Die Bezeichnung „Balthasar-Neumann-Preis“ ist ein schutzfähiger, hinreichend unterscheidungskräftiger Werktitel für die Verleihung eines Preises für Bauleistungen, die sich durch eine herausragende Verbindung von Architektur- und Ingenieurleistungen und eine Verknüpfung technischer und gestalterischer Aktivitäten auszeichnen.

Die Durchführung einer Preisverleihung in regelmäßigen Abständen, wie sie hier unstreitig gegeben ist, stellt ein werktitelschutzfähiges „sonstiges vergleichbares Werk“ i.S.v. § 5 Abs. 3 MarkenG dar. Die Bezeichnung „Balthasar-Neumann-Preis“ ist auch ein schutzfähiger, hinreichend unterscheidungskräftiger Werktitel.
Nach der vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung „PowerPoint“ [1] entwickelten Definition können im Interesse eines umfassenden Immaterialgüterrechtsschutzes „sonstige vergleichbare Werke“ i. S. v. § 5 Abs. 3 MarkenG auch andere geistige Leistungen sein, soweit sie als Gegenstand des Rechtsverkehrs bezeichnungsfähig sind; es muss ein immaterielles Arbeitsergebnis vorliegen, ein geistiges Produkt, das einen eigenen Bezeichnungsschutz benötigt, durch den es von anderen Leistungen geistiger Art unterscheidbar wird [2]. Das zum Rechtszustand vor Inkrafttreten des Markengesetzes in der Entscheidung „Zappel-Fisch“ [3] angeführte weitere Kriterium, das „geistige“ Immaterialgut müsse irgendeiner gedanklichen Umsetzung bedürfen [4] hat der Bundesgerichtshof in der „PowerPoint“-Entscheidung [5] nicht mehr angeführt, wobei unklar geblieben ist, ob aufgrund dessen das als Werk bezeichnungsfähige geistige Produkt keinen immateriell güterrechtlichen Kommunikationsgehalt mehr aufweisen muss [6], oder ein solcher nach wie vor erforderlich ist, allerdings nicht als aktueller Umsetzungsprozess mit dem Werkbenutzer verstanden werden darf [7], oder ob ein solcher geistiger Umsetzungsprozess unverändert zu fordern ist [8].
Auch in der Literatur war der kennzeichenrechtliche Werkbegriff Gegenstand einer ausführlichen Diskussion [9]. Nach Fezer [10] ist ein kennzeichenrechtliches Werk ein geistiges Produkt, das eine gedankliche Leistung mit kommunikativem Gehalt darstellt; die Verkörperung eines immateriellen Arbeitsergebnisses, das auf der Realisierung der gedanklichen Leistung mit kommunikativem Gehalt beruht. Es muss also die drei Voraussetzungen geistiges Produkt, Verkehrsfähigkeit und Bezeichnungsfähigkeit erfüllen.
Diese Meinungsunterschiede in Einzelheiten können vorliegend aber dahinstehen, da die regelmäßig wiederkehrende Verleihung eines Architekturpreises mit jeweils vorangehender Auslobung wie sie hier in Rede steht die Anforderungen an ein „sonstiges vergleichbares Werk“ nach allen Ansichten erfüllt:
Veranstaltungen erfordern ebenso wie andere Werke eine geistige Leistung [11], wenn entweder ihre Organisation auf einem besonderen geistig erfassbaren Konzept beruht oder wenn sie unter ihrer Bezeichnung Werke zusammenfasst, die solche geistigen Inhalte vermitteln [12]. Diese auf Messeveranstaltungen zugeschnittenen Ausführungen begründen die eigenständige geistige Leistung mit dem Konzept und dessen Umsetzung/Durchführung, wobei Voraussetzungen für die Etablierung einer erfolgreichen Veranstaltung Know-How und Kompetenz des Veranstalters (marktgerechtes Konzept) seien [13].
Das Landgericht Stuttgart hat dementsprechend in einem Urteil vom 22. November 2007 [14] die Durchführung einer Branchenmesse, die auf IT-Lösungen und Dienstleistungen im Gesundheitswesen spezialisiert und mit einem begleitenden Fachprogramm kombiniert war, als „Werk“ i. S. v. § 5 Abs. 3 MarkenG angesehen: eine wiederkehrende Messeveranstaltung mit bestimmter Themenstellung, die ein von vornherein festgelegtes Messeprogramm habe und sich interessierten Kreisen als organisatorische Einheit darstelle, sei mehr als das bloße körperliche Vorhandensein von Messeständen, vielmehr stehe hinter dieser regelmäßig wiederkehrenden Messe eine „thematische Idee“, die visuell, organisatorisch und inhaltlich aufgewertet werde und sich so den angesprochenen Verkehrskreisen präsentiere, womit ein immaterielles Arbeitsergebnis vorliege, das einer gewissen geistigen Umsetzung zur Erschließung bedürfe, also eine gedankliche Leistung mit kommunikativem Inhalt darstelle [15]. Das Landgericht Stuttgart hat es deshalb dahinstehen lassen können, ob es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überhaupt noch auf die Notwendigkeit eines gedanklichen Umsetzungsprozesses ankommt [15].
