Es bestehen für das Bundesverwaltungsgericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass in einer Ausbildungs- und Prüfungs-Verordnung für Polizeivollzugsbeamte (Kommissaranwärter) im Rahmen von insgesamt 29 Prüfungsleistungen für die Teilprüfung „Berufspraktisches Training – Bereich Ausdauer“ für einen 3000-Meter-Lauf nur eine einmalige Wiederholungsprüfung vorgesehen ist und dass das wiederholte Nichtbestehen dieser Teilprüfung das Nichtbestehen der Gesamtprüfung zur Folge hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts1 ist das nach einmaliger Wiederholung endgültige Nichtbestehen einer Teilleistung, das zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führt, nicht zu beanstanden, wenn die Teilprüfung schon für sich genommen eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung der Eignung des Prüflings bietet. Eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage kann eine Teilprüfung dann bieten, wenn gerade durch sie eine Fähigkeit nachgewiesen wird, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil derjenigen Qualifikation anzusehen ist, die mit der Prüfung insgesamt nachgewiesen werden soll.
Eine solche Fähigkeit kann etwa in der Beherrschung einer bestimmten Fachmaterie oder, gegebenenfalls hiermit kombiniert, einer bestimmten Bearbeitungs- oder Darstellungsmethode bestehen, die nur in der betroffenen Teilprüfung abgeprüft werden. Der Normgeber kann aber davon ausgehen, dass ein positives Befähigungsurteil überhaupt nur bei durchgängiger Erzielung mindestens ausreichender Einzelleistungen gerechtfertigt ist; dann soll jede Teilprüfung mittelbar auch dem Nachweis der Fähigkeit zur fachbezogenen Leistungskonstanz dienen. Dies obliegt regelmäßig in weitem Umfang der eigenen Einschätzung des Normgebers, die gerichtlich nur beanstandet werden darf, wenn sie offenkundig sachlich unvertretbar ist. Diesbezüglich beschränkt sich die grundrechtliche Bindung des Normgebers auf das Gebot der Wahrung eines sachlichen Zusammenhangs mit den Anforderungen des betreffenden Berufs. Die Definition beruflicher und akademischer Qualifikationsstandards sind vorwiegend Akte politisch wertender Gestaltung; sie werden durch die Verfassung im Kern nicht vorentschieden.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung jüngst mit Kammerbeschluss vom 26.06.20152 bestätigt, indem es zum Kongruenzerfordernis zwischen prüfungsrechtlichen Bestehensregelungen, Berufsfreiheit und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf seine bisherige Rechtsprechung hingewiesen und daran festgehalten hat: Prüfungsregelungen genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch nur, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind3. Das Bestehen von Teilprüfungen kann folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten4. Spezifische Anforderungen einer Kongruenz mit Staatsprüfungen sind Art. 12 Abs. 1 GG damit jedoch nicht zu entnehmen.
Soweit der Normgeber unabdingbare Teilprüfungen vorsieht, ist er also dazu befugt, die Anzahl der Teilprüfungen und ihren Inhalt festzulegen, solange dafür ein sachlicher Grund erkennbar ist und die Geprüften durch die Ausgestaltung der Prüfung nicht unzumutbar belastet werden. Dafür ist es unerheblich, ob die Gesamtprüfung in 3 Teilprüfungen (juristische Universitätsprüfung) oder 29 Teilprüfungen (Kommissaranwärter) untergliedert ist und in welchem Studienabschnitt genau die Teilprüfungen dem Geprüften abverlangt werden, solange jede einzelne Teilprüfung mit Sachgrund eine vom Normgeber als unerlässlich eingestufte Fähigkeit abprüft. Denn zum einen ist die Zulässigkeit der Abschichtung von Prüfungsleistungen beispielsweise beim juristischen Staatsexamen in der Rechtsprechung anerkannt5. Zum anderen wirkt die Abschichtung der Prüfungsleistungen für die Geprüften nicht nur belastend, sondern auch entlastend6. Sie müssen die Einzelleistungen nicht im Ganzen in einem kleinen festen Zeitfenster erbringen. Vielmehr unterziehen sie sich den einzelnen Teilprüfungen über ihre gesamte Ausbildung hinweg und können sich so auf jeden Prüfungsteil einzeln und konkret vorbereiten.
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung billigt das Bundesverwaltungsgericht, dass das einmal wiederholte endgültige Nichtbestehen einer Teilprüfung – hier „Berufspraktisches Training“ Bereich Ausdauer, 3000-Meter-Lauf – rechtmäßig ist, weil das Erbringen von Ausdauerleistungen nach der Gruppe 5 des Deutschen Sportabzeichens dem Nachweis der körperlichen Leistungsfähigkeit dient und diese nach den dem Dienstherrn obliegenden Anforderungen für die Wahrnehmung der Kernaufgaben polizeilichen Handelns unerlässlich ist. Einen sich hieraus ergebenden weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23. September 2015 – 2 B 73.2014 –
- BVerwG, Urteil vom 29.05.2013 – 6 C 18.12, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 418 Rn. 27[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 26.06.2015 – 1 BvR 2218/13, DVBl.2015, 1192, 1193[↩]
- vgl. BVerfGE 80, 1, 24 m.w.N.; stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 80, 1, 35; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 06.03.1995 – 6 B 3.95 4 f. m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.03.2001 – NotZ 21/00, BGHReport 2001, 443 f. zur Bewertung der Abschlussprüfung in der einstufigen Juristenausbildung bei Notarbestellung in Bremen[↩]
- vgl. z.B.: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.02.2014 – 9 S 2275/13 27[↩]