Verfolgt eine Stadt mit dem Aufstellen eines Bebauungsplans und einer Veränderungssperre das Ziel, zusätzliche Belastungen von der benachbarten Wohnbebauung fernzuhalten, steht die Errichtung und der Betrieb einer Halle zur Konditionierung schwach radioaktiver Abfälle damit in Einklang, wenn Belastungen in Form von Immissionen wie Lärm, Gerüche, Erschütterungen damit nicht verbunden sind. Dann besteht ein Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von der Veränderungssperre.

Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Braunschweig in dem hier vorliegenden Fall die Stadt Braunschweig dazu verpflichtet, einem weltweit tätiges Unternehmen, das radioaktive Komponenten für medizinische, wissenschaftliche und messtechnische Zwecke herstellt, eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Halle zur Konditionierung schwach radioaktiver Abfälle zu erteilen, wenn nicht andere, bisher nicht geprüfte Aspekte dem Vorhaben entgegenstehen. Die Geschäftsfelder der Klägerin umfassen Strahlentherapie, Isotopenprodukte, Radiopharmaprodukte und Umweltdienste. Zu letzterem gehört die Messung, Konditionierung und Verpackung schwach radioaktiver Abfälle zur Einlagerung im Endlager Konrad. Am 22.11.2011 beantragte die Klägerin eine Baugenehmigung für ein neues, ca. 1.800 m² großes und knapp 13 m hohes Gebäude zur Messung, Konditionierung und Verpackung schwach radioaktiver Abfälle in Thune, einem Ortsteil der Stadt Braunschweig.
Nachdem sich eine Bürgerinitiative gegen das Vorhaben gebildet hatte, beschloss die Stadt Braunschweig die Aufstellung eines Bebauungsplans mit dem Ziel, die Zulässigkeit von Nutzungen für Anlagen zur Behandlung von Abfällen neu zu regeln. Bauliche Anlagen, die der Lagerung, Verwertung oder Weiterverarbeitung von Abfällen dienen, sollen danach ausgeschlossen sein. Zur Sicherung der Planungen erließ die Stadt Braunschweig eine bis zum 13.03.2014 geltende sog. Veränderungssperre. Daraufhin beantragte die Klägerin ihr eine Baugenehmigung unter Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre zu erteilen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Braunschweig handelt es sich bei dem in Aufstellung begriffenen Bebauungsplan nicht um eine reine Verhinderungsplanung, weil der Entwurf positive Planungsansätze enthält. Deshalb ist die Veränderungssperre, die die Verwirklichung von Vorhaben im Plangebiet befristet untersagt, auch wirksam.
Allerdings ist das Verwaltungsgericht der Meinung, dass die Klägerin einen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme von der Veränderungssperre hat, da die Errichtung der beantragten Halle mit den Zielen der Planung der Stadt Braunschweig in Einklang steht. Die Stadt Braunschweig verfolgt das Ziel zusätzliche Belastungen von der benachbarten Wohnbebauung fernzuhalten. Die Errichtung und der Betrieb der umstrittenen Halle stehen dem nicht entgegen, weil Belastungen in Form von Immissionen wie Lärm, Gerüche, Erschütterungen damit nicht verbunden sind.
Nicht Gegenstand des Verfahrens war die strahlenschutzrechtliche Genehmigung. Ob durch die Konditionierung schwach radioaktiver Abfälle in der neuen Halle zusätzliche Immissionen entstehen, hatte das Gericht deshalb nicht zu prüfen, ist aber auch nicht zu erwarten. Dabei legt das Verwaltungsgericht zu Grunde, dass lediglich die Konditionierung von einer bestehenden Halle in eine andere, heutigen Anforderungen besser entsprechende, Halle verlagert werden soll. Zugleich soll die strahlenschutzrechtliche Umgangsgenehmigung für die bestehende Halle entsprechend reduziert werden. Bisher im Freien aufgestellte Container sollen später in der alten Halle aufgestellt werden, was dem Schutz der Nachbarschaft förderlich ist. Deswegen sind Gründe, die eine Ermessensentscheidung zu Lasten der Klägerin und damit eine Versagung der Baugenehmigung stützen könnten, nicht ersichtlich.
Die Stadt wird nunmehr die Baugenehmigung zu erteilen haben, wenn nicht andere, bisher nicht geprüfte Aspekte des Vorhabens entgegenstehen.
Verwaltungsgericht Braunschweig, Urteil vom 11. September 2013 – 2 A 1311/12