Daneben hat das Landgericht Stuttgart ebenso wie das Landgericht Düsseldorf in der Entscheidung „Paracelsus-Messe“ [16] auf die mehr oder weniger regelmäßige Wiederkehr der Veranstaltung mit der Fokussierung auf immer dasselbe Thema [17] abgestellt.
Wird nun wie vorliegend in regelmäßigen Abständen ein Preis für bestimmte Leistungen ausgelobt/ausgeschrieben (nämlich Bauleistungen, die sich durch eine herausragende Verbindung von Architektur- und Ingenieurleistungen und eine Verknüpfung technischer und gestalterischer Qualitäten auszeichnen), werden in einem anschließenden Auswahlprozess durch eine Jury Preisträger ausgewählt und diese dann in einer Veranstaltung (Preisverleihung) ausgezeichnet, wie dies zwischen den Parteien unstreitig ist ‑die lediglich über ihre „Urheberschaft“ bzw. ihren Anteil an Konzept und Durchführung streiten -, so erfüllt dies die Anforderungen an eine „geistige Leistung“ und einen „kommunikativen Gehalt“ ebenso wie eine Messeveranstaltung der beschriebenen Art.
Dieses Werk ist auch titelfähig, weil bezeichnungsfähig [18], da das in dem Konzept der Verleihung eines Preises nach bestimmten Kriterien für bestimmte Leistungen in einer wiederkehrenden Veranstaltung liegende immaterielle Arbeitsergebnis im Verkehr einer Kennzeichnung zugänglich ist und dann nach dieser gekennzeichnet werden pflegt.
Einer solchen Annahme steht die Entscheidung „Festival Europäischer Musik“ des Bundesgerichtshofs [19] nicht entgegen, denn in dieser (ohnehin noch zum alten Recht, also § 16 UWG a. F., ergangenen) Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Titelfähigkeit von Veranstaltungen bzw. Veranstaltungsreihen (dort: Konzertveranstaltung) nicht generell verneint, sondern bei einheitlichen, in ihrer Gesamtheit bezeichnungsfähigen Reihen oder Serien für möglich gehalten. Wie die Ausführungen des Bundesgerichtshofs [20] zeigen, hat er bereits nach der damaligen Rechtslage entscheidend darauf abgestellt, ob der Verkehr eine solche Konzertveranstaltung als Dienstleistung einstuft (erkennt) oder als Werk.
Die wiederkehrende Verleihung eines (Architektur-)Preises für bestimmte (Bau-) Leistungen nach bestimmten Kriterien wird jedoch von den angesprochenen Verkehrskreisen durchaus als besonders bezeichnungsfähiges Ereignis angesehen und regelmäßig auch als solche besonders bezeichnet werden, zumal die Anforderungen nach Inkrafttreten des MarkenG nicht zu hoch angesetzt werden dürfen [21].
Auch die Verkehrsfähigkeit [22] ist gegeben.
Diese liegt vor, wenn das geistige Produkt eine marktfähige Verkörperung darstellt. Das immaterielle Arbeitsergebnis als Werk muss dem Verkehr als eigenständiges Produkt erscheinen [23].
Das ist auch bei der wiederkehrenden Verleihung eines Preises für bestimmte besondere Leistungen bzw. dem dahinter stehenden Konzept der Fall: dieses könnte vermarktet, auch „übertragen“ (verkauft) werden.
Dieses Ergebnis entspricht auch der wohl h. L., wonach auch Veranstaltungen wie Messen, Festivals, Ausstellungsreihen, Festspiele und sonstige periodische Veranstaltungen oder Events ein „sonstiges vergleichbares Werk“ i. S. v. § 5 Abs. 3 MarkenG sein können, wenn sie die allgemeinen Voraussetzungen an ein kennzeichenrechtliches Werk i. S. dieser Norm (also geistiges Produkt, Verkehrsfähigkeit und Bezeichnungsfähigkeit) erfüllen [24].
Die Bezeichnung „Balthasar-Neumann-Preis“ stellt auch einen hinreichend unterscheidungskräftigen Werktitel dar.
Hinsichtlich der Unterscheidungskraft (Kennzeichnungskraft) für Titel- und Markenschutz gelten unterschiedliche Kriterien. Dies beruht auf der unterschiedlichen Zielrichtung von Titel- und Markenschutz, denn ersterer ist inhaltsbezogen, letzterer herkunftsbezogen; der Werktitel dient der Individualisierung eines Werkes gegenüber anderen Werken, nicht als (auf Hersteller oder Inhaber des Werkes zielender) Herkunftshinweis (BGH GRUR 2003, 440, 441 – Winnetous Rückkehr; BGH GRUR 2000, 882 – Bücher für eine bessere Welt). Entscheidend ist also, ob dem Titel Unterscheidungskraft für das Werk zukommt [25]. Deren Zuerkennung ist schon bei einer geringen Unterscheidungskraft gerechtfertigt [26], insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr bei Werktiteln daran gewöhnt ist, dass gerade auch beschreibende Angaben zur Kennzeichnung eines Werks verwendet werden [27]. Damit können auch Werktitel schutzfähig sein, die als Marke nicht schutzfähig wären [28].
