Datenerhebung über einen Gefangenen – und die Unterrichtung

Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Berliner Justizvollzugsdatenschutzgesetz (JVollzDSG Bln) ist mit der Verfassung von Berlin nur vereinbar, soweit und solange Vollzugszwecke durch eine Benachrichtigung konkret gefährdet werden und wenn eine Abwägung mit den Grundrechten des Betroffenen ergibt, dass die Nichtunterrichtung zur Wahrung der geschützten Zwecke im überwiegenden öffentlichen Interesse notwendig ist.

Datenerhebung über einen Gefangenen – und die Unterrichtung

So hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin in dem hier vorliegenden Fall einer Verfassungsbeschwerde entschieden und eine einschränkende, verfassungskonforme Auslegung des § 27 Abs. 1 JVollzDSG Bln beschlossen. Darüber hinaus ist die Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen gegen das Berliner Justizvollzugsdatenschutzgesetz vom 21. Juni 2011 zurückgewiesen worden. Der Beschwerdeführer hat geltend gemacht, § 27 JVollzDSG Bln berühre das Grundrecht auf Schutz seiner persönlichen Daten (aus Art. 33 der Verfassung von Berlin) in seinem Kerngehalt, soweit eine Unterrichtung über die Datenerhebung unterbleiben könne. Außerdem sei die Vorschrift unbestimmt. § 27 JVollzDSG Bln lautet:

§ 27 Unterrichtung über Datenerhebung
(1) Über eine ohne ihre Kenntnis vorgenommene Erhebung personenbezogener Daten werden Betroffene unter Angabe dieser Daten unterrichtet, soweit und sobald vollzugliche Zwecke nicht entgegenstehen.

(2) Die Unterrichtung kann unterbleiben,
1. wenn die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen des überwiegenden berechtigten Interesses eines Dritten, geheim gehalten werden müssen,
2. wenn nach den Umständen der Erhebung davon auszugehen ist, dass die Betroffenen von der Tatsache der Erhebung Kenntnis genommen haben oder
3. wenn der Aufwand der Unterrichtung außer Verhältnis zum Schutzzweck steht und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden.

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin ist der Beschwerdeführer durch diese Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Der Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst auch seine personenbezogenen Daten als Gefangener. Für die Dauer seiner Inhaftierung kann die Vorschrift ihm gegenüber jederzeit angewandt werden. Deshalb ist die Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz insoweit zulässig. Sie ist jedoch im Ergebnis nicht begründet.

Die Regelung in § 27 JVollzDSG Bln greift in die durch Art. 33 VvB gewährleistete Befugnis des Einzelnen ein, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbart. Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz wird durch die Ermächtigung der Vollzugsbehörden, Daten ohne Kenntnis zu erheben und in näher bestimmten Fällen von einer nachträglichen Unterrichtung vorübergehend oder auf Dauer abzusehen, erheblich beschnitten. Bei nicht erkennbaren Eingriffen hat der Grundrechtsträger in der Regel zumindest Anspruch auf spätere Kenntnis und Bekanntgabe der staatlichen Maßnahme. Ausnahmen von der Benachrichtigungspflicht sind nur in Abwägung mit verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern zulässig und auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken.

Diesen Anforderungen wird § 27 Abs. 1 JVollzDSG Bln nur bei einer verfassungskonformen Auslegung gerecht. Die Bestimmung ist nicht unbestimmt. Sie enthält aber eine dem Wortlaut nach zu weitgehende Ermächtigung zugunsten der im Gesetz (an anderer Stelle in § 6 Abs. 1 JVollzDSG Bln) definierten „vollzuglichen Zwecke“.

Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 JVollzDSG Bln bedarf deshalb der einengenden Auslegung. Sie ist mit der Verfassung von Berlin nur vereinbar, soweit und solange Vollzugszwecke durch eine Benachrichtigung konkret gefährdet werden und wenn eine Abwägung mit den Grundrechten des Betroffenen ergibt, dass die Nichtunterrichtung zur Wahrung der geschützten Zwecke im überwiegenden öffentlichen Interesse notwendig ist.

Die weiteren Ausnahmen von der Benachrichtigungspflicht in § 27 Abs. 2 JVollzDSG Bln sind verfassungsrechtlich nicht bedenklich.

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 14. Mai 2014 – VerfGH 151/11