Auslegung der Prozesshandlung „Parteibezeichnung“

Maßgebend bei der Auslegung der Prozesshandlung „Parteibezeichnung“ ist, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei einer tatsächlich existierenden und im Handelsregister eingetragenen juristischen Person kommt der gewählten Parteibezeichnung wegen der Publizitätswirkung des Handelsregisters eine maßgebliche Bedeutung zu. Insofern ist bei der irrtümlichen Benennung einer falschen – im Handelsregister eingetragenen – Person als Partei grundsätzlich diese als Partei anzusehen, wenn nicht ohne weiteres aus dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides oder der Anspruchsbegründung erkennbar ist, dass eine bestimmte andere Partei gemeint ist.

Auslegung der Prozesshandlung „Parteibezeichnung“

Die Bezeichnung der Beklagten ist in dem hier vom Landgericht Freiburg entschiedenen Fall nicht äußerlich unrichtig, mehrdeutig oder unvollständig. Die Beklagte existiert als juristische Person des Privatrechts und ist als Gesellschaft im Handelsregister B des Amtsgerichts Köln unter HRB xxx eingetragen. Die Firma S. Projektentwicklung GmbH ist indes eine davon zu unterscheidende eigene Rechtspersönlichkeit, eingetragen im Handelsregister B des Amtsgerichts Köln unter HRB yyy. Die von der Klägerin begehrte „Berichtigung“ hätte somit der Publizität des Handelsregisters (§ 15 Abs. 2 HGB) widersprochen und die innerprozessuale Identität (Nämlichkeit) der Partei nicht mehr gewahrt. Sie ist damit unzulässig1.

Die Klägerin wollte mit ihrer Antragstellung im Mahnverfahren und nachfolgend im streitigen Verfahren die Beklagte verklagen. Sie befand sich, wie sich noch der Anspruchsbegründung entnehmen lässt, in dem – erst später als Irrtum erkannten – Glauben, dass die Beklagte die Rechtsnachfolgerin der Firma S. Projektentwicklung GmbH ist. Eine Parteibezeichnung ist zwar als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich2, doch selbst bei Auslegung der mit der Bezeichnung der Beklagten verbundenen Prozesserklärung unter Berücksichtigung der damaligen Intention der Klägerin, müsste deshalb davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die Beklagte zum Zeitpunkt der Antragstellung im Mahnverfahren und auch noch zum Zeitpunkt der Anspruchsbegründung im streitigen Verfahren tatsächlich verklagen wollte.

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Maßgebend bei der Auslegung der Prozesshandlung „Parteibezeichnung“ ist allerdings, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist3. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Antrags- bzw. Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Dieser ist vorliegend eindeutig und entsprechend der Publizitätswirkung des Handelsregisters auch maßgeblich. Insofern ist bei der vorliegenden irrtümlichen Benennung der falschen Person als Partei diese als Partei anzusehen, weil es entscheidend auf den Willen der Klägerin so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt4.

Selbst wenn man dem Irrtum der Klägerin maßgebliche Bedeutung beilegen würde, würden auch Sinn und Zweck der gesetzlichen Systematik von Parteiberichtigung und Parteiänderung gegen eine Zulässigkeit der Parteiberichtigung sprechen. Die Zulässigkeit der Parteiberichtigung wird mitunter damit begründet, dass die von ihr betroffene Partei nicht schutzbedürftig sei. Schutzbedürftig ist die von der Fehlbezeichnung betroffene scheinbare Prozesspartei nur dann, wenn sie nicht ohne weiteres erkennen konnte, dass sie mit der Klage und der gerichtlichen Entscheidung nicht gemeint ist5. Einzige Ansatzpunkte hierfür sind die in dem Mahnbescheidsantrag der Klägerin genannte Bezeichnung „Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gem. Schlussrechnung – ZO F. vom 29.03.07“ und die Höhe der Hauptforderung von 1.147.987,30 EUR. Aus beiden Angaben hätte die Beklagte nicht ohne weiteres erkennen können, dass nicht sie die richtige Adressatin der klägerischen Forderungen ist, da sie sich ebenfalls mit der Projektentwicklung in Freiburg befasst und in diesem Bereich auch Forderungen in der genannten Höhe ausgesetzt sein kann.

