Fährhafen Puttgarden – Der Zugang zu einer Infrastruktureinrichtung

Der Zugang zu einer Infrastruktureinrichtung ist auch dann im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB unmöglich, wenn die vom Zugangspetenten begehrte Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist. Eine fehlende öffentlich-rechtliche Genehmigung oder eine anderweitige Widmung für die Mitbenutzung benötigter Betriebsflächen begründet keine rechtliche Unmöglichkeit des Zugangs. Rechtlich unmöglich ist die Mitbenutzung nur dann, wenn das Mitbenutzungsvorhaben nach den maßgeblichen Vorschriften des öffentlichen Rechts materiell nicht genehmigungsfähig ist oder feststeht, dass erforderliche behördliche Genehmigungen endgültig nicht zu erlangen sind oder ein erforderliches Planfeststellungsverfahren oder sonstiges Verwaltungsverfahren nicht zu einem das Mitbenutzungsvorhaben ermöglichenden Ergebnis führen kann.

Fährhafen Puttgarden – Der Zugang zu einer Infrastruktureinrichtung

Nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB liegt grundsätzlich ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor, wenn sich ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter einer bestimmten Art von gewerblicher Leistung weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden.

Nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB gilt das Verbot des ersten Halbsatzes nicht, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem in § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB verwendeten Begriff der Unmöglichkeit auch Sachverhalte unterfallen können, in denen die Verwirklichung des Plans des Zugangspetenten aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist.

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB. Nach dieser Vorschrift liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor, wenn sich ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter einer bestimmten Art von gewerblicher Leistung weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, wenn es dem anderen Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden. Nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB gilt dies nicht, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Die Kategorie der rechtlichen Unmöglichkeit ist also im Missbrauchstatbestand des ersten Halbsatzes von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ausdrücklich aufgeführt. Es sind keine Gründe ersichtlich, die eine abweichende Auslegung des Begriffs der Unmöglichkeit für den im zweiten Halbsatz derselben Vorschrift geregelten, im Streitfall maßgebenden Tatbestand der sachlichen Rechtfertigung des Missbrauchs nahelegen könnten. Das Gesetz lässt für die Annahme einer Unmöglichkeit ausdrücklich neben betriebsbedingten auch sonstige Gründe ausreichen. Hinzu kommt, dass der Begriff der Unmöglichkeit auch im Zivilrecht die rechtliche Unmöglichkeit erfasst. Danach ist eine Leistung unmöglich, wenn ihr ein dauerndes Rechtshindernis entgegensteht1. Dass der Gesetzgeber in § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB ein von diesen allgemeinen Grundsätzen abweichendes Verständnis des Begriffs der Unmöglichkeit gewollt hätte, ist nicht erkennbar.

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Eine rechtliche Unmöglichkeit im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB kommt im Streitfall deswegen in Betracht, weil die von den Zugangspetenten geplante Mitbenutzung (auch) Gleisflächen betrifft, die derzeit Bahnbetriebszwecken gewidmet sind.

Eine rechtliche Unmöglichkeit kommt nach allgemeinen Grundsätzen auch dann in Betracht, wenn die der Leistungserbringung entgegenstehende Rechtslage auf öffentlichrechtlichen Normen2 oder auf fehlenden behördlichen Genehmigungen beruht3. Auch für den Missbrauchstatbestand des 1. Halbsatzes von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ist anerkannt, dass sich eine rechtliche Unmöglichkeit aus öffentlichrechtlichen Tatbeständen wie beispielsweise dem Bauplanungsrecht ergeben kann4.

Die Annahme, die Unaufklärbarkeit der Frage, ob die beabsichtigte Mitbenutzung des Fährhafens Puttgarden eisenbahnrechtlich zulässig erfolgen könne, gehe zu Lasten des Bundeskartellamts und der durch die angefochtene Missbrauchsverfügung begünstigten Beigeladenen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, dass ein Vorhaben schon dann unmöglich sei, wenn feststehe, dass der geplanten Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung ein rechtlicher Hinderungsgrund entgegenstehe. Mache der Zugangspetent oder die Kartellbehörde geltend, dieser Hinderungsgrund könne ausgeräumt werden, gehe die Unaufklärbarkeit dieses Sachverhalts zu deren Lasten. Für eine Ausräumung des Hinderungsgrundes könne es mithin nicht ausreichen, wenn die Sach- und Rechtslage ungeklärt und es dementsprechend völlig offen sei, ob das einer Mitbenutzung der Infrastruktureinrichtung entgegenstehende Hindernis beseitigt werden könne. Die Beseitigung des rechtlichen Hindernisses müsse vielmehr feststehen oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren sein.

