Setzt der Handelsvertreter (Vertragshändler) eine ihm vertraglich verbotene Konkurrenztätigkeit ungeachtet einer Abmahnung des Unternehmers (Herstellers/Importeurs) fort, so ist eine hierauf gestützte außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nicht deswegen unwirksam, weil der Unternehmer (Hersteller/Importeur) die Abmahnung erst mehrere Monate nach dem Zeitpunkt ausgesprochen hat, zu dem er von der verbotswidrigen Konkurrenztätigkeit Kenntnis erlangt hat.

Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat die Vertragshändlerin gegen das im Händlervertrag enthaltene Wettbewerbsverbot verstoßen und der Unternehmer war deshalb zur außerordentlichen Kündigung des Händlervertrages berechtigt gewesen. Gemäß § 89a HGB, der auf einen – hier vorliegenden – Vertragshändlervertrag entsprechend anwendbar ist1, kann das Vertragsverhältnis von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein solcher wichtiger Grund liegt nach der Legaldefinition in § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann2. Diese Voraussetzungen sind hier nach den rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Feststellungen gegeben.
Kündigung innerhalb angemesser Frist
Frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass die außerordentliche Kündigung eines Vertragshändlervertrages innerhalb angemessener Frist nach Kenntnisnahme von dem Kündigungsgrund ausgesprochen werden muss.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss eine außerordentliche Kündigung nach Kenntnis des Kündigungsgrundes, wenn auch nicht sofort, so doch in angemessener Zeit ausgesprochen werden3. Dieser Grundsatz gilt auch für das außerordentliche Kündigungsrecht gemäß § 89a HGB und entsprechend für den Vertragshändlervertrag4. Die Kündigung eines Vertragshändlervertrages aus wichtigem Grund muss dabei nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt werden. Denn diese Vorschrift wird durch die speziellere Vorschrift des § 89a HGB verdrängt und findet daher auf Vertragshändlerverträge ebensowenig wie auf Handelsvertreterverträge Anwendung5. Vielmehr ist dem zur Kündigung Berechtigten eine angemessene Überlegungszeit zuzugestehen, deren Dauer sich nach den Umständen des jeweiligen Falles richtet. Sie ist regelmäßig kürzer als zwei Monate, denn ein zweimonatiges Zuwarten kann in der Regel nicht mehr als angemessene Zeitspanne zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Überlegung der hieraus zu ziehenden Folgerungen angesehen werden, weil es darauf hindeutet, dass der Kündigende das beanstandete Ereignis selbst nicht als so schwerwiegend empfunden hat, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem anderen Teil bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung unzumutbar ist6.
Im folgenden hat es der Bundesgerichtshof offen gelassen, ob die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf7 zutrifft, dass (auch) bei einem – wie hier – fortlaufenden Verstoß gegen das Konkurrenzverbot die angemessene Überlegungszeit für den Kündigungsberechtigten und damit auch die angemessene Zeitspanne bis zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung (§ 89a HGB) bereits mit der (hinreichend sicheren) Kenntnis des Kündigungsgrundes beginnt oder ob insoweit, wie dies von Teilen der Literatur vertreten wird, auf den Abschluss des Dauersachverhalts abzustellen ist8.
Der Bundesgerichtshof hat die eingangs genannte Frage bisher nicht abschließend entschieden. Allerdings geht er im Anwendungsbereich des § 626 Abs. 2 BGB davon aus, dass dann, wenn es sich bei dem für die fristlose Kündigung maßgeblichen Grund um ein Dauerverhalten handelt, die ZweiWochenFrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht vor dessen Beendigung beginnt9.
Diese speziell auf die kurze materiellrechtliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zugeschnittene Rechtsprechung zum Fristbeginn bei Dauersachverhalten hat der Bundesgerichtshof entgegen der Auffassung der Revision jedoch bisher nicht auf das Handelsvertreter- und Vertragshändlerrecht übertragen. Auch ergibt sich aus dem bereits erwähnten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Dezember 199310 schon deshalb nichts anderes, weil diese Entscheidung den Sonderfall einer außerordentlichen Kündigung wegen Unterschreitung der vertraglich vereinbarten jährlichen Mindestbezugsmenge betraf. Die gegenteilige Auffassung findet auch in dem BGH-Urteil vom 12. März 199211 keine Stütze. Auch im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Mai 199912 bedurfte die Frage, ob im Rahmen des § 89a HGB das Vorliegen eines fortdauernden Vertragsverstoßes Auswirkungen auf den Beginn der dem Kündigungsberechtigten zuzubilligenden Überlegungsfrist hat, keiner Entscheidung. Es ging in diesem Fall entscheidend darum, dass der Kündigungsberechtigte vor den zum Anlass für die außerordentliche Kündigung genommenen Vertragsverstößen bereits seit längerem hinreichend konkrete Hinweise auf gleichgelagerte Vertragsverstöße hatte, es aber gleichwohl unterließ, diesen nachzugehen.
