Die Stadt Bochum hat neun Bewohnerinnen und Bewohnern der „Villa Kunterbunt“, einer Haushälfte eines denkmalgeschützten Hauses aus dem Jahr 1898, die Nutzung wegen brandschutzrechtlicher Mängel nach einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zu Recht untersagt.
Inhaltsübersicht
- Die Bochumer Villa Kunterbunt
- Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen
- Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster
Die Bochumer Villa Kunterbunt
Die „Villa Kunterbunt“ ist eine Doppelhaushälfte im Eigentum der Stadt Bochum. Eine Hälfte wird von einer Mieterin und einem Mieter genutzt. Die andere Hälfte wird besetzt, nachdem die letzten Mieter Ende der 1970er Jahre ausgezogen sind. Die „Villa Kunterbunt“ ist eine Doppelhaushälfte im Eigentum der Stadt Bochum. Eine Hälfte wird von einer Mieterin und einem Mieter genutzt. Die andere Hälfte wird besetzt, nachdem die letzten Mieter Ende der 1970er Jahre ausgezogen sind. Die Stadt Bochum hat den Mietern sowie Hausbesetzerinnen und Hausbesetzern mit Ordnungsverfügungen vom 27. November 2025 die Nutzung mit Wirkung ab dem 11. Dezember 2025 dauerhaft untersagt. Frühere Ordnungsverfügungen hat sie aufgehoben.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen
Den daraufhin gestellten Eilantrag der Bewohner lehnte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ab1.
Die weitere Wohnnutzung der Doppelhaushälften verstößt gegen Brandschutzvorschriften. In einem Brandfall, mit dem immer zu rechnen ist, kann weder die Rettung von Personen aus der Villa Kunterbunt noch der Schutz von Einsatzkräften der Feuerwehr gewährleistet werden. Dies hat die Kammer aufgrund des Ortstermins, dort angefertigter Lichtbilder, einer Stellungnahme des Leiters der Berufsfeuerwehr Bochum sowie einer Stellungnahme eines Ingenieurbüros für Brandschutz festgestellt. Bei dem Gebäude sind zwei unabhängige Rettungswege erforderlich. In dem Gebäude ist kein sicherer Rettungsweg vorhanden.
Über das Treppenhaus ist ein sicherer Rettungseinsatz der Feuerwehr im Brandfall nicht möglich. Dies hat ebenso der Leiter der Berufsfeuerwehr der Stadt Bochum bekundet. In dem Treppenhaus bestehen zahlreiche dokumentierte Mängel. Die tragenden Teile des Treppenhauses, wie Stufen, Treppenläufe sowie Podeste, sind aus Holz und damit aus brennbarem Material. Elektroleitungen im Treppenhaus sind nicht fachgerecht verlegt, sondern offen auf der Wand. Kabel und Rohre sind ohne brandschutztechnische Abdichtung („ungeschottet“) durch Treppenraumwände und Geschossdecken geführt. Vom Treppenhaus abgehende Holztüren schließen nicht dicht und weisen teils Öffnungen auf. Darüber hinaus fehlen teilweise Abtrennungen vom Treppenhaus zu weiteren Räumen. Dies sind erhebliche Brandgefahren. Ein Rettungsweg mittels Rettungsfahrzeugen der Feuerwehr steht im Brandfall nicht zur Verfügung. Auf dem Grundstück ist zu wenig Platz für ein Hubrettungsfahrzeug der Feuerwehr, weil ausreichende Rangierfläche fehlt. Das Gebäude kann nicht vom Straßenraum aus angeleitert werden. Dem stehen Bäume im Weg. Zudem weist der ebenso zu Aufenthaltszwecken genutzte Keller erhebliche Brandschutzmängel auf. Die Kellerdecke weist nicht die nötige Feuerwiderstandsdauer auf. Teilweise ist die Decke sogar abgängig und nur provisorisch abgestützt. Einem Feuer wird die Kellerdecke kaum standhalten. Auf die Brandschutzmängel hatte die Kammer im Ortstermin hingewiesen. Die Betroffenen haben die Mängel danach nicht abstellen können. Sie haben Rauchmelder, CO-Melder, kleine Feuerlöscher und Nebelhörner angebracht. Dies kann nicht die akute Gefahr einer Brandentstehung wegen der gravierenden baulichen Mängel vermeiden.
