Die in § 71 Abs. 3 S. 1 Hamburgisches Hochschulgesetz auf Ausnahmefälle beschränkte Habilitation aufgrund einer hervorragenden Dissertation begegnet beim Bundesverfassungsgericht keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Kontrolle von Prüfungsentscheidungen und Prüfungsverfahren ergeben sich sowohl aus der Berufsfreiheit als auch aus dem Grundsatz der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG1. Dieser Grundsatz erfährt durch die bei Habilitations- wie Berufungsentscheidungen zu beachtende Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG2 im Wissenschaftsbereich eine besondere Ausprägung3.
Eine Habilitation ist Teil einer Berufszulassungsprüfung4. Die Regelung des § 71 Abs. 3 Satz 1 HmbHG, die in der Habilitationsordnung konkretisiert wird, stellt formale Anforderungen an die Zulassung zur Habilitation, die somit in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreifen. Dieser Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügt. Diese Anforderungen fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung in die Freiheit der Berufswahl eingreift, während Beschränkungen der Berufsausübung eher zu rechtfertigen sind. Je empfindlicher die Berufsausübenden in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt werden, desto stärker müssen die Interessen des Gemeinwohls sein, denen die Regelung zu dienen bestimmt ist5. Wird der Zugang zur Wissenschaft als Beruf beschränkt, ist die Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu berücksichtigen.
Die Regelungen des hamburgischen Hochschulrechts zur Habilitation verfolgen den besonders gewichtigen Gemeinwohlbelang der Sicherung der Qualität freier wissenschaftlicher Arbeit. Sie verwehren denjenigen die Zulassung zum Habilitationsverfahren, bei denen nicht erkennbar ist, dass sie eine besondere Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Forschung besitzen. Die Anforderung eines nach der Promotion zu erbringenden weiteren Nachweises gemäß § 71 Abs. 3 Satz 1 HmbHG zur Qualifikation für die Berufung auf eine Professur an einer Universität dient insofern der Funktionsfähigkeit des in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten freien Wissenschaftsbetriebs wie auch der Funktionsfähigkeit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten akademischen Berufsausbildung. Das gestufte Zulassungsverfahren soll die Betroffenen vor von vornherein erfolglosen Versuchen schützen, habilitiert zu werden und dient zugleich dem Schutz der Qualität der Wissenschaft selbst.
Die Regelungen sind zur Erreichung dieser Zwecke geeignet, erforderlich und für die Betroffenen zumutbar. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass § 71 HmbHG neben der Promotion grundsätzlich einen (weiteren) Nachweis für die besondere Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit fordert. Die Promotion dient gemäß § 70 Abs. 1 HmbHG dem Nachweis der Befähigung vertiefter selbständiger wissenschaftlicher Arbeit; die Habilitation ist darauf aufbauend die entscheidende Qualifikationsprüfung für eine Professur an einer Universität und vermittelt die „Lehrstuhlreife“6. Zwar wäre es durchaus zulässig, den Zugang zu Wissenschaft als Beruf anders auszugestalten. Das Bundesverfassungsgericht prüft jedoch nicht, ob der Gesetzgeber die beste oder zweckmäßigste Regelung gewählt hat, denn er verfügt hier über einen weiten Gestaltungsspielraum7. Dies umfasst die Möglichkeit, den Zugang auch zu wissenschaftlichen Berufen durch typisierte Qualifikationsstufen zu regeln. Jede Typisierung birgt zwar gerade im Bereich der Wissenschaft das Risiko in sich, Qualifizierte in unzumutbarer Weise vom Zugang auszuschließen. Vorliegend ermöglichen die einschlägigen Regelungen aber gerade, dass „in Ausnahmefällen“ davon abgewichen werden kann. Damit bestehen verschiedene Möglichkeiten, die Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit nachzuweisen, die einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Bewerberinnen und Bewerber und der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsbetriebs ermöglichen.
Ob der im Gesetz neben einer hervorragenden Dissertation geforderte Ausnahmefall vorliegt, um diese auch als Habilitationsleistung anzuerkennen, ist im Lichte des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und damit wissenschaftsbezogen zu entscheiden8. Das Oberverwaltungsgericht hat in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls verneint und festgestellt, dass insbesondere persönliche Gründe wie das Lebensalter oder ein zuvor gescheitertes Habilitationsverfahren nicht als ein solcher Ausnahmefall zu berücksichtigen sind.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. November 2014 – 1 BvR 977/14
- vgl. BVerfGE 84, 34, 50; BVerfGK 18, 158, 170 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 79, 132 f.[↩]
- vgl. BVerfGK 18, 158, 171[↩]
- vgl. BVerfGK 18, 158, 169 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 103, 1, 10; 106, 181, 192; stRspr[↩]
- vgl. Hartmer, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl.2011, S. 212[↩]
- vgl. BVerfGE 77, 308, 332; stRspr[↩]
- vgl. zum Entzug des Doktorgrades BVerfG, Beschluss vom 03.09.2014 – 1 BvR 3353/13 17[↩]