. BVerfGE 113, 128, 146 f.; 122, 316, 333; 123, 132, 141[]
  28. vgl. BVerfGE 110, 370, 388 m.w.N.[]
  29. vgl. BVerfGE 50, 217, 225 f.[]
  30. vgl. BVerfGE 50, 217, 226; 92, 91, 115; 110, 370, 388; 132, 334, 349, Rn. 49 m.w.N.; stRspr[]
  31. vgl. BVerfGE 9, 291, 297 f.; 92, 91, 115; 110, 370, 388; 113, 128, 148 m.w.N.[]
  32. vgl. BVerfGE 38, 281, 311 m.w.N.[]
  33. BVerfGE 9, 291, 298[]
  34. vgl. BVerfGE 108, 186, 212; 110, 370, 384; 124, 348, 364; Birk/Eckhoff, in: Sacksofsky/Wieland, Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, 2000, S. 54, 57; P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 3. Aufl.2007, § 119 Rn. 64[]
  35. vgl. VG Koblenz, Beschluss vom 01.08.2011 – 4 K 1392/10.KO 147; Halter, Der wiederkehrende Straßenausbaubeitrag, 2006, S. 116 ff.; Beuscher, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 2307 ff., Stand September 2013; a.A. Kraft-Zörcher, ThürVBl 1999, S. 55, 58 f.; vgl. auch Driehaus, BVerfGtZ 2011, S. 21, 22; Brenner, Gesetzmäßigkeitsprinzip und Reformfrage im Straßenausbaubeitragsrecht, 2010, S. 83[]
  36. vgl. BVerfGE 110, 370, 384[]
  37. vgl. BVerfGE 4, 7, 13; 110, 370, 384; BVerfG, Urteil vom 28.01.2014 – 2 BvR 1561/12 u.a., NVwZ 2014, S. 646, 650, Rn. 121; stRspr[]
  38. BVerfGE 26, 338, 370, 384; 34, 139, 152[]
  39. vgl. BVerfGE 98, 365, 385; 130, 240, 252; stRspr[]
  40. vgl. BVerfGE 79, 1, 17; 126, 400, 416; 130, 240, 252 f.[]
  41. vgl. BVerfGE 75, 108, 157; 93, 319, 348 f.; 107, 27, 46; 126, 400, 416; 129, 49, 69; 132, 179, 188, Rn. 30[]
  42. vgl. BVerfGE 117, 1, 30; 124, 235, 244; BVerfG, Urteil vom 28.01.2014 – 2 BvR 1561/12 u.a., NVwZ 2014, S. 646, 650, Rn. 121[]
  43. vgl. BVerfGE 50, 217, 226; 91, 207, 223[]
  44. vgl. BVerfGE 75, 108, 158; 93, 319, 343; 108, 1, 16 f.; 124, 235, 244; 132, 334, 349, Rn. 47 f.; BVerfG, Urteil vom 28.01.2014 – 2 BvR 1561/12 u.a., NVwZ 2014, S. 646, 650, Rn. 121[]
  45. BVerfGE 132, 334, 349, Rn. 49 m.w.N.[]
  46. vgl. für das Steuerrecht BVerfGE 96, 1, 6; 99, 280, 290; 105, 73, 127; 110, 274, 292; 116, 164, 182 f.; 117, 1, 31; 120, 1, 30; 123, 1, 19; 127, 224, 246[]
  47. vgl. BVerfGE 112, 268, 280 f.; 117, 1, 31; 120, 1, 30; 123, 1, 19; 127, 224, 246[]
  48. vgl. BVerfGE 14, 312, 317[]
  49. vgl. BVerfGE 91, 207, 223[]
  50. vgl. VerfGH RP, Urteil vom 13.05.2014 – VGH B 35/12 103[]
  51. vgl. Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 272, Stand September 2013; Beuscher, ebd. Rn. 2314[]
  52. vgl. Arndt, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 16 Rn. 130; Driehaus, a.a.O.; Schneider, Driehaus-Festschrift, 2005, S. 179, 184[]
  53. vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 88[]
  54. vgl. BVerfGE 42, 223, 228 f.[]
  55. LT-Drs. 15/318, S. 7 f.[]
  56. so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.11.2007 – 6 C 10601/07.OVG, AS RP-SL 35, S.209, 217; Beschluss vom 24.02.2012 – 6 A 11492/11.OVG, AS RP-SL 41, S. 69, 70 f.; Beschluss vom 21.08.2012 – 6 C 10085/12.OVG, AS RP-SL 41, S. 218, 221 f.[]
  57. vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.11.2007 – 6 C 10601/07.OVG, AS RP-SL 35, S.209, 214; Urteil vom 25.08.2010 – 6 A 10505/10.OVG, AS RP-SL 39, S. 331, 335; Urteil vom 15.03.2011 – 6 C 11187/10.OVG, AS RP-SL 40, S. 4, 12; Beschluss vom 24.02.2012 – 6 A 11492/11.OVG, AS RP-SL 41, S. 69, 71[]
  58. vgl. Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Statistisches Jahrbuch 2012, S. 34[]
  59. vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.10.1993 – 10 C 10237/93.OVG, AS RP-SL 24, S. 261, 265; Urteil vom 18.03.2003 – 6 C 10580/02.OVG, NVwZ-RR 2003, S. 591, 593[]
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