Anforderungen an Bewertungsrügen im Spruchverfahren

Wurde im Rechtsstreit über die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses über einen Squeeze-Out ein Vergleich über ein gegenüber der Beschlussfassung erhöhtes Barabfindungsangebot erzielt, so müssen im Spruchverfahren konkrete Bewertungsrügen ergeben, dass der Antragsteller das erhöhte Angebot für nicht angemessen hält; setzt er sich nur mit dem ursprünglichen Angebot auseinander, fehlt es an konkreten Einwendungen gegen die Angemessenheit der Abfindung.

Anforderungen an Bewertungsrügen im Spruchverfahren

Ein zulässiger Antrag setzt voraus, dass konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der angebotenen Kompensation oder gegebenenfalls gegen den als Grundlage ermittelten Unternehmenswert erhoben werden, § 4 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 SpruchG.

Gegenstand der Überprüfung im Spruchverfahren ist das konkrete Abfindungsangebot des Hauptaktionärs, der die Übertragung der Aktien verlangt hat. Wurde sein ursprüngliches Angebot, das der Hauptversammlung zur Beschlussfassung unterbreitet wurde, im Rahmen einer gegen den Hauptversammlungsbeschluss erhobenen Anfechtungsklage durch einen Vergleich mit dem Hauptaktionär erhöht, dann ist Gegenstand des Verfahrens die Angemessenheit dieses erhöhten Abfindungsangebots1. Wird dessen Angemessenheit bejaht und werden die Anträge deshalb zurückgewiesen, bedarf es dann auch nicht der angeregten Klarstellung im Tenor, dass sich die Zurückweisung nur auf das Begehren bezieht, eine den Vergleichsbetrag übersteigende Abfindung festzusetzen und dass das Gericht diesen für angemessen hält.

Die Befürchtung, der zusätzliche Vergleichsbetrag könne beispielsweise durch eine Anfechtung des Vergleichs gefährdet sein, ist – so das Landgericht Stuttgart im vorliegenden Verfahren – ohnehin theoretischer Natur, nachdem die von zahlreichen Antragstellern vorgelegten Ausbuchungsbelege zeigen, dass nach der Eintragung des Squeeze-Out den ausgeschlossenen Aktionären über die Depot-Banken der Vergleichsbetrag von 13 EUR je Aktie gutgeschrieben wurde. Im Übrigen ergibt sich eine hinreichende Klarstellung aus diesen Ausführungen hier.

Auf den Verfahrensgegenstand müssen die konkreten Bewertungsrügen zielen.

Nach Überzeugung des Landgerichts Stuttgart sind zwar keine besonders hohen Anforderungen an die Antragsbegründung zu stellen, die Antragstellung erfordert keine Spezialkenntnisse in Bewertungsangelegenheiten und verlangt keine anwaltliche Vertretung2. Der Detaillierungsgrad der Konkretisierung ist, wie aus dieser Regelung folgt, am Detaillierungsgrad der Ausführungen zur Angemessenheit der Kompensation im Bericht der Unternehmen und dem Prüfbericht des sachverständigen Prüfers zu messen. Es muss dabei aber auch dargestellt werden, welche Auswirkungen sich auf die Kompensation ergeben3. Das heißt nicht, dass der Antragsteller eine eigene Berechnung nach dem Muster einer Ertragswertberechnung oder Ähnliches vorlegen muss, er muss auch keine konkrete Zahl als angemessenen Abfindungsbetrag vortragen oder sonst ausführen, dass sich eine erhebliche Erhöhung der Kompensation ergeben wird4. Die Ausführungen zu den Bewertungsrügen müssen auch nicht richtig oder schlüssig sein. Das Gebot konkreter Bewertungsrügen bezweckt eine Festlegung des Verfahrensstoffs zur Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Kompensation5. Es muss deshalb aber wenigstens ersichtlich sein, dass sich der Antragsteller bei seiner Begründung tatsächlich Gedanken darüber gemacht hat, dass die ihm angebotene oder schon ausgezahlte Kompensation in ihrer konkreten Höhe im Hinblick auf die von ihm dargelegten Argumente aus seiner Sicht wirklich unangemessen ist, und dass er nicht ohne Rücksicht darauf bloß routinemäßig mit einer textbausteinartigen Begründung am Verfahren teilnimmt, ohne für sich geprüft zu haben, ob sich seine Rügen überhaupt dazu eignen, eine Unangemessenheit der angebotenen Abfindung zu belegen.

Dies ist insbesondere dann erheblich, wenn es wie hier nicht darum geht, ob die ursprünglich im Übertragungsbericht angebotene und daraufhin von der Hauptversammlung beschlossene Kompensation angemessen ist, sondern ein zur Beilegung der Beschlussanfechtung geschlossener Vergleich zu einem erhöhten Abfindungsangebot geführt hat. In dem Fall hat das anschließende Spruchverfahren ohne Weiteres die Prüfung zum Gegenstand, ob dieses erhöhte Angebot unangemessen ist. In einem solchen Fall muss ein Antragsteller darlegen, warum selbst der im Vergleichsweg erhöhte Abfindungsbetrag nicht angemessen sein soll6.

Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 29. Juni 2011 – 31 O 179/08 KfH AktG

  1. LG München I, Beschluss vom 30.12.2009 – 5 HK O 15746/02; KG ZIP 2009, 1714[]
  2. vgl. etwa Drescher a.a.O. § 4 Rn. 21 ff[]
  3. Drescher a.a.O. Rn. 22 m.w.N.[]
  4. Drescher a.a.O. Rn. 21[]
  5. Drescher a.a.O.[]
  6. insoweit zutreffend KG ZIP 2009, 1714; vgl. auch Drescher a.a.O. § 4 Rn. 22[]