Fesselung bei der Ausführung eines Sicherungsverwahrten

Bei Anordnung der Fesselung eines Sicherungsverwahrten betreffend eine Ausführung hat die Vollzugsbehörde die tragende Rechtsgrundlage unter Heranziehung des eröffneten Beurteilungsspielraums darzulegen. Die Anordnung einer Fesselung bei einer Ausführung nach § 62 Abs. 6 JVollzG BW V setzt im Gegensatz zu § 62 Abs. 1 JVollzGB BW V keine erhöhte Fluchtgefahr voraus.

Fesselung bei der Ausführung eines Sicherungsverwahrten

Die Anordnung über die Fesselung ist rechtswidrig, wenn sie mangels hinreichender Begründung keine gerichtliche Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit erlaubt.

Die angeordnete Fesselung kann als besondere Sicherungsmaßnahme ihre Grundlage entweder in § 62 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 6 JVollzGB BW V oder in § 62 Abs. 6 JVollzGB BW V haben. Auf welche dieser Vorschriften die Vollzugsbehörde die von ihr getroffene Anordnung stützt, ergibt sich indes nicht aus den Verfügungen, die keinerlei Begründung zu der Fesselungsanordnung enthalten. Damit ist eine gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht möglich, die hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen der „Gefahr der Flucht in erhöhtem Maß“ (§ 62 Abs. 1 JVollzGB BW V) bzw. der „Fluchtgefahr aus anderen Gründen“ (§ 62 Abs. 6 JVollzGB BW V) wegen des der Vollzugsbehörde damit eingeräumten Beurteilungsspielraums1 darauf beschränkt ist, ob die Vollzugsbehörde von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung ein zutreffendes Verständnis der die Anordnung tragenden Norm zugrundegelegt und die Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten hat2. Dies kann aber ohne eine entsprechende Begründung der getroffenen Anordnung nicht überprüft werden.

Die nachgeschobene Begründung in der Stellungnahme der Vollzugsbehörde zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist insoweit unbeachtlich, weil sich nicht sicher feststellen lässt, dass die dort angeführten Gesichtspunkte beim Treffen der Anordnung tatsächlich in die Erwägungen einbezogen wurden3. Dieser formale Mangel zieht die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung nach sich.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe weist jedoch darauf hin, dass die in der Stellungnahme der Vollzugsbehörde aufgezeigten Gesichtspunkte grundsätzlich geeignet waren, die Fesselung des Untergebrachten bei der Ausführung nach § 62 Abs. 6 JVollzGB BW V zu tragen:

Anders als § 62 Abs. 1 JVollzGB BW V setzt die Anordnung der Fesselung bei einer Ausführung keine erhöhte Fluchtgefahr voraus4. Dies ergibt sich nach Auffassung des Oberlandesgerichts aus der insoweit eindeutigen Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Schaffung einer grundgesetzkonformen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Baden-Württemberg. Denn dort heißt es zu § 62 Abs. 6 JVollzGB BW V: „Absatz 6 beschreibt Situationen außerhalb der Justizvollzugsanstalt, in denen die Verwirklichung der Gefahr der Flucht der oder des Untergebrachten typischerweise bereits aufgrund der äußeren Umstände erhöht ist. In diesen Fällen lässt die Bestimmung als eigenständige Ermächtigungsnorm die Anordnung der Fesselung als besondere Sicherungsmaßnahme grundsätzlich zu, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen müssen.“

Erforderlich, aber auch ausreichend ist danach die auf konkreten Tatsachen beruhende Annahme der Gefahr des Entweichens bei der Ausführung, zu deren Beseitigung die Fesselung geeignet und erforderlich ist; allgemeine Befürchtungen oder Vermutungen reichen dafür allerdings nicht aus5.

Insoweit erscheint es bedenklich, dass die Vollzugsbehörde in ihrer Stellungnahme vom 23.04.2014 auch auf das Unterstützerumfeld des Untergebrachten abgestellt hat, ohne dabei Tatsachen vorzutragen, die einen konkreten Anhalt für eine drohende Befreiung des Untergebrachten durch Personen aus diesem Umfeld belegen.

Jedoch reichen die weiteren von der Vollzugsbehörde genannten Umstände – die unbearbeitete Persönlichkeitsproblematik des Untergebrachten und die daraus und aus der unbefristeten Maßregel resultierende Perspektivlosigkeit – auch für sich genommen aus, die Annahme einer Fluchtgefahr und damit eine Fesselung des Untergebrachten bei Ausführungen zu rechtfertigen.

Bei künftigen Anordnungen wird die Vollzugsbehörde indes zu bedenken haben, dass ihr auch hinsichtlich der Auswahl der Fesselungsmöglichkeiten ein nur beschränkt gerichtlich überprüfbares Ermessen zusteht6, weshalb eine Anordnung auch insoweit eine Begründung enthalten muss.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 12. August 2014 – 2 Ws 278/14

  1. vgl. dazu OLG Karlsruhe StraFo 2013, 302 m.w.N.; zu der inhaltlich identischen Vorgängervorschrift des § 88 Abs. 1 StVollzG außerdem Arloth, StVollzG, 3. Aufl.2011, § 88 Rn. 1 m.w.N. und allgemein zum Begriff der Fluchtgefahr § 11 Rn. 10 m.w.N.[]
  2. vgl. Arloth a.a.O. § 115 Rn. 16 m.w.N.[]
  3. vgl. Kamann/Spaniol in Feest/Lesting, StVollzG, 6. Aufl.2012, § 115 Rn. 52[]
  4. anders wohl OLG Karlsruhe a.a.O. zu § 67 Abs. 4 JVollzGB BW III[]
  5. vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Arloth a.a.O., § 11 Rn. 11 m.w.N.[]
  6. vgl. Arloth a.a.O., § 88 Rn. 1[]