Daran fehle es hier. Die von den Beigeladenen geplante Nutzung der im Fährhafen Puttgarden vorhandenen Bahnbetriebsanlagen als Park- und Vorstauzonen stehe deren Widmung zu Bahnbetriebszwecken entgegen. Ob eine nach § 23 AEG mögliche Freistellung von den Bahnbetriebszwecken erfolgen könne, sei nicht nur ungeklärt, sondern eher zu verneinen. Nach dem Sach- und Streitstand sei nämlich die hinreichend ernsthafte – nicht bloß vage – Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die derzeit ungenutzten Teile der Eisenbahninfrastruktur im Bereich der Fährbetten 2 und 3 im Zuge der Baumaßnahmen zur Errichtung der geplanten festen Fehmarnbeltquerung benötigt würden. Offen sei ferner, ob die für eine bauliche Veränderung an den Gleisanlagen gemäß § 18 AEG erforderliche Planfeststellung erfolgen könne. Auch dies hänge maßgeblich davon ab, für welche Gleisflächen ein Bedarf im Zusammenhang mit der Errichtung der festen Fehmarnbeltquerung angemeldet werde. Solange noch nicht durch den Erlass des entsprechenden dänischen Baugesetzes und eines rechtskräftig abgeschlossenen Planfeststellungsverfahrens auf deutscher Seite bestandskräftig über die Art (Brücke oder Tunnel) und den genauen Verlauf der festen Fehmarnbeltquerung entschieden sei, müsse Vorsorge getroffen werden, dass die Realisierung der festen Beltquerung nicht durch eine Planfeststellung nach § 18 AEG beeinträchtigt werden könne.

Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Das Beschwerdegericht hat unzutreffend bei der Verteilung der materiellen Beweislast für die sachliche Rechtfertigung der Verweigerung eines Zugangs durch den Marktbeherrscher danach unterschieden, ob es um einen im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts gegebenen rechtlichen Hinderungsgrund oder um die Möglichkeit einer zukünftigen Ausräumung des Hinderungsgrundes geht. Damit hat es im Ergebnis zu geringe Anforderungen an die Feststellung einer rechtlichen Unmöglichkeit der erstrebten Mitbenutzung gestellt.

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Der Ansicht des Beschwerdegerichts, die auf der Unterscheidung zwischen gegenwärtiger und künftiger rechtlichen Möglichkeit einer Mitbenutzung beruht, steht bereits der Wortsinn der Unmöglichkeit entgegen. Der Begriff der Unmöglichkeit umfasst keine Hindernisse, die einer Leistungserbringung lediglich vorübergehend entgegenstehen. Der maßgebende tatsächliche, wirtschaftliche und rechtliche Sachverhalt ist vielmehr als Ganzes in den Blick zu nehmen. Deshalb ist die im Streitfall maßgebende rechtliche Unmöglichkeit grundsätzlich in den Fällen nicht gegeben, in denen die derzeitige Rechtslage die Bewirkung eines Erfolgs nicht erlaubt, die dazu erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen aber noch hergestellt werden können5. Rechtliche Unmöglichkeit liegt somit erst dann vor, wenn dem Eintritt eines Ereignisses ein dauerndes Rechtshindernis entgegensteht6, etwa weil das Vorhaben materiell nicht genehmigungsfähig ist7 oder erforderliche behördliche Genehmigungen endgültig nicht mehr zu erlangen sind8 bzw. ihre Erteilung völlig unwahrscheinlich ist9.

Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch im Hinblick auf die Prüfung der Unmöglichkeit im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB. Dessen Sinn und Zweck, im Hinblick auf wesentliche Infrastruktureinrichtungen marktöffnend zu wirken, bedingt es, bei der Prüfung der rechtlichen Unmöglichkeit die für die Durchführung des geplanten Vorhabens notwendigen behördlichen Verfahren insgesamt zu betrachten. Maßgebend ist nicht eine gegenwärtige Undurchführbarkeit der vom Zugangspetenten geplanten Maßnahme, sondern, ob die Maßnahme auch dann nicht ermöglicht werden kann, wenn der Zugangspetent und – soweit es zur Mitwirkung verpflichtet ist – das marktbeherrschende Unternehmen alle dazu notwendigen wirtschaftlichen und rechtlichen Schritte ergreifen, um das Wettbewerbsvorhaben ins Werk zu setzen.