Ob es sachgerecht ist, bei dauerhaften oder wiederkehrenden Verstößen gegen ein Konkurrenzverbot die angemessene Frist, in der die außerordentliche Kündigung erklärt werden muss, erst mit dem Abschluss des vertragswidrigen Verhaltens beginnen zu lassen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn auch wenn man von einem Fristbeginn bereits ab Erlangung einer hinreichend sicheren Kenntnis des Kündigungsgrundes, hier also spätestens am 7. Juni 2005, ausginge, wäre die von der Vertragshändlerin am 4. Oktober 2005 ausgesprochene außerordentliche Kündigung aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles gleichwohl nicht als verspätet anzusehen.
Die gegenteilige Ansicht übersieht, dass der wesentliche Grund für die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung, ein zweimonatiges Zuwarten führe im Regelfall zum Verlust des Kündigungsrechts, darin liegt, dass ein solches Zuwarten – wie oben bereits erwähnt – darauf hindeutet, dass der Kündigende das beanstandete Ereignis selbst nicht als so schwerwiegend empfunden hat, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem anderen Teil bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung unzumutbar wäre13. Maßgeblich ist mithin das mit zunehmender Dauer der Nichtbeanstandung des Vertragsverstoßes steigende Vertrauen des Vertragspartners auf einen Fortbestand des Vertrages. Ein solches Vertrauen der Vertragshändlerin war hier jedoch schon deshalb nicht berechtigt, weil ihr bekannt war, dass der Unternehmer die im Vorjahr begangenen, gleichartigen Verstöße gegen das Konkurrenzverbot nicht hingenommen, sondern eine Abmahnung ausgesprochen und die fristlose Kündigung des Händlervertrages angedroht hatte.
Zutreffend beanstandet die Revision überdies, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Unternehmern, Kündigungsgrund sei (auch) der Umstand gewesen, dass die Vertragshändlerin ihr vertragswidriges Verhalten nach der Abmahnung vom 21.09. 2005 fortgesetzt habe, als neuen, im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigenden Vortrag angesehen und den Vortrag in einer Hilfsüberlegung zudem auch inhaltlich für unerheblich gehalten hat.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der genannte Vortrag sei im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen, ist, wie die Revision zutreffend rügt – ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei angesichts des Inhalts des unstreitigen und bereits in erster Instanz vorgelegten Kündigungsschreibens vom 04.10.2005 überhaupt um ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO handelt14 – schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Zulassungsgrund des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorlag. Der Gesichtspunkt, ob Kündigungsgrund (auch) die Fortsetzung des vertragswidrigen Verhaltens nach Abmahnung war, war nach der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts unerheblich. Denn das Landgericht hat der Unternehmern wegen der Dauerhaftigkeit der Pflichtverletzung der Vertragshändlerin eine weiträumige, nicht vor Beendigung des vertragswidrigen Zustandes beginnende und damit die hier streitgegenständliche Zeitspanne umfassende Überlegungsfrist zugebilligt. Auf spätere zusätzliche Kündigungsgründe kam es daher nach der Rechtsauffassung des Landgerichts nicht an. Diese Rechtsansicht des Erstgerichts hat den erstinstanzlichen Vortrag der Unternehmern, wie für die Anwendung des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO erforderlich15, auch beeinflusst und ist (mit) ursächlich dafür geworden, dass sich das oben genannte Vorbringen der Beklagten in das Berufungsverfahren verlagert hat und dort nach einem – von der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts abweichenden – Hinweis des Berufungsgerichts vom 05.05.2008 erfolgt ist16.
Fehl geht auch die vom Berufungsgericht – hilfsweise für den Fall einer Berücksichtigung des von ihm zurückgewiesenen Vorbringens der Beklagten – vertretene Auffassung, dieses Vorbringen stehe nicht im Einklang mit dem Inhalt des Kündigungsschreibens vom 04.10.2005. Das Berufungsgericht lässt in diesem Zusammenhang bereits außer Betracht, dass die Gründe für eine außerordentliche Kündigung bei deren Ausspruch nicht genannt zu werden brauchen, und damit die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 89a HGB nicht davon abhängt, dass der Grund, auf den die Kündigung gestützt wird, im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits mitgeteilt worden ist17.
