Erstinstanzliche Entscheidungen nach § 458 Abs. 1 StPO sind mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht mit einer Kosten- und Auslagenentscheidung zu versehen.

Für Entscheidungen, die in einem die Frage der Vollstreckung betreffenden sogenannten Nachtragsverfahren ergangen sind, bleibt die auf § 465 StPO gestützte Kostengrundentscheidung des den Verurteilten schuldig sprechenden Urteils maßgebend1.
Nach der Begriffsbestimmung in § 464a Abs. 1 Satz 2 StPO gehören zu den Kosten des Verfahrens auch die Kosten der Vollstreckung einer Rechtsfolge der Tat. Nachtragsentscheidungen in Vollstreckungsverfahren betreffen immer den Verurteilten, und die Kostengrundentscheidung des verurteilenden Erkenntnisses erfasst auch die nach Rechtskraft des Urteils anfallenden Verfahrenskosten. Aus dem in §§ 465 Abs. 1, 464a Abs. 1 StPO zum Ausdruck kommenden Grundgedanken lässt sich entnehmen, dass ein Verurteilter auch in einem die Vollstreckung betreffenden Nachtragsverfahren bei Fehlen einer ausdrücklichen anderweitigen gesetzlichen Regelung nicht von Kosten und Auslagen freigestellt werden kann und eine Kosten- und Auslagenentscheidung nicht zu treffen ist2.
Zwar wird in Rechtsprechung und Schrifttum vereinzelt die Auffassung vertreten, dass bestimmte Entscheidungen im erstinstanzlichen Nachtragsverfahren mit einer Kosten- und Auslagenentscheidung zu versehen seien. So hat das OLG Hamm3 entschieden, dass die in entsprechender Anwendung von § 67c Abs. 2 Satz 5 StGB ergangene Entscheidung über die vorzeitige Erledigung der Maßregel nach § 63 StGB mit einer Kosten- und Auslagenentscheidung zu versehen sei, die sich an § 467 Abs. 1 StPO zu orientieren habe. Auch im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, dass es zu Nachtragsentscheidungen kommen könne, die zugunsten des Verurteilten ausfallen und bei denen eine Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse in entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO in Betracht komme4. Als Beispiel wird insoweit das Widerrufsverfahren benannt. Wenn beispielsweise die Staatsanwaltschaft den Widerruf einer Straf- oder Reststrafenaussetzung zur Bewährung beantragt habe und dieser Antrag als unbegründet zurückgewiesen werde, sei in einem solchen Beschluss auch über die notwendigen Auslagen des Verurteilten, der sich eines Verteidigers bedient habe, zu entscheiden5 § 464 StPO, Rdnr. 6, der den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung als verfahrensabschließende Maßnahme im Sinne des § 464 StPO ansieht)).
Das Oberlandesgericht Braunschweig folgt indes der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum, dass in Verfahren nach §§ 453 ff. StPO für den ersten Rechtszug eine Kostenentscheidung nicht veranlasst ist. Beschlüsse, durch die in Vollstreckungsverfahren Anträge des Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft abgelehnt werden, sind einer Kosten- und Auslagenentscheidung nicht zugänglich, da sie weder verfahrensabschließende Beschlüsse (in dem Sinne, dass sie den Entscheidungen nach § 464 Abs. 1 StPO gleichzustellen wären) darstellen noch in einem selbständigen Zwischenverfahren ergangen sind6.
So wurde in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bisher unter anderem entschieden, dass folgende erstinstanzliche Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren nicht mit einer Kostenentscheidung zu versehen seien: Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer nach § 57 StGB7, Entscheidungen im Widerrufsverfahren8, Entscheidungen über einen Straferlass9, Entscheidungen über die Verlängerung der Bewährungszeit10 sowie Entscheidungen darüber, ob und wann eine rechtskräftig verhängte Maßregel erledigt ist11.