Der Beurteilung des Missbrauchstatbestands des § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 1 GWB sind deshalb Prognoseentscheidungen immanent. Es geht um einen für die Zukunft angestrebten Zugang zu Infrastruktureinrichtungen. Für die Prüfung, ob es dem Zugangspetenten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens tätig zu werden, ist deshalb eine Prognose erforderlich. So ist zu prüfen, ob der Wettbewerber eine vergleichbare Einrichtung selbst errichten kann oder ob dem rechtliche oder wirtschaftliche Gründe entgegenstehen10. Gleiches gilt für die im Streitfall maßgebende Frage der sachlichen Rechtfertigung der Verweigerung einer Mitbenutzung wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB. Auch diese bezieht sich sachnotwendig auf den für die Zukunft begehrten Zugang. Für die Frage, ob dem marktbeherrschenden Unternehmen die Gewährung der Mitbenutzung seiner Infrastruktureinrichtung – etwa aus Gründen der zu geringen Kapazität der Einrichtung – nicht möglich ist, ist für den Zeitpunkt der geplanten Mitbenutzung, also durch eine Prognose zu beantworten. Nichts anderes kann im Hinblick auf die Frage der rechtlichen Unmöglichkeit der Mitbenutzung gelten.

Hinzu kommt, dass der Umstand, dass für die Anwendung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB maßgebend auf zukünftige Geschehensabläufe abgestellt werden muss, auch Auswirkungen auf die Rechtsfolgenseite hat. So setzt eine Abstellungsverfügung nach § 32 GWB regelmäßig ein abgestuftes Vorgehen voraus. Kann der beanstandete Missbrauch durch unterschiedliche vertragliche Gestaltungen oder sonstige Maßnahmen abgestellt werden, dürfen dem marktbeherrschenden Unternehmen die Zugangsbedingungen regelmäßig nicht vorgeschrieben werden. Die Kartellbehörde hat sich dann darauf zu beschränken, die unternehmerische Grundsatzentscheidung zu korrigieren und die Einzelheiten der Beziehung den Verhandlungen und der Einigung der Parteien zu überlassen. Sie darf den Rahmen für die Vertragsgestaltung durch das betroffene Unternehmen und seinen Vertragspartner nicht stärker einschränken, als dies durch den Zweck, den Missbrauch zu beseitigen, vorgegeben ist11. Daraus folgt aber, dass sich im Verlaufe von Einigungsbemühungen Umstände ergeben können, die Einfluss auf den Umfang und die konkrete Ausgestaltung der für die Mitbenutzung erforderlich werdenden Eingriffe in die Infrastruktureinrichtung haben. Dies wiederum kann Auswirkungen auf zukünftig durchzuführende behördliche Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren haben. Würde der Anspruch auf Zugang zu der Infrastruktureinrichtung schon dann verneint, wenn offen ist, ob ein bestehendes öffentlichrechtliches Hindernis beseitigt werden kann, käme es regelmäßig gar nicht zu einer abschließenden Prüfung, ob das Hindernis beseitigt werden kann, weil dies wiederum nur dann in Betracht käme, wenn es zur Realisierung des Zugangsvorhabens erforderlich wäre.