Demgemäß lässt sich aus dem Beschluss des Bundespatentgerichts vom 17. Februar 2009 [29], mit dem die gegen die Ablehnung der Eintragung der Marke „Balthasar-Neumann-Preis“ für die Dienstleistungen „Auslobung eines Preises zur Auszeichnung von Personen; Organisation, Durchführung und Veranstaltung von Preisverleihungen zur Auszeichnung von Personen; Veranstaltung von Wettbewerben zur Auszeichnung der technischen und gestalterischen Qualität der Zusammenarbeit verschiedener am Bau beteiligter Disziplinen an einem Bauwerk“ wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhobene Beschwerde zurückgewiesen worden ist, nichts Entscheidendes gegen eine werktitelmäßige Unterscheidungskraft herleiten. Zudem ist das Bundespatentgericht zwischenzeitlich in der Entscheidung „Egon-Erwin-Kisch-Preis“ [30] von seiner Auffassung, derartige Bezeichnungen für Preise seien beschreibend und nicht unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, abgerückt.
Vielmehr ist Kennzeichnungskraft gegeben, denn die Bezeichnung „Balthasar-Neumann-Preis“ ist für einen Preis, der für die herausragende Verbindung von Architektur- und Ingenieurleistungen vergeben wird, keineswegs rein (glatt) beschreibend [31]. Im Übrigen ist es der Verkehr gewohnt, dass Preise unter Bezeichnungen ausgelobt, vergeben und in Veranstaltungen in regelmäßigen Abständen verliehen werden, die nach historischen Persönlichkeiten benannt sind, die in dem jeweiligen Bereich tätig waren /berühmt wurden (Bsp. Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/Main), so auch das Bundespatentgericht in der Entscheidung „Egon-Erwin-Kisch-Preis“ [32].
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 4. August 2011 – 2 U 74/10
- BGH GRUR 1998, 155[↩]
- BGH a.a.O., 156[↩]
- BGH GRUR 1993, 767[↩]
- BGH a.a.O., 768[↩]
- und auch in den Entscheidungen BGH NJW 1997, 3315, 3316 – FTOS – und GRUR 2005, 959, 960 – FACTS II[↩]
- so Ingerl, WRP 1997, 1127, 1128 u. 1132[↩]
- so Fezer, MarkenG, 4. Aufl., § 15 Rn. 246 und auch schon in GRUR 2001, 369, 370[↩]
- so wohl Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 5 Rdnrn. 82 u. 85[↩]
- so jedenfalls Ströbele/Hacker, a.a.O., § 5 Rdnr. 81[↩]
- Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 15 MarkenG Rdnrn 243 ff.[↩]
- so zurecht Wilhelm, WRP, 2008, 902, 904[↩]
- Berberich, WRP 2006, 1431, 1434[↩]
- Wilhelm, ebenda[↩]
- LG Stuttgart, Urteil vom 22.11.2007 – 17 O 560/17[↩]
- LG Stuttgart, a.a.O.[↩][↩]
- LG Düsseldorf WRP 1996, 156[↩]
- im Falle des LG Düsseldorf „ganzheitliche Medizin“, a.a.O., 159[↩]
- zu diesem Kriterium etwa Fezer, a.a.O., § 15 MarkenG Rdnr. 248[↩]
- BGH GRUR 1989, 626, 627[↩]
- BGH a.a.O.[↩]
- so zu Recht Fezer, a.a.O., § 15 MarkenG Rdnr. 257[↩]
- gefordert etwa von Fezer, a.a.O., § 15 MarkenG Rdnr. 247[↩]
- Fezer, ebenda[↩]
- neben Fezer, a.a.O., § 15 MarkenG Rdnrn. 253, 257 und 265 auch Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 5 Rdnr. 79 mit weiteren Nachw., anders etwa Ströbele/Hacker, a.a.O., § 5 Rdnr. 86 mit Fn. 309, dort weitere Nachweise zu beiden Ansichten[↩]
- Fezer, a.a.O., § 15 MarkenG Rdnr. 271 spricht von „werktitelmäßiger Unterscheidungskraft“[↩]
- Fezer, a.a.O., § 15 MarkenG Rdnr. 274; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rdnr. 92[↩]
- BGH GRUR 2003, 440, 441 – Winnetous Rückkehr[↩]
- Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 5 Rdnr. 92 mit Nachw. aus der Rspr. des BGH[↩]
- BPatG, Beschluss vom 17.02.2009 – 27 W(pat) 9/09[↩]
- BPatG GRUR 2010, 421[↩]
- siehe insoweit vergleichbar LG Düsseldorf WRP 1996, 156, 159: Paracelsus-Messe nicht beschreibend für eine Messe für ganzheitliche Medizin[↩]
- BPatG GRUR 2010, 421, 422[↩]