Ausschluss des Abfindungsanspruchs eines GmbH-Gesellschafters

Der Ausschluss des Abfindungsanspruchs eines Gesellschafters ist auch im Falle der Ausschliessung aus wichtigem Grund unwirksam; eine solche Regelung kann auch nicht als Vertragsstrafeversprechen ausgelegt werden.

Ausschluss des Abfindungsanspruchs eines GmbH-Gesellschafters

Nach allgemeiner Meinung sind sittenwidrige Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH allerdings nicht nach § 138 BGB, sondern analog § 241 Nr. 4 AktG nur dann nichtig, wenn sie durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstoßen. Der Beschluss muss also „für sich allein betrachtet“ gegen die guten Sitten verstoßen. Beschlüsse, bei denen nicht der eigentliche Beschlussinhalt, sondern nur Beweggrund oder Zweck unsittlich sind, oder bei denen die Sittenwidrigkeit in der Art des Zustandekommens liegt, sind lediglich anfechtbar. Insbesondere ist allgemein anerkannt, dass ein sittenwidriger Machtmissbrauch im Abstimmungsverfahren keine Nichtigkeit begründet. Eine Ausnahme wird nur dann gemacht, wenn der Beschluss in unverzichtbare Rechte des Gesellschafters eingreift oder Gläubiger schädigt, weil diese im Gegensatz zum Gesellschafter kein Anfechtungsrecht haben1

Im vorliegenden Fall ist der Beschlussinhalt, soweit er die Einziehung des Anteils ausspricht, nicht sittenwidrig. Gläubigerinteressen werden dadurch nicht berührt. Die Stellung als Gesellschafter ist kein unverzichtbares Recht, die Gesellschafterin hatte durch ihre Kündigung bereits selbst zu erkennen gegeben, dass ihr an der Gesellschafterstellung nichts mehr lag. Im Übrigen wird die Ausschließbarkeit eines GmbH-Gesellschafters aus wichtigem Grunde auch ohne satzungsmäßige Grundlage aus dem das bürgerliche Recht und das Handelsrecht beherrschenden Grundsatz abgeleitet, dass Rechtsverhältnisse von längerer Dauer, die stark in die Lebensbetätigung der Beteiligten eingreifen oder eine besondere gegenseitige Interessenverflechtung mit sich bringen und ein persönliches Zusammenarbeiten, ein gutes Einvernehmen oder ein ungestörtes gegenseitiges Vertrauen der Beteiligten erfordern, vorzeitig gelöst werden können, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Hierbei können die Wertungsgesichtspunkte herangezogen werden, die aus den §§ 140, 142 HGB folgen2, wie dies der Gesellschaftsvertrag vorliegend vorsieht. Der Streit über das Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes kann daher dem Bereich der Anfechtung zugeordnet werden, die vorliegend infolge der Fristversäumnis nicht mehr zu prüfen ist.

Anders verhält es sich jedoch mit dem Abfindungsausschluss, der nach den Bestimmungen des vorliegenden Gesellschaftsvertrages bei einer groben Verletzung der Interessen der Gesellschaft eintritt. Die Frage seiner Zulässigkeit ist von der Frage der Ausschließung zu trennen und separat zu würdigen3. Ein solcher völliger Abfindungsausschluss ist grundsätzlich unwirksam, auch bei Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund4. Der vollständige Abfindungsausschluss ist wegen Verstoßes gegen § 138 BGB, beziehungsweise § 241 Nr. 4 AktG unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Knebelung von Anfang an nichtig. Der Gesellschafterin werden ungerechtfertigter weise erworbene Vermögenspositionen entzogen, ihre persönliche und wirtschaftliche Freiheit erheblich beeinträchtigt5, weil die Beschränkung, hier der Ausschluss der Abfindung, vollkommen außer Verhältnis zu den Beschränkungen steht, die erforderlich sind, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft und die Fortführung des Unternehmens zu sichern6. Eine solche Unverhältnismäßigkeit wird schon angenommen, wenn die Abfindung die Hälfte des Buchwerts betragen soll, und liegt erst recht bei einem vollständigen Ausschluss vor7. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob Klauseln, die den Abfindungsanspruch einschränken, anderen Maßstäben unterliegen als solche, die einen vollständigen Ausschluss vorsehen. Denn jedenfalls der hier in streitstehende vollständige Ausschluss einer Abfindung verstößt gegen die guten Sitten.

