Durch die gesetzliche Regelung über die Ersatzversorgung gemäß § 38 EnWG soll für die ersatzversorgungsberechtigten Letztverbraucher eine Auffangbelieferung für den Fall sichergestellt werden, dass ein reguläres Energielieferverhältnis nicht besteht. § 38 EnWG umfasst daher nicht den Fall, dass zwei Energieversorgungsunternehmen gegenüber dem Letztverbraucher geltend machen, ihn auf vertraglicher Grundlage zu beliefern (Lieferantenkonkurrenz).

Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes ist in diesem Fall zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Stromlieferungsvertrag zustande gekommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar grundsätzlich in dem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens ein Vertragsangebot in Form einer sogenannten Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrages zu sehen, das von demjenigen konkludent angenommen wird, der dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens Elektrizität entnimmt. Dieser Grundsatz gilt jedoch dann nicht uneingeschränkt, wenn zwischen dem Abnehmer oder zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem Dritten schon eine Energieliefervereinbarung besteht1. So verhält es sich hier.
Revisionsrechtlich ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zu unterstellen, dass die Zusammenlegung der Entnahmestellen erst am 3. Februar 2006 erfolgt ist und der Beklagte daher zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 3. Februar 2006 an zwei Entnahmestellen mit Strom versorgt worden ist. Gleichwohl ist durch die Bereitstellung von Strom seitens der Klägerin an der Entnahmestelle mit der Zählernummer …308 und dessen Entnahme durch den Beklagten kein Energielieferungsvertrag geschlossen worden. Denn in diesem Zeitraum bestand noch das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Mieterin K. , da diese erst mit Schreiben vom 4. März 2006 gegenüber der Klägerin die Kündigung des Stromliefervertrages erklärte. Durch die Zurverfügungstellung der Energie erbrachte die Klägerin jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt die ihrer Vertragspartnerin K. geschuldete Versorgungsleistung.
Auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Mieterin K. kam es nicht zu einem Vertragsschluss zwischen der Klägerin und dem Beklagten. Für den Beklagten stellte sich die Bereitstellung von Strom nicht als Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Stromliefervertrages, sondern als weitere Belieferung durch die Streithelferin dar. Denn er hatte der Streithelferin die geänderte Zählernummer mitgeteilt und konnte davon ausgehen, dass er im Rahmen des mit der Streithelferin bestehenden Stromliefervertrages nunmehr über diesen Zähler mit Strom versorgt wurde. Für ihn war deshalb nicht ersichtlich, dass in der Stromlieferung an diesen Zähler ein Vertragsangebot der Klägerin liegen könnte2. Ein Angebot des Beklagten an die Klägerin auf Abschluss eines Energielieferungsvertrages liegt vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht vor.
Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch auch nicht aus der gesetzlichen Regelung über die Ersatzversorgung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) vom 7. Juli 20053 ergibt. Sofern Letztverbraucher über das Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck Energie beziehen, ohne dass dieser Bezug einer Lieferung oder einem bestimmten Liefervertrag zugeordnet werden kann, gilt die Energie gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG als von dem Unternehmen geliefert, das nach § 36 Abs. 1 EnWG berechtigt und verpflichtet ist. Die Vorschrift begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis, wenn die Energieversorgung in Niederspannung oder Niederdruck ohne vertragliche Grundlage allein aufgrund der Entnahme durch den Letztverbraucher erfolgt4. Sinn der Regelung ist es, für die ersatzversorgungsberechtigten Kunden eine Auffangbelieferung für den Fall sicherzustellen, dass ein reguläres Lieferverhältnis nicht besteht5.
Vorliegend sieht sich der Beklagte jedoch mit zwei Lieferanten konfrontiert, die jeweils geltend machen, ihn auf vertraglicher Grundlage mit Strom beliefert zu haben. Dieser Fall der Lieferantenkonkurrenz ist – wovon auch die Revision ausgeht – nicht von § 38 Abs. 1 Satz 1 EnWG umfasst.
Wegen des Stromliefervertrages zwischen der Streithelferin und dem Beklagten scheiden auch ein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB und bereicherungsrechtliche Ansprüche der Klägerin aus.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 2011 – VIII ZR 217/10
- BGH, Urteile vom 27.04.2005 – VIII ZR 140/04, WM 2005, 1717 unter II 1; vom 26.01.2005 – VIII ZR 66/04, NJW-RR 2005, 639 unter II 1 b aa und bb; vom 17.03.2004 – VIII ZR 95/03, NJW-RR 2004, 928 unter [II] 2 a[↩]
- vgl. zu dieser Konstellation BGH, Urteile vom 27.04.2005 – VIII ZR 140/04, aaO unter II 1 a; vom 26.01.2005 – VIII ZR 66/04, aaO unter II 1 b bb 1 [↩]
- BGBl. I S. 1970[↩]
- BT-Drucks. 15/3917, S. 66; Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl., § 38 Rn. 1; Danner/Theobald/Eder, Energierecht, Stand 2010, § 38 EnWG Rn. 1[↩]
- Danner/Theobald/Eder, aaO Rn. 3[↩]