Auch wenn eine Kunsteisbahn nur für zwei Monate im Jahr genutzt wird, handelt es sich um eine Betriebsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG.

In einem jetzt vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall wendet sich die Klägerin gegen die Zuständigkeit einer Industrie- und Handelskammer und die hieran anknüpfende Beitragspflicht: Die beklagte IHK erhebt nachihrer Beitragsordnung von ihren Mitgliedern (Kammerzugehörige) Beiträge. Mitglied der Beklagten sind nach § 2 Abs. 1 IHKG, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Braunschweig eine Betriebsstätte unterhalten, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind.
Die Klägerin erfüllt die Kriterien, entschied – ebenso wie in der ersten Instanz bereits das Verwaltungsgericht Braunschweig1 – nun das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg: Die Klägerin ist zur Gewerbesteuer veranlagt. Das Gesetz knüpft mit der Formulierung „zur Gewerbesteuer veranlagt“ nicht an die gemeindliche Gewerbesteuerveranlagung an, sondern an die objektive Gewerbesteuerpflicht für stehende Gewerbebetriebe nach § 2 GewStG, und für das Reisegewerbe nach § 35a GewStG2. Dass Merkmal „zur Gewerbesteuer veranlagt“ in § 2 Abs. 1 IHKG hängt folglich nicht davon ab, ob der betroffene Gewerbetreibende auch tatsächlich Gewerbesteuer zahlen muss, im IHK-Bezirk nur einen geringen Gewinn oder gar Verlust erwirtschaftet oder nach dem Gegenstand des Unternehmens selbst gewerblich tätig ist3.
Ebensowenig erfordert die Gewerbesteuerveranlagung einen örtlichen Bezug zum Kammerbezirk. Mit den in § 2 Abs. 1 IHKG für eine Kammerzugehörigkeit bestimmten Voraussetzungen zum einen der Gewerbesteuerveranlagung und zum anderen der im Bezirk der Kammer bestehenden Betriebsstätte wird ein örtlicher Bezug zum jeweiligen Kammerbezirk in unterschiedlicher Weise angesprochen: Erforderlich ist dieser örtliche Bezug nur im Hinblick auf die Betriebsstätte, nicht aber in Bezug auf die Gewerbesteuerveranlagung4. Eine Gewerbesteuerveranlagung im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG liegt mithin schon dann vor, wenn überhaupt eine objektive Gewerbesteuerpflicht besteht, ohne dass es darauf ankommt, ob der Gewerbesteuermessbetrag (oder der Gewinn aus Gewerbebetrieb) anteilig auf eine im Kammerbezirk belegene Betriebsstätte nach §§ 28 ff. GewStG zerlegt oder Gewerbesteuer für eine im Kammerbezirk belegene Betriebsstätte durch die zuständige Gemeinde festgesetzt worden ist.
Danach ist für das Vorliegen einer Gewerbesteuerveranlagung nach § 2 Abs. 1 IHKG im vorliegenden Fall unerheblich, dass durch die Finanzverwaltung eine anteilige Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages auch auf die im Kammerbezirk der Beklagten unterhaltene Kunsteisbahn nicht erfolgt ist und die Klägerin demgemäß auch nicht von einer Gemeinde im Kammerbezirk der Beklagten zur Gewerbesteuer herangezogen wurde. Ausreichend ist vielmehr, dass die Klägerin als juristische Person des privaten Rechts5, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, nach § 2 GewStG objektiv gewerbesteuerpflichtig ist. Diese objektive Gewerbesteuerpflicht steht hier außer Frage. Ihr Hauptbetrieb wird bei dem Finanzamt E. II (auch gewerbe-)steuerlich geführt. Sie ist aufgrund der objektiven Gewerbesteuerpflicht Mitglied der Industrie- und Handelskammer E..
Ein weiteres Kriterium ist das Vorliegen einer Betriebsstätte. Für die Definition der Betriebsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der steuerrechtliche Betriebsstättenbegriff des § 12 AO maßgeblich6.
Über das Tatbestandsmerkmal der Betriebsstätte entscheiden die Kammern in ihrem jeweiligen Bezirk und im Streitfall die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an Feststellungen der Steuerbehörden7. Daher ist es im vorliegenden Fall ohne Belang, dass das Finanzamt F. die Kunsteisbahn der Klägerin nicht als Betriebsstätte, sondern nur als unselbständige Zweigstelle eingestuft hat.
