Ein Ausländer hat keinen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel, wenn das Asylverfahren noch nicht vollständig abgeschlossen ist; dies gilt auch dann, wenn das Bundesamt zwar Abschiebungsschutz zugesprochen, den Antrag auf internationalen Schutz (Flüchtlingsschutz, subsidiären Schutz) aber abgelehnt hat und der Ausländer gerichtlich den weitergehenden Schutz anstrebt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall begehrte eine afghanische Staatsangehörige, die Ende 2010 als Asylbewerberin eingereist war, die Verpflichtung der beklagten Stadt Frankfurt am Main, eine ihr bereits erteilte Aufenthaltserlaubnis auch auf einen vorangegangenen Zeitraum zu erstrecken. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte auf den Asylantrag der Asylbewerberin zwar festgestellt, dass in ihrer Person ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege, den weitergehenden Antrag auf internationalen Schutz aber abgelehnt. Die auf weitergehenden Schutz gerichtete Klage hatte später Erfolg.
Mit Blick auf die bereits bestandskräftig gewordene Feststellung von Abschiebungsschutz hatte sie am 17. Oktober 2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG beantragt. Die Stadt Frankfurt a.M. lehnte deren Erteilung unter Hinweis auf das Titelerteilungsverbot nach § 10 Abs. 1 AufenthG wegen des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens ab. Mit ihrer Klage auf rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ab Antragstellung im Oktober 2011 macht sie geltend, dass die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AufenthG bereits mit der (bestandskräftig gewordenen) Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes durch das Bundesamt erfüllt gewesen seien.
Sowohl das Verwaltungsgericht Frankfurt/Main1 als auch in der Berufungsinstanz der Hessische Verwaltungsgerichtshof2 in Kassel haben die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte nun diese Entscheidungen und wies auch die Revision zurück:
Weil ihr Asylverfahren noch nicht (insgesamt) bestandskräftig abgeschlossen war, kann ihr für den streitbefangenen Zeitraum nach § 10 Abs. 1 AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt werden.
Die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG greift auch in Fällen, in denen das mit dem Asylantrag eingeleitete Verfahren zur (bestandskräftigen) Anerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG geführt hat, es im Übrigen aber fortgeführt wird.
Die Sperre für die Erteilung eines Aufenthaltstitels während des Asylverfahrens wirkt dann für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens fort.
Dies folgt für das Bundesverwaltungsgericht aus dem Wortlaut der Vorschrift und wird durch den systematischen Zusammenhang mit § 10 Abs. 3 AufenthG und die Wertung des § 51 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG bestätigt. § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, nach dem Personen, bei denen – wie hier bei der Klägerin – ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden „soll“, vermittelt i.S.d. § 10 Abs. 1 AufenthG auch keinen „gesetzlichen Anspruch“ auf einen Aufenthaltstitel. Bei einer „Soll“-Regelung, wie sie § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG enthält, fehlt es an der erforderlichen abschließenden abstrakt-generellen, die Verwaltung bindenden Entscheidung des Gesetzgebers.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 1 C 31.2014 –