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Darüber hinaus wäre die Beklagte nicht schutzbedürftig, wenn sie sich ohne hinreichenden Grund in das Prozessrechtsverhältnis anderer Parteien hineingedrängt hätte6. Auch dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr ist es unstreitig, dass die Klägerin sämtliche Kontakte zu dem streitgegenständlichen Bauvorhaben stets mit der Firma S. Projektentwicklung GmbH hatte und zuletzt auch ihr gegenüber noch mit Schreiben vom 10.12.2010 den zeitlich begrenzten Verzicht auf die Einrede der Verjährung erbeten hat. Die Beklagte ist von sich aus in dem durch den Generalunternehmervertrag vom 11.03.2003 geschaffenen Vertragsverhältnis nicht tätig geworden und hat somit der Klägerin keinen Anlass gegeben, sie in Anspruch zu nehmen. Vielmehr vertraute die Klägerin – nach eigenem Vorbringen – der Behauptung „von dritter Seite“, dass die Beklagte die Rechtsnachfolgerin der Firma S. Projektentwicklung GmbH sei.

Die Klägerin hat eine Klageänderung nicht vorgenommen und diese im Prozess auch nicht erklärt. Mit ihrem ausdrücklichen Antrag auf Parteiberichtigung mit Schriftsatz vom 11.04.2011 verfolgte sie lediglich eine – die Verjährungshemmung nicht beeinträchtigende – Präzisierung der Bezeichnung der Beklagten und nicht deren Auswechselung. Insofern ist die maßgebliche Prozesserklärung der Klägerin nicht in einen Antrag auf Klageänderung umzudeuten. Einem solchen Antrag wäre ohnehin nicht nachzukommen gewesen. Jedenfalls wäre die Klage auch bei Annahme von Sachdienlichkeit gegenüber der – dann neuen Beklagten – Firma S. Projektentwicklung GmbH unbegründet gewesen.

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Die Beklagte hat ihre Zustimmung zu einer Klageänderung ausdrücklich verweigert. Die Verweigerung der Zustimmung zu einer Parteiänderung durch die Beklagte ist nicht rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte kann die ihr prozessrechtlich zugestandene Entscheidung (§ 263 ZPO) wahrnehmen und beruft sich zu Recht auf die Publizität des Handelsregisters (§ 15 Abs. 2 HGB). Zwar kann ein in Widerspruch zum Inhalt des Handelsregisters stehender Rechtsschein unter besonderen Umständen zu einer über den Registerinhalt hinaus gehenden Bindung führen, wenn die Berufung auf den Inhalt des Handelsregisters aus besonderen Gründen des Einzelfalles als rechtsmissbräuchlich zu bewerten ist7. Solche besonderen Umstände sind indes hier nicht ersichtlich. Die Beklagte hat zu ihrer Prozessbeteiligung – außer ihrem Internetauftritt – nichts beigetragen und – wie oben ausgeführt – auch keinen entsprechenden Rechtsschein gesetzt. Vielmehr war es die Klägerin, die die Beklagte in Verkennung der Tatsachen als vermeintliche Rechtsnachfolgerin der Firma S. Projektentwicklung GmbH in Anspruch genommen hat.

Eine Klageänderung durch Änderung der Beklagten wäre auch nicht sachdienlich im Sinne von § 263 ZPO gewesen, da sich die Firma S. Projektentwicklung GmbH wegen der streitgegenständlichen Werklohnforderungen der Klägerin auf die Einrede der Verjährung berufen hat. Wäre der Rechtsstreit nach einer Klageänderung gegen die Firma S. Projektentwicklung GmbH weitergeführt worden, wäre diese Einrede auch hier erhoben worden, was zu einem völlig neuen Prozessstoff geführt hätte, der das Gesicht des Rechtsstreits maßgeblich geändert hätte.

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Da der Mahnbescheid der falschen Rechtspersönlichkeit zugestellt worden ist, konnte dieser auch gegenüber der Firma S. Projektentwicklung GmbH keine Hemmungswirkungen entfalten, mit der Folge, dass die geltend gemachten Restwerklohnansprüche verjährt sind. Denn die Klägerin hat die Verhandlungen über ihre Ansprüche mit der für die Firma S. Projektentwicklung GmbH auftretenden C. GmbH nach deren Schreiben vom 24.05.2007 „einschlafen“ lassen, womit die Hemmungswirkung des § 203 BGB jedenfalls zum Ende des Jahres 2007 entfallen ist. Die Forderungen der Klägerin gegen die Firma S. Projektentwicklung GmbH sind daher jedenfalls mit Ablauf des 31.12.2010 verjährt gewesen.

Landgericht Freiburg, Urteil vom 22. Juli 2011 – 14 O 74/11

  1. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, Vor § 50 Rn. 7 m.w.N.[]
  2. vgl. BGHZ 4, 328, 334[]
  3. BGHZ 4, 328, 334[]
  4. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, Vor § 50 Rn. 9 m.w.N.[]
  5. vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 23.09.1996 – 5 W 429/96[]
  6. vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 23.09.1996 – 5 W 429/96[]
  7. BGH LM Nr. 4, 7 zu § 15 HGB; OLG Köln GmbHR 1979, 254[]