Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist gemäß § 88 VwGO nicht die Fassung des Klageantrages, sondern das wirkliche Rechtsschutzziel, wie es sich aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, erschließt. Unbeschadet der gesteigerten Bedeutung, die der Fassung des Klageantrages eines anwaltlich vertretenen Klägers zukommt, hat das Gericht auch im Anwaltsprozess dem wirklichen Klageziel Rechnung zu tragen, sofern dieses eindeutig von der Antragsfassung abweicht.

Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; es hat vielmehr das tatsächliche Rechtschutzbegehren zu ermitteln [1]. Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel [2]. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück [3]. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt [4].
Ist aber der Kläger bei der Fassung des Klageantrages anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. Januar 2012 – 9 B 56.11
- BVerwG, Urteil vom 03.07.1992 – 8 C 72.90, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr.19 S. 4 f.; Beschlüsse vom 05.02.1998 – 2 B 56.97, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 25 und vom 17.12.2009 – 6 B 30.09, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 38 Rn. 3[↩]
- stRspr; BVerwG, Urteil vom 03.07.1992 a.a.O.; Beschluss vom 25.06.2009 – 9 B 20.09, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 37 Rn. 2[↩]
- BVerwG, Urteil vom 27.04.1990 – 8 C 70.88, Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 5; Beschluss vom 19.06.2010 – 6 B 12.10, Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 55 Rn. 4[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.1982 – 1 C 62.81, Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 11 S. 5 f.; Beschlüsse vom 17.12.2009 a.a.O. und vom 19.06.2010 a.a.O.[↩]