Dem Beschluss des OLG Celle vom 19.08.200212, der die Frage der Zulässigkeit von Organisationshaft zum Gegenstand hat, ist zu entnehmen, dass das OLG offensichtlich davon ausgeht, dass eine Kostenentscheidung bei einer gerichtlichen Entscheidung über eine Einwendung gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung bei Vollstreckung von Organisationshaft nicht erforderlich ist. Das OLG Celle hat nämlich den (erstinstanzlichen) Beschluss des Landgerichts aufgehoben und dessen Tenor neugefasst. In der Kosten- und Auslagenentscheidung ist hinsichtlich dieses Tenors ausgeführt: „Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last“. Eine Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurde nicht getroffen. Dies spricht dagegen, dass sich der Ausspruch über die notwendigen Auslagen auf beide Instanzen bezieht. Auch aus der Formulierung, dass die gegen die Kostenentscheidung erhobene sofortige Beschwerde des dortigen Verurteilten gegenstandslos sei, weil der angefochtene Beschluss keine Kostenentscheidung enthalte, sondern lediglich eine „- hier überflüssige – dahingehende Rechtsmittelbelehrung„12 kann geschlossen werden, dass das OLG Celle eine erstinstanzliche Kosten- und Auslagenentscheidung nicht für erforderlich hält. Denn andernfalls wäre zu erwarten gewesen, dass das OLG darauf hingewiesen hätte, dass eine entsprechende Kostenentscheidung erforderlich sei und hätte diese nachgeholt.
Das Oberlandesgericht Braunschweig teilt nicht die Auffassung, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren um ein eigenständiges Beschwerdeverfahren handelt, das verfahrensabschließend im Sinne des § 464 StPO ist.
Zwar unterscheidet sich die vorliegende Konstellation von den übrigen bereits genannten Nachtragsentscheidungen dahingehend, dass in diesen Fällen das Gericht – in der Regel von Amts wegen, aber auch auf Antrag – in jedem Fall zur Entscheidung berufen ist. Vorliegend wäre das Gericht, worauf der Beschwerdeführer ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, nicht zur Entscheidung berufen gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft die Organisationshaft unverzüglich beendet hätte.
Dennoch handelt es sich bei der auf Antrag eines Verurteilten oder einer Staatsanwaltschaft ergangenen gerichtlichen Entscheidung nach § 458 Abs. 1 StPO um eine Nachtragsentscheidung, die nach Auffassung des Oberlandesgerichts, da diesbezüglich eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt, nicht mit einer Kosten- und Auslagenentscheidung zu versehen ist. Die Staatsanwaltschaft ist nämlich in Fällen, wie dem vorliegenden, nach Rechtskraft des Urteils von Amts wegen verpflichtet, zu prüfen, ob, beziehungsweise ab welchem Zeitpunkt eine vollzogene Organisationshaft unzulässig und damit zu beenden ist. Diese Entscheidung ist nicht davon abhängig, ob der Verurteilte Einwendungen gegen den Vollzug der Haft erhebt oder nicht. Wenn ein Verurteilter indes ausdrücklich Einwendungen erhebt, hat die Staatsanwaltschaft darüber zu entscheiden, ob sie den Einwendungen abhilft, andernfalls leitet sie diese an das Gericht weiter. Die sodann nach § 458 Abs. 1 StPO getroffene Entscheidung des Gerichts, ob die Organisationshaft unzulässig ist oder nicht, ist nicht verfahrensabschließend im Sinne des § 464 StPO.
Ein Verfahrensabschluss lässt sich zum einen nicht daraus herleiten, dass aufgrund der Entscheidung des nach § 458 Abs. 1 StPO angerufenen Gerichts die Organisationshaft beendet und damit abgeschlossen wird, denn das Vollstreckungsverfahren als solches ist hierdurch noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen unterbleibt eine Entscheidung nach § 464 StPO im Hinblick auf § 464a StPO zum Beispiel auch bei Entscheidungen nach § 56g StGB, obwohl es sich hierbei um Entscheidungen handelt, die tatsächlich das Vollstreckungsverfahren bzw. das Bewährungsverfahren beenden. Diese Beschlüsse stellen weder verfahrensabschließende Beschlüsse (in dem Sinne, dass sie den Entscheidungen nach § 464 Abs. 1 StPO gleichzustellen wären) dar, noch sind sie in einem selbständigen Zwischenverfahren ergangen.
Zum anderen führt auch der Umstand, dass das Gericht die Entscheidung über die Zulässigkeit der Organisationshaft erst auf Antrag trifft, nachdem die Staatsanwaltschaft die Aufhebung dieser Haft abgelehnt hat, nicht dazu, dass diese Nachtragsentscheidung des Gerichts als verfahrensabschließend im Sinne des § 464 Abs. 1, 2 StPO anzusehen ist. Verfahrensabschließend ist vielmehr erst die Beschwerdeentscheidung, weil es sich hierbei um eine das Beschwerdeverfahren abschließende Entscheidung handelt13.
