Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass nach der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie auch die auf Grund illegaler Einreise kraft Gesetzes vollziehbare Ausreisepflicht (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) nicht mehr ohne weiteres mit der Abschiebung des Betroffenen durchgesetzt werden darf.

Dafür bedarf es einer dem Haftrichter nachzuweisenden Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie, die – soweit die Ausreisepflicht nicht bereits durch einen Verwaltungsakt begründet worden ist – regelmäßig durch die Androhung der Abschiebung nach § 59 AufenthG erfolgt1.
In den Abschiebungshaftsachen hat das in doppelter Hinsicht Bedeutung:
Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gehört zu den von dem Haftrichter bei der Anordnung der Abschiebungshaft zu prüfenden Vollstreckungsvoraussetzungen2. Fehlt es an einer Androhung der Abschiebung, darf die Haft zu deren Sicherung wegen Fehlens einer Vollstreckungsvoraussetzung grundsätzlich nicht angeordnet werden3. Dies gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung gegen den Betroffenen an sich vorlägen und die Ausländerbehörde auch beabsichtigt, eine solche Verfügung zu erlassen4.
Das Vorliegen einer Abschiebungsandrohung gehört zudem zu den von der Behörde im Haftantrag nach § 417 Abs. 2 Nr. 5 FamFG darzulegenden Vollstreckungsvoraussetzungen. Fehlt es an dem Vortrag der Behörde, dass eine Abschiebungsandrohung entweder bereits ergangen ist oder aber wegen Vorliegens einer anderen Rückkehrentscheidung ausnahmsweise entbehrlich ist, liegt ein Verstoß gegen den gesetzlichen Begründungszwang vor, der zur Unzulässigkeit des Haftantrags führt5. Ohne einen zulässigen Haftantrag der Behörde darf der Richter die beantragte Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen6.
Hat die beteiligte Behörde in ihrem Haftantrag diese Vollstreckungsvoraussetzung mit keinem Wort erwähnt, fehlt es an einem zulässigen Haftantrag.
Ein solcher Begründungsmangel im Haftantrag kann – wenn auch nur mit Wirkung für die Zukunft7 – allerdings im Beschwerdeverfahren grundsätzlich behoben werden8. Das setzt jedoch voraus, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, sich zu den von der Behörde ergänzten Ausführungen zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Haftanordnung vor dem Beschwerdegericht zu äußern und persönlich dazu Stellung zu nehmen9.
Zu einer solchen Behebung des Mangels konnte es im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall jedoch schon deswegen nicht kommen, weil der Vorgang erst nach der Abschiebung des Betroffenen an das Beschwerdegericht gelangt ist. Eine Behebung des Begründungsdefizits wäre deswegen selbst dann nicht mehr möglich gewesen, wenn das Beschwerdegericht erkannt hätte, dass es bei Erlass der Haftanordnung sowohl an einer Vollstreckungsvoraussetzung als auch an einem den Begründungsanforderungen in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG entsprechenden zulässigen Haftantrag fehlte.
Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob die beteiligte Behörde vor oder nach der Inhaftierung des Betroffenen eine überprüfbare Rückkehrentscheidung (wie eine Abschiebungsanordnung und eine Androhung) gegen ihn erlassen hat. Zwar hätte es dann nicht (oder nicht mehr) an einer für die Anordnung der Abschiebungshaft erforderlichen Vollstreckungsvoraussetzung gefehlt; der auf einem Verstoß gegen die Begründungsanforderungen in § 417 Abs. 2 FamFG beruhende Mangel des Haftantrags wird aber nicht bereits dadurch behoben, dass die objektiven Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft vorliegen oder nach dem Erlass der Haftanordnung eintreten.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Juli 2016 – V ZB 32/15
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.03.2013 – V ZB 135/12, NVwZ 2013, 1027 Rn. 7; Beschluss vom 16.05.2013 – V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 9; Beschluss vom 12.07.2013 – V ZB 92/12, FGPrax 2013, 279 Rn. 17; Beschluss vom 22.10.2014 – V ZB 64/14, InfAuslR 2015, 60 Rn. 6[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.05.2013 – V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 9; Beschluss vom 14.01.2016 – V ZB 18/14 7[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2013 – V ZB 92/12, FGPrax 2013, 279 Rn. 18[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.05.2013 – V ZB 44/12, FGPrax 2013, 229 Rn. 11; Beschluss vom 12.07.2013 – V ZB 92/12, FGPrax 2013, 279 Rn. 18[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.05.2013 – V ZB 11/13 7; Beschluss vom 30.10.2013 – V ZB 29/13 4 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 17.10.2013 – V ZB 162/12, InfAuslR 2014, 51 Rn. 6 mwN[↩]
- zur Unmöglichkeit einer rückwirkenden Heilung, vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2012 – V ZB 70/11 8; Beschluss vom 17.10.2013 – V ZB 162/12, InfAuslR 2014, 51 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2013 – V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130 Rn. 23[↩]
- BGH, Beschluss vom 29.04.2010 – V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210 Rn. 25; Beschluss vom 16.05.2013 – V ZB 11/13 9; Beschluss vom 30.10.2013 – V ZB 29/13 6[↩]