Cityliner als Krankenfahrstuhl

Ein Elektromobil (Cityliner 412) ist kein beihilfefähiges Hilfsmittel im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV.

Cityliner als Krankenfahrstuhl

In einem jetzt vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschiedenen Verfahren stritten sich die Beteiligten über die Versorgung des Klägers mit einem Elektromobil. Der Kläger ist Beamter der Bundesfinanzverwaltung der Bundesrepublik Deutschland und für sich und seine Ehefrau mit einem Bemessungssatz von jeweils 70 Prozent beihilfeberechtigt. Die Ehefrau des Klägers leidet an Multipler Sklerose und ist stark gehbehindert (Merkmal „aG“). Die beklagte Beihilfestelle lehnte die Ausstattung der Ehefrau mit einem Elektromobil ab.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sind die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.

Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel – gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge – beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe – insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen – von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind1.

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Das Verwaltungsgericht hat – ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften – das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt – für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.

Soweit das Oberverwaltungsgericht Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat2, kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das Oberverwaltungsgericht Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das Oberverwaltungsgericht Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.

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Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind3. Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen4.

Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist – wie hier – das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums – dies ist ebenfalls unstreitig – eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein – darüber hinausgehender – Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.

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In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es – wie dargelegt – nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen – nicht jedoch ein Elektromobil – als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.

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Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.

Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr – nach eigenem Vortrag – ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch – wie dargelegt – grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.

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Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.

Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und – auch deshalb – von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts5 ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen6. Im Gegensatz dazu vertritt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen7 die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich – so zu Recht das Verwaltungsgericht – anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann – unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen – auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.

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Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist8.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Oktober 2011 – 2 S 1369/11

  1. vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 – 2 S 825/11[]
  2. Urteil vom 15.12.1999 – 2 A 112/99 – NordÖR 2000, 247[]
  3. vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 – B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12[]
  4. vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 – 4 S 3208/94 – DÖD 1997, 37[]
  5. Urteil vom 03.11.1999 – B 3 KR 16/99 R – FEVS 51, 395[]
  6. so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO[]
  7. Beschluss vom 07.07.1998 – 12 A 5885/96[]
  8. vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 – 8 C 20.92, BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 – VIII C 104.69, BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 – 2 S 1202/10[]