Die Flüchtlingseigeschaft erlischt nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 a AsylVfG nicht nur dann, wenn sich der Ausländer auf unbegrenzte Dauer wieder in sein Heimatland begibt. Eine Niederlassung kann auch dann vorliegen, wenn er dort eine Art zweiten Wohnsitz unterhält. Maßgeblich sind im Einzelfall die Dauer, der Anlass und der Ort des Aufenthalts, sowie die Art der Einreise.

Die Ausländerbehörde ist berechtigt, einen feststellenden Bescheid zu erlassen, auch wenn die Flüchtlingseigenschaft in den Fällen des § 72 Abs. 1 AsylVfG kraft Gesetzes erlischt. Es kann nämlich in tatsächlicher Hinsicht Zweifel geben, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, so dass für die Betroffenen ein Bedürfnis nach rechtsverbindlicher behördlicher Feststellung besteht [1]
Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1a AsylVfG erlischt unter anderem die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn der Ausländer freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor politischer Verfolgung verlassen hat, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat.
Die mit Wirkung vom 28. August 2007 eingefügte Regelung des § 72 Abs. 1 Nr. 1a AsylVfG dient der Umsetzung des wortgleichen Art. 11 lit. d der Richtlinie 2004/83/EG. Es handelt sich um eine gegenüber § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, welcher das Erlöschen der Anerkennung allgemein für den Fall regelt, dass sich Flüchtling wieder dem Schutz des Staates seiner Staatsangehörigkeit unterstellt, speziellere Vorschrift [2].
Ohne entscheidende Bedeutung ist, ob der Betroffene tatsächlich keine politische Verfolgung mehr zu befürchten hat. § 72 AsylVfG regelt nämlich Handlungen, aus denen im Regelfall abzuleiten ist, dass das Schutzbedürfnis des politisch Verfolgten entfallen ist und dies so einfach festgestellt werden kann, dass hierfür eine sachverständige Beurteilung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in einem Widerrufsverfahren (§ 73 Abs. 1 AsylVfG) nicht erforderlich erscheint [3]. Ob im hier vom Bundesverwaltunsgericht entschiedenen Fall den yesidischen Klägern bei einer weiteren Rückkehr in den Irak im Einzelfall dennoch wieder politische Verfolgung droht, könnte mithin lediglich im Rahmen eines weiteren Asylfolgeverfahrens (§ 71 AsylVfG) überprüft werden.
Eine Niederlassung im Heimatland erfordert deshalb eine Rückkehr auf längere Zeit. Der Aufenthalt muss jedoch nicht notwendig auf unbegrenzte Dauer gerichtet sein. Es reicht vielmehr aus, wenn der Ausländer im Land seiner Staatsangehörigkeit eine Art zweiten Wohnsitz unterhält. Auch dies würde regelmäßig belegen, dass der Betroffene sich nicht mehr gefährdet fühlt. Die Rückkehr muss nach ihrer Dauer, ihrem Anlass, der Art der Einreise sowie dem Ort des Aufenthaltes Grund für die Annahme bieten, in ihr dokumentiere sich der Wegfall des Verfolgungsinteresses [4]. Nicht ausreichend ist deshalb etwa eine Rückkehr in das Heimatland zur Erfüllung einer sittlichen Pflicht [5]; auch bloße sich nicht über längere Zeiträume erstreckende Besuchsaufenthalte im Heimatland stellen noch keine Niederlassung dar [6].
Verwaltungsgericht Oldenburg, Urteil vom 19. Dezember 2011 – 11 A 2138/11
- vgl. BVerwG, Urteil vom 02.12.1991 – 9 C 126.90, NVwZ 1992, 679, 680; OVG Hamburg, Beschluss vom 10.11.2000 – 1 Bf 223/98; Schäfer in: GK-AsylVfG, Rn. 50 zu § 72[↩]
- vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 02.12.1991 a.a.O., S. 681[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 02.12.1991 a.a.O., S. 680[↩]
- vgl. Marx, AsylVfG, 7. Aufl., Rn. 33 zu § 72; Bergmann in: Renner, AuslR, 9. Aufl., Rn. 12 zu § 72 AsylVfG[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 02.12.1991 a.a.O., S. 681[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 – 9 C 12.99 – juris, Rn.19; Bergmann a.a.O.[↩]