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Der vom Beschwerdegericht angenommene Maßstab begründete zudem die Gefahr, dass der Missbrauchstatbestand des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB einen wesentlichen vom Gesetzgeber intendierten Anwendungsbereich verlöre. So ist die Mitbenutzung von Seehafenanlagen zum Zwecke der Ermöglichung von Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt des Fährverkehrs ein in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich erwähnter Anwendungsfall des Regelbeispiels nach § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB12. Die Mitbenutzung eines bestehenden Fährhafens ist ein komplexer Sachverhalt, der ohne die Durchführung behördlicher Genehmigungsverfahren kaum denkbar ist. Dies betrifft nicht nur die Einrichtung einer neuen Fährlinie und die damit verbundenen Anforderungen an den Betreiber, die Schiffe und die Benutzung der Seewege und seeseitigen Hafenanlagen. Wie der Streitfall zeigt, werden vielfach auch im Hinblick auf die landseitigen Hafenanlagen bauliche Maßnahmen erforderlich werden, damit zukünftig zwei oder mehr Betreiber nebeneinander ihren Betrieb durchführen können. Hierfür dürften nicht selten Genehmigungen von Bau- oder Verkehrsvorhaben, die Aufhebung einer dem Vorhaben entgegenstehenden Widmung von Flächen oder die Durchführung von Planfeststellungsverfahren erforderlich werden. In solchen behördlichen Verfahren spielen eine Fülle von sachlichen Gesichtspunkten eine Rolle, die in eine ermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung einfließen müssen. Ließe man es – wie das Beschwerdegericht mit dem Hinweis auf eine möglicherweise in Betracht zu ziehende Nutzung von Gleisen im Zuge der Baumaßnahmen zur Errichtung der geplanten festen Fehmarnbeltquerung – ausreichen, dass ein einziger im Rahmen der behördlichen Ermessensentscheidung zu berücksichtigender wesentlicher Gesichtspunkt möglicherweise gegen das vom Zugangspetenten geplante Vorhaben spricht, wäre in diesen Fällen – vom ausnahmsweisen Vorliegen einer Ermessensreduzierung auf Null zugunsten des Zugangspetenten abgesehen – regelmäßig ein „offener“ Ausgang der behördlichen Verfahren zu prognostizieren.

Dies gilt umso mehr, als – wie auch der Streitfall zeigt – die maßgebenden Fachbehörden den im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes anfragenden Kartellbehörden oder Kartellgerichten regelmäßig keine verbindlichen Angaben zum Ausgang des behördlichen Verfahrens machen können. Insbesondere können Ermessensentscheidungen, die zukünftige Sachverhalte betreffen, deren genaue Ausgestaltung zudem noch nicht feststeht, von den Fachbehörden nicht vorweggenommen werden. Gegenstand der behördlichen Auskunft gegenüber dem Kartellamt können daher allenfalls Umstände sein, die bereits zum Zeitpunkt der Anfrage bekannt sind und die im Rahmen der noch vorzunehmenden Abwägung aller Umstände und rechtlich geschützten Interessen gegen das geplante Zugangsprojekt sprechen könnten. Ohne eine zum Zeitpunkt der Auskunft noch ausstehende Gewichtung dieser Umstände und deren Abwägung mit den Rechten des Zugangspetenten und sonstigen für die geplante Maßnahme sprechenden Umständen in einem förmlichen Verwaltungsverfahren hat eine solche Auskunft aber regelmäßig keinen belastbaren Wert.

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Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts lässt sich der von ihm vertretene weite Maßstab für die Annahme einer rechtlichen Unmöglichkeit einer Mitbenutzung auch nicht mit den eigentumsrechtlichen Belangen des Inhabers der Infrastruktureinrichtung begründen. Diese Erwägung berücksichtigt nicht hinreichend den Zweck des Missbrauchstatbestands gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, im Interesse des freien Wettbewerbs Marktzugangserschwernisse abzubauen, die sich aus der Inhaberschaft von Infrastruktureinrichtungen ergeben können. Der Gesetzgeber hat die Berücksichtigung der Belange des Marktbeherrschers im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB als Ausnahmetatbestand geregelt („dies gilt nicht“) und dem Inhaber der Infrastruktureinrichtung insoweit ausdrücklich die Beweislast auferlegt. Es ist damit von einem RegelAusnahmeverhältnis zugunsten eines Mitbenutzungszwangs auszugehen13. Das Rechtfertigungselement der Unmöglichkeit der begehrten Mitbenutzung muss daher positiv nachgewiesen werden. Daran fehlt es, wenn letztlich offenbleibt, ob eine behördliche Genehmigung versagt wird, eine öffentlichrechtliche Widmung nicht aufgehoben oder ein erforderliches Planfeststellungsverfahren erfolglos ausgehen wird.