Betriebsstätte ist nach § 12 Satz 1 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Dazu gehören bauliche oder sonstige Zusammenfassungen körperlicher Gegenstände und unternehmerisch nutzbarer sachlicher Mittel, aber auch Gegenstände, die zwar für sich genommen keinen lebenden wirtschaftlichen Organismus darstellen, aber einem Unternehmen unmittelbar dienen. Erforderlich sind eine Beziehung zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche, die auf eine gewisse Dauer und Stetigkeit angelegt ist, und eine eigene, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Unternehmers über die Einrichtung oder Anlage. Die Beziehung zur Erdoberfläche braucht nicht durch eine dauernde feste Verbindung hergestellt zu sein. Es genügt auch eine vorübergehende Verbindung durch die eigene Schwere; eine stets punktgenaue Aufstellung an demselben Ort ist nicht erforderlich. Das verdeutlichen die in § 12 Abs. 2 Nr. 6 und 8 AO genannten Beispiele8.
Demgemäß kann auch eine nur saisonal für wenige Monate unterhaltene Eisdiele in einem Badeort oder ein Skigeschäft in einer Wintersportgemeinde9, ein Verkaufsstand auf einem Wochenmarkt10, ein angemieteter Raum, der nur an 80 Tagen im Jahr von einem angestellten Außendienstmitarbeiter für Ordertermine genutzt wird11, ein nur zeitweise von einem Schulungsleiter oder Trainer genutzter Unterrichts- oder Sportraum12, eine nicht bestimmte Teilfläche eines Parkplatzes aufgrund einer unregelmäßigen Benutzung durch einen Lkw13 oder ein Kinderreitautomat, der vor oder in einem Ladengeschäft aufgestellt und vom Personal dieses Geschäftes täglich an den konkreten Betriebsort gebracht wird8, eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO sein.
Auch die von der Klägerin unterhaltene Kunsteisbahn ist eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO. Die Eisbahn wird unter Verwendung beweglicher Matten, die ein Kühlmittel durchfließt, errichtet und von einer Umgrenzung umgeben. Für die Dauer der Errichtung der Eisbahn hat diese schon aufgrund des Eigengewichts der einzelnen Anlagenteile eine feste Beziehung zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche. Dass diese räumliche Beziehung nicht dauerhaft besteht, ist unerheblich, da sie jedenfalls auf eine gewisse Dauer und Stetigkeit angelegt ist. Auch die Errichtung der Eisbahn für nur zwei Monate im Jahr bewirkt eine für die Annahme einer Betriebsstätte hinreichende Dauer und Stetigkeit.
Der Klägerin steht jedenfalls für die Dauer der Errichtung auch eine eigene Verfügungsmacht über die Anlage zu. Dass an der Anlage bzw. den Anlagenteilen und dem Grund und Boden lediglich ein vertragliches Nutzungsrecht der Klägerin besteht, steht der Annahme der eigenen Verfügungsmacht nicht entgegen14.
Gegen die damit gegebene Pflichtmitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten bestehen weder unter Berücksichtigung ihrer Rechtsform als Limited englischen Rechts15 noch angesichts ihrer Doppelmitgliedschaft in mehreren Industrie- und Handelskammern16 grundlegende Bedenken.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 11. Februar 2011 – 8 LA 259/10
- VG Braunschweig, Urteil vom 19.08.2010 – 1 A 25/10[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 19.01.2005 – 6 C 10.04, BVerwGE 122, 344, 346; Nds. OVG, Urteil vom 20.05.1996 – 8 L 647/95, GewArch 1996, 413 f.; Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 7. Aufl., § 2 Rn. 36 ff.[↩]
- vgl. Jahn, Zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern – Ein Rechtsprechungsreport 2005 bis 2007, in: GewArch 2008, 137, 142 m.w.N.[↩]
- vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 11.06.2002 – 3 B 751/00 [↩]
- vgl. zur Rechts- und Parteifähigkeit der private company limited by shares englischen Rechts („Limited“): Jahn, a.a.O., m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil v. 19.01.2005, a.a.O., S. 347 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.1998 – 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243; Jahn, Betriebsstättenerfordernis und IHK-Mitgliedschaft, in: GewArch 2010, 394 f.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 27.10.1998, a.a.O.[↩][↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 17.09.2003 – I R 12/02[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 18.09.1991 – XI R 34/90; BFH, Urteil vom 09.10.1974 – I R 128/73, BFHE 114, 47; einschränkend BFH, Urteil vom 17.09.2003 – I R 12/02[↩]
- vgl. VG Leipzig, Urteil vom 15.11.1999 – 6 K 812/98[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 31.07.1996 – XI R 5/95[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 18.03.2009 – III R 2/06[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 18.03.2009 – III R 2/06; Nds. FG, Urteil vom 17.08.2005 – 2 K 319/02[↩]
- vgl. zur Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft einer englischen Limited in der Industrie- und Handelskammer mit Art. 43 und 48 EG: VG Darmstadt, Urteil vom 07.11.2006 – 9 E 793/05, GewArch 2007, 85 f.[↩]
- vgl. zur Zulässigkeit der Pflichtmitgliedschaft in mehreren Industrie- und Handelskammern: BVerwG, Urteil vom 27.10.1998, – 1 C 19.97, NVwZ-RR 1999, 243 f.[↩]