Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland muss einem Journalisten Auskunft über die Namen des Erst- und Zweitverkäufers des sogenannten Schabowski-Zettels geben.
Dies hat aktuell das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen auf die Klage des Chefreporters einer überregionalen Tageszeitung entschieden, der zum Erwerb des Schabowski-Zettels recherchiert. Dabei handelt es sich um den Sprechzettel, von dem das Politbüro-Mitglied Günter Schabowski auf der Pressekonferenz vom 09.11.1989 eine neue Regelung für die Reisen von DDR-Bürgern ins westliche Ausland ablas, die seiner Kenntnis nach „sofort, unverzüglich“ in Kraft trete. Diese Aussage führte wenige Stunden später zur ungeplanten Öffnung der Berliner Mauer. Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erwarb den Schabowski-Zettel für 25.000 € und übernahm ihn im Jahr 2015 in ihre Sammlung.
Die Stiftung, die die Namen des Erstverkäufers und des ihr gegenüber aufgetretenen Zweitverkäufers kennt, lehnte deren Nennung dem Journalisten gegenüber ab. Der Auskunftserteilung stehe das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Zweitverkäufers entgegen. Diesem sei mündlich zugesagt worden, dass er anonym bleiben könne. Wenn sie, die Stiftung, potentiellen Verkäufern von Ausstellungsstücken keine Anonymität zusichern könne, sei sie auf dem Markt, auf dem sie mit privaten Sammlungen und Museen um den Erwerb von Ausstellungsstücken unmittelbar konkurriere, nicht wettbewerbsfähig und könne ihren Stiftungszweck nicht erfüllen.
Das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Verwaltungsgericht Köln hat die Stiftung verurteilt, dem Kläger die Namen des Erst- und des Zweitverkäufers zu nennen1. Die dagegen gerichtete Berufung der Stiftung blieb jetzt beim Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg:
Dem klagenden Reporter stehen auf der Grundlage des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die begehrten Auskünfte zu. Das Informationsinteresse der Presse überwiegt die Vertraulichkeitsinteressen des Zweitverkäufers und der beklagten Stiftung.
Die Weitergabe der in Rede stehenden personenbezogenen Daten an den Kläger betrifft allein die Sozialsphäre des Zweitverkäufers. Besondere, über den Wunsch nach Anonymität hinausgehende Gründe liegen insoweit nicht vor.
Die behördliche Informationsweitergabe an die Medien ist zudem gerade noch nicht mit einer Veröffentlichung dieser Informationen gleichzusetzen. Die Verwertung der erbetenen Informationen fällt in die redaktionelle Verantwortung des jeweiligen Presseorgans, wobei grundsätzlich darauf zu vertrauen ist, dass die Presse sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Der Auskunftserteilung stehen auch keine vorrangig schutzwürdigen öffentlichen Interessen an der Nichtweitergabe der Informationen entgegen.
Das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig, das Oberverwaltungsgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein -Westfalen, Urteil vom 16. Dezember 2025 – 15 A 750/22
- VG Köln – 6 K 3228/19[↩]
Bildnachweis:
- Pressekonferenz im Internationalen Pressezentrum der DDR-Regierung am 9. November 1989, auf dem Podium (v. l. n. r.) Labs, Banaschak, Schabowski, Beil: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1109-030 / Lehmann, Thomas | CC BY-SA 3.0 Unported