Hinzu kommt, dass die vom Beschwerdegericht vorgenommene Unterscheidung nach dem aktuellen „Bestehen“ und der zukünftigen „Ausräumbarkeit“ auch deswegen rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, weil sie an RegelAusnahmeVerhältnisse des öffentlichen Rechts anknüpft, die keinen Bezug zu den in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB maßgebenden kartellrechtlichen Fragestellungen haben. Ob einem Vorhaben ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, eine öffentlichrechtliche Widmung, eine Planungsnotwendigkeit oder ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt entgegensteht oder ob das Vorhaben erlaubt ist und das Verwaltungsrecht lediglich nachträgliche behördliche Untersagungsmöglichkeiten vorsieht, hat zwar verwaltungsrechtliche Relevanz14. Für die kartellrechtliche Frage eines Anspruchs auf Zugang zu einer Infrastruktureinrichtung im Interesse der Wettbewerbsfreiheit auf einem vor- oder nachgelagerten Markt und der sachlichen Rechtfertigung der Ablehnung einer Mitbenutzung hat diese systematische Unterscheidung des öffentlichen Rechts aber keine durchgreifende Bedeutung.

Aus dem Dargelegten folgt zugleich, dass auch die vom Beschwerdegericht seiner Beweislastverteilung zugrunde gelegte Unterscheidung nach den aktuell vorliegenden Voraussetzungen eines rechtlichen Hinderungsgrundes und den Voraussetzungen, unter denen der Hinderungsgrund zukünftig ausgeräumt werden kann, der rechtlichen Überprüfung nicht standhält. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung lässt sich die vom Beschwerdegericht vertretene Verteilung der Beweislast auch nicht mit dem Gesichtspunkt der Verantwortungs- und Verfügungssphäre begründen. Zwar ist es zutreffend, dass die Ausräumbarkeit eisenbahnrechtlicher Hindernisse im allgemeinen und die spezielle Frage, ob die für den begehrten Zugang benötigten Gleisflächen im Rahmen des Baus einer festen Fehmarnbeltquerung nutzbar gemacht werden können, nicht in der Sphäre der Betroffenen zu 2 liegen. Diese Fragen gehören aber ebenso wenig zur Sphäre der Zugangspetenten. Die vom Beschwerdegericht vertretene Aufteilung der Beweislast liefe zudem darauf hinaus, dass der Inhaber der Infrastruktureinrichtung lediglich „nachweisen“ muss, dass das geplante Mitbenutzungsvorhaben genehmigungsbedürftig ist, der freien Nutzung eine öffentlichrechtliche Widmung entgegensteht oder ein erforderliches Planfeststellungsverfahren aussteht. Die für den auf die Zukunft gerichteten Tatbestand des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB entscheidende und mit erheblichen Prognoseunsicherheiten verbundene Frage der Erteilung einer Genehmigung, der Entwidmung oder der erfolgreichen Durchführung einer Planfeststellung würde dagegen den Zugangspetenten bzw. die Kartellbehörde belasten. Das ist mit dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB als Ausnahmetatbestand nicht in Einklang zu bringen.

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Aus alledem ergibt sich, dass eine rechtliche Unmöglichkeit der Mitbenutzung im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der rechtlichen Unmöglichkeit erst dann angenommen werden kann, wenn feststeht, dass nach den maßgebenden Vorschriften das geplante Vorhaben des Zugangspetenten bereits von vornherein nicht genehmigungsfähig ist oder aber erforderliche behördliche Genehmigungen endgültig nicht mehr zu erlangen sind bzw. die Durchführung eines erforderlichen Planfeststellungs- oder Entwidmungsverfahrens nicht zu einem das Mitbenutzungsvorhaben erlaubenden Ergebnis führen kann. Die dem marktbeherrschenden Unternehmen durch § 19 Abs. 4 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB auferlegte Beweislast umfasst dementsprechend sämtliche Umstände der Unmöglichkeit.

Diese Voraussetzungen einer rechtlichen Unmöglichkeit hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt.

Allerdings hat das Beschwerdegericht mit Recht angenommen, dass der von den Beigeladenen angestrebten Nutzung der Gleisanlagen als Park- und Vorstauzonen gegenwärtig deren Widmung zu Bahnbetriebszwecken entgegensteht. Im Ausgangspunkt zutreffend ist es ferner davon ausgegangen, dass das Eisenbahnrecht Instrumentarien vorsieht, nach denen die bestehende Widmung aufgehoben werden kann. So kann gemäß § 23 Abs. 1 AEG die zuständige Planfeststellungsbehörde für Grundstücke, die Betriebsanlagen einer Eisenbahn sind oder auf dem sich Betriebsanlagen einer Eisenbahn befinden, auf Antrag des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, des Eigentümers des Grundstücks oder der Gemeinde, auf deren Gebiet sich das Grundstück befindet, die Freistellung von den Bahnbetriebszwecken feststellen, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist.

