Sicherstellung von eMails im Ermittlungsverfahren

Die Sicherstellung von E-Mails beim E-Mail-Provider kann nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs entsprechend den Voraussetzungen des § 99 StPO mit der Herausgabepflicht nach § 95 Abs. 2 StPO angeordnet werden.

Sicherstellung von eMails im Ermittlungsverfahren

Die Verwertung von eMails eines Angeklagten, welche im Ermittlungsverfahren beschlagnahmt wurden, wobei alle in dem jeweiligen eMail-Postfach des Angeklagten abgespeicherten – gelesenen und noch nicht gelesenen – eMails betroffen waren und erfasst wurden, begegnet nach Ansicht des BGH letztlich keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar hat in dem jetzt vom BGH entschiedenen Fall der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts die Beschlagnahmeanordnung allein auf §§ 94, 98 StPO gestützt, was zumindest bezüglich bislang ungelesener eMails rechtlich umstritten ist1. Jedoch bedurfte es für die im Postfach beim eMail-Provider abgespeicherten eMails, ob bereits gelesen oder noch ungelesen, auch nicht der Voraussetzungen des § 100a StPO, denn während der möglicherweise auch nur Sekundenbruchteile andauernden Speicherung in der Datenbank des Mail-Providers ist kein Telekommunikationsvorgang (mehr) gegeben2.

Vielmehr ist die Beschlagnahme von eMails bei einem eMail-Provider, welche dort bis zu einem ersten oder weiteren Aufruf abgespeichert sind, auch unter Berücksichtigung des heutigen Kommunikationsverhaltens in jeder Hinsicht vergleichbar mit der Beschlagnahme anderer Mitteilungen, welche sich zumindest vorübergehend bei einem Post- oder Telekommunikationsdiensteleister befinden, bspw. von Telegrammen, welche gleichfalls auf dem Telekommunikationsweg dorthin übermittelt wurden. Daher können beim Provider gespeicherte, eingegangene oder zwischengespeicherte, eMails – auch ohne spezifische gesetzliche Regelung – jedenfalls unter den Voraussetzungen des § 99 StPO beschlagnahmt werden3. Der einer eMail-Sendung, selbst wenn diese aus technischen Gründen und insbesondere auch während des Transports leichter „lesbar“ ist als beispielsweise verschlossene Briefsendungen auf dem Postweg, zukommende grundrechtssichernde Schutz wird bei einer Anordnung nach § 99 StPO durch das Erfordernis einer richterlichen Anordnung bzw. Bestätigung bei (eher seltenen) Eilfällen nach § 100 StPO gewahrt, zumal bei der konkreten Beschlag-nahme einer eMail erneut eine richterliche Prüfung stattzufinden hat.

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Für eine Anwendung des § 99 StPO spricht auch die Neufassung des § 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 StPO durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21. Dezember 20074, wonach – anders als noch bei der früheren Rechtslage – nun auch für diese Maßnahmen ausdrücklich eine Benachrichtigungspflicht festgelegt ist. Zudem können die Betroffenen nachträglichen Rechtsschutz begehren5.

Dass in §§ 99, 100 StPO selbst keine zwangsweise Durchsetzung des Herausgabeanspruchs geregelt ist, ändert an der hier dargestellten Rechtslage nichts, sondern beruht allein darauf, dass ursprünglich allein die mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Deutsche Bundespost Verpflichteter einer solchen Maßnahme sein konnte, bei welcher eine Weigerung nicht zu erwarten war. Nach der Öffnung der Märkte in diesem Bereich muss aber gewährleistet sein, dass eine Maßnahme nach § 99 StPO auch durchsetzbar ist. Deshalb gilt auch hier der in § 95 Abs. 1 und 2 StPO seine Ausprägung gefundene allgemeine Grundsatz, dass richterlichen Herausgabeanordnungen allgemein Folge zu leisten ist und deshalb zu deren Durchsetzung die in § 70 StPO bestimmten Ordnungs- und Zwangsmittel festgesetzt werden können, soweit Verpflichtete nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31. März 2009 – 1 StR 76/09

  1. vgl. hierzu BVerfG, 3. Kammer, Beschluss vom 29. Juni 2006 – 2 BvR 902/06 – MMR 2007, 169; mehrfach verlängert, zuletzt durch Beschluss vom 13. November 2008[]
  2. vgl. hierzu näher KK-StPO/Nack § 100a Rdn. 22 f.; BeckOK-StPO/Graf § 100a StPO Rdn. 28 ff.; KMR/Bär § 100a Rdn. 29; aA LG Hanau NJW 1999, 3647; LG Hamburg wistra 2008, 116; dem zustimmend Gaede, StV 2009, 96, 97, allerdings bereits mit aus technischer Sicht fragwürdiger Begründung; bislang zu einer Gesamtbetrachtung neigend Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 100a Rdn. 6[]
  3. vgl. hierzu BeckOK-StPO/Graf § 100a StPO Rdn. 28 f. m.w.N.[]
  4. BGBl I 3198[]
  5. § 101 Abs. 7 StPO[]
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