Nach dem Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist es Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden.

Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen [1].
Deshalb ist die Einhaltung der aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgenden Verpflichtung nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als die angefochtene Entscheidung. Denn damit wird ein – angeblicher – Mangel in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung angesprochen, der die Annahme eines Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht rechtfertigen kann [2].
Ein einen Verfahrensfehler begründenden Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann aber ausnahmsweise insbesondere dann gegeben sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet [3]. Das Gebot der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt.
Ein Verstoß gegen dieses Gebot liegt vor, wenn ein Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätten aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Überzeugungsbildung und sogleich für die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung darauf, ob die Grenzen einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie die allgemeinen Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten sind [4]. Die für die richterliche Überzeugungsbildung maßgeblichen Gründe sind im Urteil anzugeben (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Im Allgemeinen genügt es, wenn der Begründung entnommen werden kann, dass das Gericht eine vernünftige und der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung und Beurteilung vorgenommen hat. Nicht erforderlich ist, dass sich das Gericht mit allen Einzelheiten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich auseinandersetzt. Aus der Nichterwähnung einzelner Umstände kann daher regelmäßig nicht geschlossen werden, das Gericht habe sie bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen [5].
Ein Tatsachengericht verstößt dann gegen Denkgesetze, wenn es einen Schluss zieht, der aus Gründen der Logik schlechterdings nicht gezogen werden kann und deshalb willkürlich ist. Dafür genügt es nicht, dass das Tatsachengericht nach Meinung eines Beteiligten unrichtige oder gar fernliegende Schlüsse gezogen hat. Ebenso wenig reichen objektiv nicht überzeugende oder gar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen aus [6].
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. März 2014 – 5 B 48.2013 -
- stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 19.01.1990 – 4 C 28.89, BVerwGE 84, 271, 272 m.w.N.; Beschlüsse vom 02.11.1995 – 9 B 710.94, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f.; und vom 14.07.2010 – 10 B 7.10, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.12 2011 – 5 B 24.11 – ZOV 2012, 98 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.2012 – 5 C 2.11, BVerwGE 143, 119 Rn. 18 m.w.N.; Beschlüsse vom 14.07.2010 a.a.O. Rn. 4; und vom 16.06.2003 – 7 B 106.02, NVwZ 2003, 1132, 1135, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 02.02.1984 – 6 C 134.81, BVerwGE 68, 338, 339 f.; vom 05.07.1994 – 9 C 158.94, BVerwGE 96, 200, 209; und vom 28.02.2007 – 3 C 38.05, BVerwGE 128, 155 Rn. 59, jeweils m.w.N.; Beschluss vom 14.01.2010 – 6 B 74.09, Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 87 Rn. 2 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 28.02.2007 – 3 C 38.05 – a.a.O. Rn. 59 m.w.N.[↩]
- stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 19.08.1997 – 7 B 261.97, Buchholz 310 § 133, n.F. VwGO Nr. 26 S. 15 f.; vom 06.03.2008 – 7 B 13.08, Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 Rn. 8; und vom 28.06.2013 – 5 B 79.12 13, jeweils m.w.N.[↩]