Durch das Vorlesen des Protokolls über die erste polizeiliche Vernehmung und die eigene Lektüre des Protokolls über die zweite polizeiliche Vernehmung durch die Nebenklägerin beim Ermittlungsrichter wird Einfluss auf deren Erinnerung genommen.

Eine Erinnerung an selbst erlebtes Geschehen und die Erinnerung an den Inhalt einer Äußerung hierüber kann sich nach einer derartigen Konfrontation mit Vernehmungsprotokollen so vermischt haben, dass bei späteren Befragungen eine Unterscheidung erschwert oder unmöglich gemacht wurde.
Praktisch jede Aktivierung des Gedächtnisinhalts führt schließlich auch zu dessen Konsolidierung1.
Deshalb hätte das Gericht erläutern müssen, worin gegebenenfalls eine von der Protokollverlesung und Eigenlektüre unbeeinflusste Konstanz verschiedener Aussagen der Nebenklägerin gesehen wurde und welche Bedeutung ihrer Konfrontation mit dem Inhalt der früheren Angaben für die späteren Angaben bei der Exploration und der Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung zuzumessen ist.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. April 2016 – 2 StR 435/15
- vgl. Köhnken in Widmaier/Müller/Schlothauer, Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl., § 61 Rn. 90[↩]