Auf Bestandsschutz aus ursprünglichen Baugenehmigungen können sich die Betroffenen, so das Verwaltungsgericht, nicht berufen. In der Vergangenheit ist das Gebäude erheblich umgebaut worden. Insbesondere im Dachgeschoss sind die beiden Doppelhaushälften durch einen Durchbruch miteinander verbunden. Den Mietern steht kein grundrechtlicher Nutzungsschutz aus ihrem Mietvertrag zu. Denn ihr fortdauernder Aufenthalt zu Wohnzwecken ist mit erheblichen Gefahren für ihr Leben bzw. ihre Gesundheit verbunden. Die Betroffenen können der Stadt Bochum nicht entgegenhalten, sie habe die Zustände jahrzehntelang geduldet und dürfe nun nicht mehr tätig werden. Die Bauordnungsbehörde kann ihre hoheitliche Befugnis zur Gefahrenabwehr nicht verwirken. Denn sie hat die Pflicht, im öffentlichen Interesse für rechtmäßige Zustände zu sorgen.
Gegen die früheren Ordnungsverfügungen geäußerte Bedenken bestehen gegen die neuen Nutzungsuntersagungen nicht mehr. Sie sind hinreichend bestimmt. Die Stadt Bochum hat den Betroffenen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Ersatzwohnungen und weitere Hilfsangebote zur Verfügung gestellt.
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster
Die gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen erhobene Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht in Münster als unbegründet zurückgewiesen:
Aus dem Vorbringen der antragstellenden Hausbesetzer ergibt sich nicht, dass die Vorgaben des Brandschutzes eingehalten sind. Sie machen insoweit allein geltend, nach einer von ihnen durchgeführten Beseitigung von Sträuchern und Wildwuchs im Außenbereich seien die Voraussetzungen für einen zweiten Rettungsweg gegeben. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat aber nicht nur das Fehlen eines zweiten Rettungswegs beanstandet. Vielmehr hat es verschiedene weitere Verstöße gegen brandschutzrechtliche Vorgaben angenommen, wie das Fehlen eines ordnungsgemäßen ersten Rettungswegs sowie die mangelnde Feuerbeständigkeit der zudem abgängigen Decke des Kellergeschosses. Dagegen wenden sich die Hausbesetzer nicht.
Weil mit der Entstehung eines Brandes jederzeit zu rechnen ist, können sie sich auch nicht darauf berufen, die erforderlichen brandschutzrechtlichen Maßnahmen könnten während der weiteren Wohnnutzung ausgeführt werden.
Die Bewohner wenden erfolglos ein, die Stadt habe die Zustände jahrzehntelang geduldet. Ein Einschreiten ist auch nach langer behördlicher Untätigkeit nicht nur ermessensfehlerfrei, sondern sogar geboten, wenn die Fortsetzung der untersagten Nutzung aufgrund massiver Brandschutzmängel mit erheblichen Gefahren für Leben bzw. Gesundheit der sich in der Wohnung aufhaltenden Personen verbunden ist.
Die Hausbesetzer haben angesichts der Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu Hilfsangeboten der Stadt auch nicht dargelegt, dass sie obdachlos würden. Der Vorwurf der Hausbesetzer, die Stadt schiebe angebliche Gefahren nur vor, um ihre seit Jahren geplanten Verkaufsbemühungen umzusetzen, entbehrt nach alledem jeglicher Grundlage.
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Dezember 2025 – 10 B 1395/25
- VG Gelsenkirchen – 5 L 2403/25[↩]
Bildnachweis:
- Bochum, Villa Kunterbunt: Pim van Tend | CC BY-SA 4.0 International











