Eine Nichtregierungsorganisation, die Asylverfahrensberatung durchführt, hat keinen Anspruch auf Zugang ihres Beratungspersonals und Zufahrt eines als Beratungsraum genutzten Busses zu Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende, um dort eine nicht zuvor angefragte Asylverfahrensberatung anzubieten.

In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschiedenen Fall begehrt der klagende Verein für seinen „Infobus für Flüchtlinge“ und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Zufahrt und den Zugang zu den oberbayerischen Aufnahmeeinrichtungen des beklagten Freistaats Bayern, um Asylsuchende zu beraten. Der Freistaat Bayern hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht klargestellt, dass er den beratenden Personen den Zugang nicht verweigere, soweit diese ähnlich einem „mandatierten Rechtsanwalt“ konkret von einem Asylsuchenden zur Beratung angefragt worden seien.
Die hinsichtlich eines unmandatierten Zugangs und der Buszufahrt fortgeführte Klage hatte in erster Instanz vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München teilweise Erfolg1. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sie hingegen insgesamt abgewiesen2. Der Freistaat Bayern habe den anlasslosen Zugang des Beratungspersonals und die Zufahrt mit dem Infobus rechtsfehlerfrei versagt. Ein darauf gerichteter Anspruch des Klägers ergebe sich insbesondere weder aus der Regelung über die Asylverfahrensberatung in § 12a AsylG (Fassung bis 31. Dezember 2022) noch aus Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU. Das in der Richtlinie normierte Zugangsrecht sei von einer vorherigen Beauftragung durch einen Asylsuchenden abhängig. Das Bundesverwaltungsgericht sah dies nun ebenso und wies auch die Revision des klagenden Vereins zurück:
Der geltend gemachte Zugangsanspruch besteht, so das Bundesverwaltungsgericht, weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht; damit kann auch die Zufahrt des Infobusses nicht beansprucht werden.
Der nach Ergehen des Berufungsurteils zum 1. Januar 2023 neugefasste § 12a AsylG sieht zwar nunmehr eine behördenunabhängige, staatlich geförderte Asylverfahrensberatung vor. Er umfasst indes auch aktuell jedenfalls keinen von vorheriger Mandatierung unabhängigen Anspruch von Trägern der Asylverfahrensberatung auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen.
Einen solchen Anspruch kann der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht aus einer bisherigen Verwaltungspraxis in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes oder aus dem Gebot der Gleichbehandlung mit anderen zugangsberechtigten Organisationen herleiten.
Unionsrechtlich gewähren weder die Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) noch Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) Rechtsberatern und entsprechenden Nichtregierungsorganisationen einen Anspruch auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen ohne vorherige Beauftragung durch einen Asylsuchenden. Der nach der letztgenannten Regelung sicherzustellende Zugang von Rechtsbeiständen oder Beratern und einschlägig tätigen nationalen und internationalen Organisationen, um den Antragstellern zu helfen, setzt nach Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Norm den zuvor durch einen bestimmten Asylsuchenden geäußerten Beratungswunsch voraus. Die effektive Wahrnehmung der Beratungsmöglichkeit wird dadurch nicht unangemessen erschwert.
Der klagende Verein hat auch keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über sein Zugangsbegehren. Die ablehnende Entscheidung des Freistaats Bayern, der die Zugangspraxis u.a. mit dem Ruhebedürfnis und den Sicherheitsinteressen der in einer Aufnahmeeinrichtung untergebrachten Asylsuchenden begründet hat, weist für das Bundesverwaltungsgericht keinen Ermessensfehler auf.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. März 2023 – 1 C 40.21
- VG München, Urteil vom 06.06.2019 – VG M 20 K 18.876[↩]
- BayVGH, Urteil vom 29.07.2021 – VGH 5 BV 19.2245[↩]
Bildnachweis:
- Flüchtling im Hamburger Hafen: fsHH