Dieser gesellschaftsvertragliche Abfindungsausschluss kann auch nicht in ein Vertragsstrafeversprechen in Form einer Verfallklausel8 umgedeutet werden. Beide Rechtsinstitute verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Vertragsstrafe dient als Druckmittel zur Erzwingung vertragsgerechten Verhaltens und setzt ein Verschulden des Vertragsstrafeschuldners voraus, die Einziehung ist unabhängig von einem Verschulden des Gesellschafters möglich und dient dazu, die Gesellschaft davor zu schützen, dass ihr Vermögen zur Unzeit durch Abfindungsansprüche ausgehöhlt wird. Im Übrigen würde auch bei dieser Umdeutung die sittenwidrige Knebelung durch einen ungerechtfertigten Entzug miterarbeiteter Vermögenswerte erhalten bleiben5. Die Umdeutung für schuldhafte Verstöße hätte außerdem die Wirkung einer geltungserhaltenden Reduktion, die § 241 Nr. 4 AktG beziehungsweise § 138 BGB zuwiderläuft, der eben nicht lautet: „Soweit ein Rechtgeschäft gegen die guten Sitten verstößt, ist es nichtig“, sondern die Nichtigkeit des (ganzen) Rechtsgeschäfts anordnet. Dass § 139 BGB anwendbar sein mag, steht dem nicht entgegen.

Auch im konkreten Fall ergibt sich nichts anderes. Der gesellschaftsvertragliche Abfindungsausschluss knüpft daran an, dass der Gesellschafter die Interessen der Gesellschaft grob verletzt. Hierin das Erfordernis eines schuldhaften Verhaltens des Gesellschafters zu sehen und damit einen Hinweis auf den Willen der Gesellschafter, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, überzeugt nicht. Die Interessen der Gesellschaft sind auch dann grob verletzt, wenn ihr ein besonders hoher Schaden entsteht oder die Pflichtverletzung ihrer Art nach besonders schwer wiegt, unabhängig von der persönlichen Vorwerfbarkeit (vergleichbar dem groben Behandlungsfehler im Arzthaftungsrecht). Dies gilt für die Formulierung „grobe Pflichtverletzung“, die im Gesellschaftsvertrag benutzt wird, entsprechend. Auch dass ein gesetzlich geschuldetes Entgelt „so niedrig wie möglich zu bemessen“ sein soll, gebietet keine andere Betrachtung. So wäre dem Bestandsinteresse der Gesellschaft bestmöglich Rechnung getragen. Dies macht auch Sinn, wenn ein besonders hoher Schaden schuldlos herbeigeführt wurde.

Der vollständige Ausschluss der Abfindung im Gesellschaftsvertrag verstößt somit gegen die guten Sitten. Der Beschluss, der diese Folge feststellt, leidet an demselben Mangel, verstößt schon für sich allein betrachtet seinem Inhalt nach gegen die guten Sitten und ist daher nichtig. Dies gilt auch für den Zusatz: Hilfsweise wird festgestellt, dass das Abfindungsentgelt nur nach Maßgabe eines Gerichtsurteils geschuldet ist, mit welchem die im Ausschluss des Abfindungsanspruchs liegende Vertragsstrafe herabgesetzt wird. Er ist auf die Herabsetzung einer Vertragsstrafe nach § 343 BGB zugeschnitten, von der vorliegend nicht, auch nicht im Wege der Umdeutung, ausgegangen werden kann.

Soweit der Gesellschaftsvertrag weiter vorsieht, dass für den Fall, dass ein Entgelt rechtlich geschuldet sein sollte, dieses so niedrig wie möglich zu bemessen sein soll, kann hiermit der gefasste Beschluss, dass ein Abfindungsentgelt nicht geschuldet sei, auch nicht gerechtfertigt werden. Diese Bestimmung ist zu unbestimmt, um Rechtswirkungen zu zeitigen; es ist völlig unklar, was „so niedrig wie möglich“ meint, jedenfalls ist dies nicht Null.

Da es sich vorliegend um einen zusammengesetzten Beschluss aus der Ausschließung und dem Abfindungsausschluss handelt und eine Teilanfechtung einzelner Regelungsgegenstände, die eigene Streitgegenstände bilden, möglich ist9, kann insoweit auch eine Teilnichtigkeit ausgesprochen werden. Aus dem Beschluss „Die Einziehung ist wirksam, ohne dass es auf das Bestehen eines Abfindungsanspruchs … ankommt“ wird nämlich deutlich, dass die Ausschließung auch ohne den Ausschluss der Abfindung beschlossen worden wäre (§ 139 BGB).

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 17. Mai 2013 – 7 U 57/12

  1. BGH, Urteil vom 01.06.1987 – II ZR 128/86, BGHZ 101, 113[]
  2. BGH, Urteil vom 23.02.1981, II ZR 229/79, BGHZ 80, 364[]
  3. Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. § 131 Rn 128[]
  4. K. Schmidt in MünchKomm-HGB, 3. Aufl., § 131 Rn 166, Ulmer/Schäfer in MünchKomm-BGB, 5. Aufl., § 738 Rn 60, Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 131 Rn 63[]
  5. Behnke NZG 1999, 111, 113[][]
  6. BGH, Urteil vom 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359[]
  7. Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 131 Rn 124f.[]
  8. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. I, 1. Teil, 1977, S. 180[]
  9. BGH, Urteil vom 11.06.2007, II ZR 152/06, NZG 2007, 907, 908[]