Das Beschwerdegericht hat angenommen, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Nutzung der Gleisanlagen im Rahmen der Widmung zu Bahnbetriebszwecken zukünftig nicht zu erwarten sei. Es sei vielmehr die hinreichend ernsthafte – nicht bloß vage – Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die derzeit ungenutzten Teile der Eisenbahninfrastruktur im Bereich der Fährbetten 2 und 3 im Zuge der Baumaßnahmen zur Errichtung der festen Fehmarnbeltquerung benötigt würden. Diese Feststellung ist nicht ausreichend, um eine rechtliche Unmöglichkeit der geplanten Mitbenutzung zu begründen.

Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Frage, ob die erforderlichen baulichen Veränderungen unter den Voraussetzungen einer Planfeststellung gemäß § 18 AEG erlaubt werden können. Das Beschwerdegericht hat insoweit angenommen, dass es nach derzeitiger Sachlage offen sei, ob die für eine Hafenmitbenutzung erforderliche Planfeststellung erwirkt werden könne. Auch dies begründet keine rechtliche Unmöglichkeit der angestrebten Mitbenutzung des Fährhafens.

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Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde ferner gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, ein Zugangsanspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 102 AEUV.

Das Beschwerdegericht hat auch insoweit eine sachliche Rechtfertigung der Zugangsverweigerung bejaht und zur Begründung auf seine Ausführungen zur Unmöglichkeit des Zugangs im Rahmen der Prüfung des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB verwiesen. Da diese in Bezug genommenen Ausführungen – wie dargelegt – nicht frei von Rechtsfehlern sind, fehlt der Beurteilung des Beschwerdegerichts im Hinblick auf den unionsrechtlichen Missbrauchstatbestand des § 102 AEUV eine rechtlich tragfähige Grundlage.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Dezember 2012 – KVR 7/12

  1. statt aller Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 275 Rn. 16[]
  2. Ernst in MünchKomm-.BGB, 6. Aufl., § 275 Rn. 43[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1983 – VIII ZR 77/82, NJW 1983, 2873, 2874; Urteil vom 25.03.1994 – V ZR 171/92, WM 1994, 1250 f.; Urteil vom 28.01.1997 – XI ZR 42/96, NJW-RR 1997, 686, 688; Grüneberg aaO § 275 Rn. 16; Jauernig/Stadler, BGB, 14. Aufl., § 275 Rn. 16; Schulze, BGB, 7. Aufl., § 275 Rn. 12[]
  4. vgl. Möschel in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl., § 19 Rn.200; Bechtold, GWB, 6. Aufl., § 19 Rn. 104; Nothdurft in Langen/Bunte, Bd. 1, Deutsches Kartellrecht, 11. Aufl., § 19 Rn. 181; Götting in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., GWB § 19 Rn. 92; Mäsch/Lorenz, Praxiskommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, § 19 GWB Rn. 161[]
  5. Ernst in MünchKomm-BGB, 6. Aufl., § 275 Rn. 42[]
  6. Grüneberg aaO § 275 Rn. 16; Stadler aaO § 275 Rn. 16[]
  7. Grüneberg aaO § 275 Rn. 16[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1983 VIII ZR 77/82, NJW 1983, 2873, 2874; Urteil vom 28.01.1997 XI ZR 42/96, NJW-RR 1997, 686, 688; Stadler aaO § 275 Rn. 16; Schulze aaO § 275 Rn. 12; Unberath in Beck´scher OnlineKommentar, BGB, Stand: 1.03.2011, § 275 Rn. 30[]
  9. BGH, Urteil vom 25.03.1994 V ZR 171/92, WM 1994, 1250 f.[]
  10. vgl. Götting aaO § 19 Rn. 92; Bechtold aaO § 19 Rn. 104; Nothdurft aaO § 19 Rn. 181[]
  11. BGH, Urteil vom 24.09.2002 – KVR 15/01, BGHZ 152, 84, 94 f. – Fährhafen Puttgarden, mwN[]
  12. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrs. 13/9720, S. 36 f.; vgl. auch Götting aaO § 19 Rn. 87; Nothdurft aaO § 19 Rn. 176[]
  13. vgl. Möschel aaO § 19 Rn.206; Götting aaO § 19 Rn. 97; Nothdurft aaO § 19 Rn. 186[]
  14. vgl. Ehlers in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 1 Rn. 36 f.[]