Soweit hierauf eingewandt wird, dass es rechtsstaatlich „ein ungeheuerlicher Vorgang [sei], wenn der von einer solchen unzulässigen Strafvollstreckung Betroffene auch noch die dadurch entstehenden Kosten tragen müsste“, führt diese – durchaus nachvollziehbare – Argumentation dennoch nicht dazu, dass vorliegend eine Kosten- und Auslagenentscheidung zu treffen wäre, weil, wie bereits dargelegt, diese im Gesetz nicht vorgesehen ist.
Wenn im Rahmen der zu treffenden Nachtragsentscheidungen fehlerhafte Entscheidungen getroffen werden, die sich zum Nachteil des Verurteilten auswirken, führen diese (erstinstanzlich) grundsätzlich nicht dazu, dass (ausnahmsweise) eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Verurteilten getroffen wird. Würde zum Beispiel der Strafvollstreckungskammer versehentlich (zum Beispiel aufgrund einer falschen Fristberechnung) ein Vollstreckungsheft nicht zur Entscheidung nach § 57 Abs. 1 oder § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB vorgelegt, und der Antrag auf vorzeitige Entlassung daraufhin von dem Verteidiger des Verurteilten gestellt, der nur aus dem Grund mandatiert wurde, weil die Vollstreckungsbehörde untätig geblieben war, hätte dies dennoch nicht zur Folge, dass die anschließend durch das Gericht getroffene Entscheidung nach § 57 StGB erstinstanzlich mit einer (Kosten- und) Auslagenentscheidung zu versehen wäre. In diesem Fall könnte man, ähnlich wie im vorliegenden Fall, dahingehend argumentieren, dass der Verurteilte, wenn die Vollstreckungsbehörde von Amts wegen tätig geworden wäre, keine anwaltliche Hilfe hätte in Anspruch nehmen müssen und womöglich eher entlassen worden wäre. Entscheidend dafür, ob erstinstanzliche Nachtragsentscheidungen im Vollstreckungsverfahren mit einer Kosten- und Auslagenentscheidung zu versehen sind oder nicht, ist nicht die Frage, ob die Entscheidung für den Verurteilten zu einem positiven oder negativen Ergebnis kommt, sondern, ob eine entsprechende Kosten- und Auslagenentscheidung gesetzlich vorgesehen ist.
Auch wenn es, was das OLG Braunschweig nicht verkennt, im Einzelfall unbillig erscheinen mag, verbleibt es, solange keine anderweitige gesetzliche Regelung für diese Fälle geschaffen wird, nach Auffassung des Oberlandesgerichts dabei, dass es sich bei der auf Antrag eines Verurteilten oder einer Staatsanwaltschaft ergangenen gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Organisationshaft nach § 458 Abs. 1 StPO um eine Nachtragsentscheidung im Vollstreckungsverfahren handelt, die eine Nachwirkung des gegen ihn ergangenen Urteils einschließlich der gegen ihn ausgesprochenen Kostentragungspflicht darstellt.
Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – 1 Ws 267/14
- vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.10.1997 – 2 Ws 116/97[↩]
- vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.10.1997 – 2 Ws 116/97 6; OLG Celle, Beschluss vom 12.11.1987 – 1 Ws 340/87 – NStZ 1988, 196[↩]
- OLG Hamm, Beschluss vom 28.11.1983 – 4 Ws 243/83 – NStZ 1984, 288[↩]
- Hilger in: Löwe-Rosenberg, a. a. O., § 473, Rdnr. 16[↩]
- siehe auch Degener in: SK StPO, 32. Aufbau-Lfg. ((Juli 2003[↩]
- vgl. OLG Köln, Beschluss vom 10.06.1999 – 2 Ws 272/99, m. w. N.[↩]
- OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.10.1997 – 2 Ws 116/97 – zitiert nach juris[↩]
- OLG Braunschweig, Beschluss vom 25.01.2001 – Ws 9/01 – zitiert nach juris; OLG Celle, Beschluss vom 12.11.1987 – 1 Ws 340/87 – NStZ 1986, 196[↩]
- OLG Köln, Beschluss vom 10.06.1999 – 2 Ws 272/1999, zitiert nach juris[↩]
- OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.03.1992 – 4 Ws 47/92 – zitiert nach juris[↩]
- KG Berlin, Beschluss vom 23.01.1989 – 5 Ws 502/88 – NStZ 1989, 490[↩]
- OLG Celle, Beschluss vom 19.08.2002 – 1 Ws 203/02[↩][↩]
- vgl. OLG Köln, Beschluss vom 10.06.1999 – 2 Ws 272/99 13[↩]