Rechtsbeschwerde im Kapitalanleger-Musterverfahren – und der Beitritt der Musterbeklagten

Die Beitritte der Musterbeklagten sind unzulässig, wenn sie ihre Beitritte auf Seiten der zum Musterrechtsbeschwerdegegner bestimmten Musterbeklagten nicht innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 KapMuG begründet, sondern innerhalb der Frist lediglich beantragt haben, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Rechtsbeschwerde im Kapitalanleger-Musterverfahren – und der Beitritt der Musterbeklagten

§ 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 KapMuG gilt auch für den Musterbeklagten, der nicht zum Musterrechtsbeschwerdegegner bestimmt wird1.

Die Frist zur Begründung des Beitritts beginnt nicht erst, wenn die Bestimmung des Musterrechtsbeschwerdegegners aus den Musterbeklagten gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 KapMuG erfolgt ist. Vielmehr ist der Beitritt nach § 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 KapMuG innerhalb eines Monats ab Zustellung der Benachrichtigung über den Eingang der Rechtsbeschwerde nach § 20 Abs. 2 KapMuG zu begründen.

Dem steht nicht entgegen, dass ein Musterbeklagter bei Einlegung der Rechtsbeschwerde durch den Musterkläger oder durch einen oder mehrere Beigeladene auf Seiten des Musterklägers bei einer Mehrheit von Musterbeklagten im Falle einer Benachrichtigung über den Eingang der Rechtsbeschwerde nach § 20 Abs. 2 KapMuG ohne gleichzeitige Bestimmung des Musterrechtsbeschwerdegegners nach § 21 Abs. 1 Satz 2 KapMuG nicht wissen kann, ob er als Musterrechtsbeschwerdegegner bestimmt wird.

Denn jeder Musterbeklagte kann vorsorglich auf Seiten des Rechtsbeschwerdegegners beitreten und ggf. nach § 20 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 KapMuG, § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 ZPO die Verlängerung der Frist für die Begründung seines Beitritts beantragen. Wird er später als Musterrechtsbeschwerdegegner ausgewählt, erledigt sich sein Beitritt2.

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Aus der für die abweichende Auffassung zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.05.20183 ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof hat weder dort noch an anderer Stelle den (unzutreffenden) Rechtssatz aufgestellt, die Frist des § 20 Abs. 3 Satz 2 KapMuG beginne erst mit der Bestimmung eines Musterbeklagten zum Musterrechtsbeschwerdegegner. Aus dem von der juris GmbH vergebenen und von den Musterbeklagten zu 2 und 3 zitierten Orientierungssatz nicht: Leitsatz zu diesem BGH, Beschluss, der ohnehin keine irgendwie verbindliche Interpretation der Bundesgerichtshofsrechtsprechung bieten könnte, folgt abweichendes nicht4.

Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt nicht zu einem einseitigen Rechtsbeschwerdeverfahren ohne Rechtsbeschwerdegegner, wenn kein Beteiligter auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdegegners innerhalb der in § 20 Abs. 3 KapMuG genannten Frist den Beitritt erklärt und begründet. Das Rechtsbeschwerdegericht bestimmt gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 KapMuG nach billigem Ermessen durch Beschluss den Musterrechtsbeschwerdegegner aus den Musterbeklagten unabhängig davon, ob sie zu diesem Zeitpunkt am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt waren oder nicht.

Der Bundesgerichtshof kann die Entscheidung über die Zulässigkeit des Beitritts der Musterbeklagten zugleich mit der Endentscheidung über die Rechtsbeschwerde treffen, ohne dass es vorab einer Zwischenentscheidung bedürfte. § 71 ZPO findet keine entsprechende Anwendung5.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Oktober 2021 – XI ZB 26/19

  1. vgl. ausführlich BGH, Beschlüsse vom 01.12.2020 – XI ZB 27/19 2 ff.; und vom 23.02.2021 – XI ZB 29/19, WM 2021, 1047 Rn.19 ff.[]
  2. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 04.11.2019 – II ZB 2/18, BeckRS 2019, 54251 Rn. 1[]
  3. BGH, Beschluss vom 29.05.2018 – XI ZB 3/18[]
  4. BGH, Beschluss vom 23.02.2021 – XI ZB 29/19, WM 2021, 1047 Rn. 21[]
  5. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 11 mwN[]
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