Außergerichtliche Anwaltskosten – und die Haftung des Schuldners

Fahrlässig handeln Schuldner nicht bereits dann, wenn sie nicht erkennen, dass die Forderung in der Sache berechtigt ist. Sie müssen grundsätzlich auch für einen Rechtsirrtum nur einstehen, wenn sie fahrlässig gehandelt haben1.

Außergerichtliche Anwaltskosten – und die Haftung des Schuldners

Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt können Schuldnerinnen und Schuldner nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann genügen, wenn die von ihnen zu beurteilende Rechtslage in besonderem Maße unklar ist und sie sorgfältig prüfen, ob dem eigenen Rechtsstandpunkt eine vertretbare rechtliche Beurteilung zugrunde liegt.

leibt bei dieser Prüfung mangels höchstrichterlicher Leitentscheidungen für die Auslegung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen ungewiss, ob die gerügte Pflichtverletzung vorliegt, dürfen Schuldnerinnen und Schuldner eine ihnen von der Gläubigerin oder dem Gläubiger abverlangte Leistung zurückweisen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich ihr Rechtsstandpunkt in einem Rechtsstreit später als unberechtigt herausstellt2.

Gemessen an diesen Anforderungen hat in dem hier entschiedenen Fall die beklagte Sparkasse nach Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts weder die fehlerhafte Widerrufsbelehrung noch ihr vorgerichtliches Zurückweisen des Widerrufs der Darlehensnehmer zu vertreten. Die obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage, in welchem Umfang Bearbeitungen des Musters der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV zulässig sind, ohne dass die Gesetzlichkeitsfiktion entfällt, war bis zum klärenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.07.20163 uneinheitlich.

So wurde in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte teilweise angenommen, die Gesetzlichkeitsfiktion entfalle nur bei solchen Abweichungen vom Muster der Anlage 2, die sich konkret zum Nachteil des Verbrauchers oder der Verbraucherin auswirken4 oder die sein bzw. ihr Verständnis erschweren5. Nach anderer Auffassung sollen zumindest solche Abweichungen, die für die Ausübung des Widerrufsrechts ohne Bedeutung sind, unschädlich sein6. Andererseits wird angenommen, jede sprachliche Abweichung lasse die Gesetzlichkeitsfiktion entfallen7.

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In Anbetracht dessen kann der Sparkasse, die sich vorprozessual auf die ihr günstige Instanzrechtsprechung verlassen hat, ein sorgfaltswidriges Verhalten weder bei der Erteilung der Widerrufsbelehrung noch bei der Zurückweisung des von der klägerischen Partei erklärten Widerrufs und der geforderten Rückabwicklung des Darlehensvertrags zur Last gelegt werden8.

Die Belastung mit Rechtsanwaltskosten, die bei der Geltendmachung des trotz der fehlerhaften Widerrufsbelehrung erklärten Widerrufs entstehen, fällt überdies nicht in den Schutzbereich der Verpflichtung, eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen. Eine Schadensersatzverpflichtung kommt etwa dann in Betracht, wenn Verbraucher oder Verbraucherinnen wegen der fehlerhaften Belehrung von der (früheren) Geltendmachung eines Widerrufs abgehalten werden, nicht hingegen, wenn sie gleichwohl von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Die Belastung mit den Rechtsanwaltskosten als Schaden ist nicht auf Grund der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung entstanden, sondern auf Grund der Weigerung der Sparkasse, diese sowie das Rückabwicklungsverlangen anzuerkennen9.

Diese Weigerung der Sparkasse, das Rückabwicklungsverlangen als berechtigt anzuerkennen, ist allerdings nicht kausal für die angefallenen vorgerichtlichen Kosten. Der Widerruf wurde mit anwaltlichem Schreiben erklärt. Damit waren die vorgerichtlichen Kosten bereits angefallen, bevor die Sparkasse verpflichtet sein konnte, die aus dem Widerruf resultierenden Rechtsfolgen anerkennen zu müssen10.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB.

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Die Sparkasse hat den Verzug aus den dargelegten Gründen nicht zu vertreten, § 286 Abs. 4 BGB. Insofern kann auf die obigen Ausführungen unter a)) bb)) verwiesen werden. Aufgrund der unklaren Rechtslage und der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Widerrufsbelehrungen durfte sie sich auf ihren in erster Instanz bestätigten Rechtsstandpunkt verlassen und die Forderung der Darlehensnehmer ablehnen, den Vertrag rückabzuwickeln.

Überdies machen die Darlehensnehmer im vorliegenden Fall keinen durch den Verzug bedingten Schaden geltend. Ein kausaler Schaden liegt nicht vor, da die Prozessbevollmächtigten bereits vor der Erklärung des Widerrufs beauftragt wurden.

Schleswig -Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 6. Oktober 2016 – 5 U 72/16

  1. BGH, Urteil vom 14.06.1994 – XI ZR 210/9320; Grüneberg in: Palandt, BGB, 75. Aufl.2016, § 276 Rn. 22[]
  2. vgl. für Pflichtverletzungen des Gläubigers BGH, Urteil vom 16.01.2009 – V ZR 133/08, Rn.20 und 26; Urteil vom 18.01.2011 – XI ZR 356/09, Rn. 31[]
  3. BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15[]
  4. OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.06.2009 – 9 U 111/08 11; OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.12 2011 – 9 U 52/11 32; OLG Bamberg, Urteil vom 25.06.2012 – 4 U 262/11 54[]
  5. OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.12 2012 – 17 U 139/11 38[]
  6. OLG Hamburg, Beschluss vom 24.03.2014 – 13 U 52/14 6[]
  7. OLG Stuttgart, Urteil vom 29.12 2011 – 6 U 79/11 34; OLG München, Urteil vom 17.01.2012 – 5 U 2167/11 46; OLG Köln, Urteil vom 23.01.2013 – 13 U 217/11 24[]
  8. vgl. zum fehlenden Verschulden in diesen Fällen OLG Hamm, Urteil vom 20.02.2008 – 31 U 51/07 61; LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 19.08.2014 – 1 O 78/13 31[]
  9. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 10.11.2014 – 6 O 4120/14 56 ff.; LG Landau (Pfalz), Urteil vom 28.07.2015 – 4 O 297/14 61[]
  10. vgl. LG Hamburg, Urteil vom 08.03.2011 – 322 O 395/10 157[]
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