Zudem spricht der Inhalt des Kündigungsschreibens vom 4. Oktober 2005, anders als das Berufungsgericht meint, keineswegs gegen die Annahme, dass Kündigungsgrund (auch) die Fortsetzung des vertragswidrigen Verhaltens nach Abmahnung war. Als Kündigungsgrund wird in diesem Schreiben der Verstoß gegen das im Händlervertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot genannt und hierbei ausdrücklich erwähnt, dass die Vertragshändlerin durch die Abmahnung vom 21.09. 2005 unter Gewährung einer Frist zur Abhilfeschaffung auf diese Konsequenz ihres Verhaltens hingewiesen worden sei. Damit kommt deutlich zum Ausdruck, dass jedenfalls auch die – unstreitig – trotz Abmahnung nicht erfolgte Beendigung des Vertragsverstoßes Anlass für den Ausspruch der Kündigung war.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellt die Fortsetzung des Wettbewerbsverstoßes nach der Abmahnung vom 21. September 2005 einen neuen, selbständigen Kündigungsgrund dar. Schon deshalb steht der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung insoweit nicht entgegen, dass der Unternehmer bereits im Juni 2005 Kenntnis von dem Verstoß der Vertragshändlerin gegen das Konkurrenzverbot erlangt hatte. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts hätte zur Folge, dass der Unternehmer ein fortgesetztes vertragswidriges Verhalten auf Dauer – bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – hinnehmen müsste, wenn er auf den ersten ihm zur Kenntnis gelangten Verstoß nicht innerhalb angemessener Frist die außerordentliche Kündigung erklärt. Das Berufungsgericht verkennt dabei, dass ein dauerhaftes vertragswidriges Verhalten durch ein Zuwarten des Unternehmers nicht zu einem vertragsgemäßen Verhalten wird. Der Unternehmer bleibt deshalb berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen und eine gleichwohl erfolgende Fortsetzung des vertragswidrigen Verhaltens zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung des Vertragshändlervertrages zu nehmen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 212/08
- vgl. BGH, Urteil vom 15.12. 1993 – VIII ZR 157/92, NJW 1994, 722 unter II 3; Emde in Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 89a Rn. 9[↩]
- BGH, Urteil vom 10.11.2010 – VIII ZR 327/09, WM 2011, 136 Rn. 19; vgl. auch BGH, Urteil vom 26.05.1999 – VIII ZR 123/98, WM 1999, 1986 unter II 2[↩]
- so bereits BGH, Urteil vom 15.02.1967 – VIII ZR 222/64, WM 1967, 515 unter IV 2 mwN; ebenso BGH, Urteil vom 27.01.1982 – VIII ZR 295/80, NJW 1982, 2432 unter II 1 b[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 27.01.1982 – VIII ZR 295/80, aaO; und vom 15.12. 1993 – VIII ZR 157/92, aaO unter II 1 und 3[↩]
- st. Rspr.; BGH, Urteil vom 15.12. 1993 – VIII ZR 157/92, aaO unter II 3 mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 15.12. 1993 – VIII ZR 157/92, aaO; vom 26.05.1999 – VIII ZR 123/98, aaO unter II 5 a; jeweils mwN[↩]
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.06.2008 – I‑16 U 36/07; ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2009 – 5 U 52/09; OLG Düsseldorf, OLGR 1999, 53, 54 f.[↩]
- so Emde, aaO Rn. 36; Giesler, Praxishandbuch Vertriebsrecht, 2005, § 4 Rn. 383 f.; im Grundsatz auch: Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 89a Rn. 31; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 89a Rn. 30; MünchKommHGB/von HoyningenHuene, 3. Aufl., § 89a Rn. 64 f.[↩]
- BGH, Urteile vom 05.06.1975 – II ZR 131/73, NJW 1975, 1698 unter 1 a; vom 26.06.1995 – II ZR 109/94, AG 1996, 32 unter 4; und vom 20.06.2005 – II ZR 18/03, WM 2005, 1411 unter IV 1; ebenso Staudinger/Preis, BGB, Neubearb. 2002, § 626 Rn. 292[↩]
- BGH, Ureil vom 15.12.1993 – VIII ZR 157/92, aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 12.03.1992 – I ZR 117/90, NJWRR 1992, 1059[↩]
- BGH, Urteil vom 26.05.1999 – VIII ZR 123/98, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.05.1999 – VIII ZR 123/98, aaO[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2008 – GSZ 1/08, BGHZ 177, 212 Rn. 10; BGH, Urteil vom 20.05.2009 – VIII ZR 247/06, NJW 2009, 2532 Rn. 15; jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2006 – V ZR 148/05, NJWRR 2006, 1292 Rn. 16 ff.; BGH, Beschluss vom 22.02.2007 – III ZR 114/06, NJWRR 2007, 774 Rn. 7 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2006 – V ZR 148/05, aaO Rn. 18 und 20[↩]
- BGH, Urteil vom 07.07.1988 – I ZR 78/87, NJWRR 1988, 1381 unter II 2 mwN[↩]
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